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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr.

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Literatur.

Reklame gemacht wird (wie für Lißt, Wagner und -- Ncszlcr) und keine gemacht
werden kann; denn sie braucht und sie verträgt keine Reklame. Um Brahms steht,
wie einst um Beethoven und um Schumann, eine "Gemeinde." Sie war anfangs
klein, aber sie wächst von Jahr zu Jahr, ganz geräuschlos, nur durch die Begeiste¬
rung, die sich von Mund zu Munde fortpflanzt. Unsre großen Konzertinstitnte,
die doch die Aufgabe hätten, weiteren Kreise" die Bekanntschaft mit einer so gro߬
artigen Künstlererscheinung wie Brahms zu erleichtern, tragen wenig dazu bei.
Am besten sieht man das an den Liedern. Brahms hat bis jetzt an die 200 Lieder
veröffentlicht, der Brahmsverchrer kennt sie, singt sie und -- kauft sie! Ja, er
kauft sie sogar! Das ist nämlich auch einer von den Unterschieden zwischen den
angeblichen Wagnerschwärmern und den Brahmsfreunden, daß die Brahmsfreunde
für ihren Liebling Geld übrig haben, die Wagnerschwärmer nicht. Die Wagner¬
verleger, die Wagnerdenkmalkomitees können davon erzählen. Aber was bekommt
man in Konzerten von Brahmsschen Liedern zu hören? Kaum fünf oder sechs.
Selbst die gefeierte Altistin, die als die Hauptverbreiterin Brahmsscher Lieder gilt,
wartet doch nur mit einer sehr beschränkten Auswahl auf -- und aus welchem
Grunde eigentlich? Sind ihr die andern zu schwer? oder "liegen" sie ihr nicht?
oder glaubt sie, im Konzertsaal keine Wirkung damit zu erzielen, nichts damit zu
"machen" ?

Kurz, es ist so, wie wir sagen: das Meiste und Beste ist bei Brahms dem
ernsten, liebevollen Suchen, Entgegenkommen und Sichversenken des Einzelnen über¬
lassen. Das war aber bisher nicht ganz leicht, da es an jeder Uebersicht über seine
Werke fehlte, die doch (seit 1853) bei verschiedenen Verlegern erschienen sind.
Diesem Mangel ist nun durch das vorliegende musterhaft gearbeitete und schön
ausgestattete thematische Verzeichnis abgeholfen. Es hat nur einen Fehler: daß es
doch gar zu teuer ist (fünfzehn Mary. Dieses Verzeichnis ist berufen, von nun an
die Bekanntschaft mit dem ganzen Brahms zu vermitteln. Je leichtere Verbreitung
es fände, desto schneller würde sich die Brahmsgemeindc vermehren, desto größeren
Vorteil würden auch die Verleger davon haben. Wir meinen, die Verleger hätten
die Sache nicht Simrock allein überlassen, sie hätten sich zuscunmenthnn, das Ver¬
zeichnis auf gemeinschaftliche Kosten herstellen und so billig als mir irgend möglich
-- für eine Mark! -- unter die Leute bringen sollen. Nun, vielleicht kommt eine
billige Ausgabe nach; wir hoffen darauf, und wir bitten darum.






Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig.
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig. -- Druck von Carl Marquart in Leipzig.
Literatur.

Reklame gemacht wird (wie für Lißt, Wagner und — Ncszlcr) und keine gemacht
werden kann; denn sie braucht und sie verträgt keine Reklame. Um Brahms steht,
wie einst um Beethoven und um Schumann, eine „Gemeinde." Sie war anfangs
klein, aber sie wächst von Jahr zu Jahr, ganz geräuschlos, nur durch die Begeiste¬
rung, die sich von Mund zu Munde fortpflanzt. Unsre großen Konzertinstitnte,
die doch die Aufgabe hätten, weiteren Kreise» die Bekanntschaft mit einer so gro߬
artigen Künstlererscheinung wie Brahms zu erleichtern, tragen wenig dazu bei.
Am besten sieht man das an den Liedern. Brahms hat bis jetzt an die 200 Lieder
veröffentlicht, der Brahmsverchrer kennt sie, singt sie und — kauft sie! Ja, er
kauft sie sogar! Das ist nämlich auch einer von den Unterschieden zwischen den
angeblichen Wagnerschwärmern und den Brahmsfreunden, daß die Brahmsfreunde
für ihren Liebling Geld übrig haben, die Wagnerschwärmer nicht. Die Wagner¬
verleger, die Wagnerdenkmalkomitees können davon erzählen. Aber was bekommt
man in Konzerten von Brahmsschen Liedern zu hören? Kaum fünf oder sechs.
Selbst die gefeierte Altistin, die als die Hauptverbreiterin Brahmsscher Lieder gilt,
wartet doch nur mit einer sehr beschränkten Auswahl auf — und aus welchem
Grunde eigentlich? Sind ihr die andern zu schwer? oder „liegen" sie ihr nicht?
oder glaubt sie, im Konzertsaal keine Wirkung damit zu erzielen, nichts damit zu
„machen" ?

Kurz, es ist so, wie wir sagen: das Meiste und Beste ist bei Brahms dem
ernsten, liebevollen Suchen, Entgegenkommen und Sichversenken des Einzelnen über¬
lassen. Das war aber bisher nicht ganz leicht, da es an jeder Uebersicht über seine
Werke fehlte, die doch (seit 1853) bei verschiedenen Verlegern erschienen sind.
Diesem Mangel ist nun durch das vorliegende musterhaft gearbeitete und schön
ausgestattete thematische Verzeichnis abgeholfen. Es hat nur einen Fehler: daß es
doch gar zu teuer ist (fünfzehn Mary. Dieses Verzeichnis ist berufen, von nun an
die Bekanntschaft mit dem ganzen Brahms zu vermitteln. Je leichtere Verbreitung
es fände, desto schneller würde sich die Brahmsgemeindc vermehren, desto größeren
Vorteil würden auch die Verleger davon haben. Wir meinen, die Verleger hätten
die Sache nicht Simrock allein überlassen, sie hätten sich zuscunmenthnn, das Ver¬
zeichnis auf gemeinschaftliche Kosten herstellen und so billig als mir irgend möglich
— für eine Mark! — unter die Leute bringen sollen. Nun, vielleicht kommt eine
billige Ausgabe nach; wir hoffen darauf, und wir bitten darum.






Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig.
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig. — Druck von Carl Marquart in Leipzig.
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[0064] Literatur. Reklame gemacht wird (wie für Lißt, Wagner und — Ncszlcr) und keine gemacht werden kann; denn sie braucht und sie verträgt keine Reklame. Um Brahms steht, wie einst um Beethoven und um Schumann, eine „Gemeinde." Sie war anfangs klein, aber sie wächst von Jahr zu Jahr, ganz geräuschlos, nur durch die Begeiste¬ rung, die sich von Mund zu Munde fortpflanzt. Unsre großen Konzertinstitnte, die doch die Aufgabe hätten, weiteren Kreise» die Bekanntschaft mit einer so gro߬ artigen Künstlererscheinung wie Brahms zu erleichtern, tragen wenig dazu bei. Am besten sieht man das an den Liedern. Brahms hat bis jetzt an die 200 Lieder veröffentlicht, der Brahmsverchrer kennt sie, singt sie und — kauft sie! Ja, er kauft sie sogar! Das ist nämlich auch einer von den Unterschieden zwischen den angeblichen Wagnerschwärmern und den Brahmsfreunden, daß die Brahmsfreunde für ihren Liebling Geld übrig haben, die Wagnerschwärmer nicht. Die Wagner¬ verleger, die Wagnerdenkmalkomitees können davon erzählen. Aber was bekommt man in Konzerten von Brahmsschen Liedern zu hören? Kaum fünf oder sechs. Selbst die gefeierte Altistin, die als die Hauptverbreiterin Brahmsscher Lieder gilt, wartet doch nur mit einer sehr beschränkten Auswahl auf — und aus welchem Grunde eigentlich? Sind ihr die andern zu schwer? oder „liegen" sie ihr nicht? oder glaubt sie, im Konzertsaal keine Wirkung damit zu erzielen, nichts damit zu „machen" ? Kurz, es ist so, wie wir sagen: das Meiste und Beste ist bei Brahms dem ernsten, liebevollen Suchen, Entgegenkommen und Sichversenken des Einzelnen über¬ lassen. Das war aber bisher nicht ganz leicht, da es an jeder Uebersicht über seine Werke fehlte, die doch (seit 1853) bei verschiedenen Verlegern erschienen sind. Diesem Mangel ist nun durch das vorliegende musterhaft gearbeitete und schön ausgestattete thematische Verzeichnis abgeholfen. Es hat nur einen Fehler: daß es doch gar zu teuer ist (fünfzehn Mary. Dieses Verzeichnis ist berufen, von nun an die Bekanntschaft mit dem ganzen Brahms zu vermitteln. Je leichtere Verbreitung es fände, desto schneller würde sich die Brahmsgemeindc vermehren, desto größeren Vorteil würden auch die Verleger davon haben. Wir meinen, die Verleger hätten die Sache nicht Simrock allein überlassen, sie hätten sich zuscunmenthnn, das Ver¬ zeichnis auf gemeinschaftliche Kosten herstellen und so billig als mir irgend möglich — für eine Mark! — unter die Leute bringen sollen. Nun, vielleicht kommt eine billige Ausgabe nach; wir hoffen darauf, und wir bitten darum. Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig. Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig. — Druck von Carl Marquart in Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_201428/64>, abgerufen am 16.05.2024.