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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.

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Zur Schulgeldfrage.

und die Volksschulbildung allgemein als mindestes Maß zu erzwingen, dann
erscheine es auch richtiger, die erforderlichen Kosten sämtlich nach den allgemein
eingeführten Grundsätzen aufzubringen, als sie zu einem erheblichen Teile dem
zunächst beteiligten aufzubürden.

Nachdem die Motive dann noch ausgeführt haben, daß gegen die Ab¬
schaffung des Schulgeldes durch ein Gesetz ein Bedenken aus der Verfassungs¬
urkunde (dem Staatsgrundgesetz) nicht hergeleitet werden könne, weisen sie noch
darauf hin, daß diese Maßregel in den Gesetzgebungen Deutschlands nicht ver¬
einzelt stehe. Im ehemaligen Herzogtum Nassau und in Schleswig-Holstein sei
bereits seit Anfang dieses Jahrhunderts das Schulgeld aufgehoben, und gerade
in neuerer Zeit sei in Deutschland das Bestreben in der Gesetzgebung wie in
der Verwaltung unverkennbar auf die Beseitigung des Schulgeldes gerichtet.
In dem lübeckischen Unterrichtsgesetze von 1885 sei für die Stadt Lübeck und
deren Vorstädte unentgeltlicher Unterricht vorgeschrieben. Für das Königreich
Preußen enthalte schon das Allgemeine Landrecht von 1794 Bestimmungen,
durch welche das Schulgeld allgemein ausgeschlossen werde, und ebenso stelle die
preußische Verfassungsurkunde vom 31. Januar 1850 (Artikel 25) den Grund¬
satz auf, daß in den öffentlichen Volksschulen der Unterricht unentgeltlich er¬
teilt werde. Diese Vorschriften seien freilich in Preußen noch keineswegs all¬
gemein durchgeführt, sondern es habe sich das Schulgeld auf Grund lokalrecht¬
licher Bestimmungen fast überall erhalten. Aber es sei von der preußischen
Negierung gerade in den letzten Jahren, soweit es in den einzelnen Fällen mög¬
lich gewesen, auf Beseitigung des Schulgeldes hingewirkt worden, und dieser
Standpunkt sei zu bestimmtem Ausdruck gelangt in dem 1881 von der Ne¬
gierung vorgelegten Gesetzentwurfe betreffend die Verwendung der infolge weiterer
Neichssteucrreformen an Preußen zu überweisenden Geldsummen, in welchem nächst
dem Erlaß der Klassensteuer der vier untersten Stufen die Verwendung eines
Teiles jener Mittel zur Erleichterung der Vvlksschullasten, insbesondre zur
Beseitigung der Schulgelderhebung, in Aussicht genommen sei.

Des weiteren ist hervorgehoben, daß nur für die Volksschulen das Schul¬
geld aufgehoben werden solle. Wo mit einer Volksschule eine deren Lehrziel
überschreitende Einrichtung verbunden sei (sogenannte erweiterte Volksschule),
könne die Aufhebung sich nur auf die Volksschule selbst, nicht auf die Erweiterung
beziehen, und es müsse solchen Schulgemeinden gestattet bleiben, ein Schulgeld
für Benutzung des besondern Unterrichts, welche selbstverständlich wie bisher eine
freiwillige bleibe, zu erheben. Die Verhältnisse der öffentlichen Mittel- und
Bürgerschulen sollen durch das Gesetz in keiner Weise berührt werden.

Eine Minderheit im Landtage erhob gegen den Gesetzentwurf rechtliche
und finanzielle Bedenken und wollte nur eine Befreiung der cirmern Klassen vom
Schulgelde zugestehen; indes fiel ihr Antrag auf eine Abstufung des Schul¬
geldes, und die Vorschläge der Staatsregierung wurden ohne Änderung mit großer


Zur Schulgeldfrage.

und die Volksschulbildung allgemein als mindestes Maß zu erzwingen, dann
erscheine es auch richtiger, die erforderlichen Kosten sämtlich nach den allgemein
eingeführten Grundsätzen aufzubringen, als sie zu einem erheblichen Teile dem
zunächst beteiligten aufzubürden.

Nachdem die Motive dann noch ausgeführt haben, daß gegen die Ab¬
schaffung des Schulgeldes durch ein Gesetz ein Bedenken aus der Verfassungs¬
urkunde (dem Staatsgrundgesetz) nicht hergeleitet werden könne, weisen sie noch
darauf hin, daß diese Maßregel in den Gesetzgebungen Deutschlands nicht ver¬
einzelt stehe. Im ehemaligen Herzogtum Nassau und in Schleswig-Holstein sei
bereits seit Anfang dieses Jahrhunderts das Schulgeld aufgehoben, und gerade
in neuerer Zeit sei in Deutschland das Bestreben in der Gesetzgebung wie in
der Verwaltung unverkennbar auf die Beseitigung des Schulgeldes gerichtet.
In dem lübeckischen Unterrichtsgesetze von 1885 sei für die Stadt Lübeck und
deren Vorstädte unentgeltlicher Unterricht vorgeschrieben. Für das Königreich
Preußen enthalte schon das Allgemeine Landrecht von 1794 Bestimmungen,
durch welche das Schulgeld allgemein ausgeschlossen werde, und ebenso stelle die
preußische Verfassungsurkunde vom 31. Januar 1850 (Artikel 25) den Grund¬
satz auf, daß in den öffentlichen Volksschulen der Unterricht unentgeltlich er¬
teilt werde. Diese Vorschriften seien freilich in Preußen noch keineswegs all¬
gemein durchgeführt, sondern es habe sich das Schulgeld auf Grund lokalrecht¬
licher Bestimmungen fast überall erhalten. Aber es sei von der preußischen
Negierung gerade in den letzten Jahren, soweit es in den einzelnen Fällen mög¬
lich gewesen, auf Beseitigung des Schulgeldes hingewirkt worden, und dieser
Standpunkt sei zu bestimmtem Ausdruck gelangt in dem 1881 von der Ne¬
gierung vorgelegten Gesetzentwurfe betreffend die Verwendung der infolge weiterer
Neichssteucrreformen an Preußen zu überweisenden Geldsummen, in welchem nächst
dem Erlaß der Klassensteuer der vier untersten Stufen die Verwendung eines
Teiles jener Mittel zur Erleichterung der Vvlksschullasten, insbesondre zur
Beseitigung der Schulgelderhebung, in Aussicht genommen sei.

Des weiteren ist hervorgehoben, daß nur für die Volksschulen das Schul¬
geld aufgehoben werden solle. Wo mit einer Volksschule eine deren Lehrziel
überschreitende Einrichtung verbunden sei (sogenannte erweiterte Volksschule),
könne die Aufhebung sich nur auf die Volksschule selbst, nicht auf die Erweiterung
beziehen, und es müsse solchen Schulgemeinden gestattet bleiben, ein Schulgeld
für Benutzung des besondern Unterrichts, welche selbstverständlich wie bisher eine
freiwillige bleibe, zu erheben. Die Verhältnisse der öffentlichen Mittel- und
Bürgerschulen sollen durch das Gesetz in keiner Weise berührt werden.

Eine Minderheit im Landtage erhob gegen den Gesetzentwurf rechtliche
und finanzielle Bedenken und wollte nur eine Befreiung der cirmern Klassen vom
Schulgelde zugestehen; indes fiel ihr Antrag auf eine Abstufung des Schul¬
geldes, und die Vorschläge der Staatsregierung wurden ohne Änderung mit großer


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[0144] Zur Schulgeldfrage. und die Volksschulbildung allgemein als mindestes Maß zu erzwingen, dann erscheine es auch richtiger, die erforderlichen Kosten sämtlich nach den allgemein eingeführten Grundsätzen aufzubringen, als sie zu einem erheblichen Teile dem zunächst beteiligten aufzubürden. Nachdem die Motive dann noch ausgeführt haben, daß gegen die Ab¬ schaffung des Schulgeldes durch ein Gesetz ein Bedenken aus der Verfassungs¬ urkunde (dem Staatsgrundgesetz) nicht hergeleitet werden könne, weisen sie noch darauf hin, daß diese Maßregel in den Gesetzgebungen Deutschlands nicht ver¬ einzelt stehe. Im ehemaligen Herzogtum Nassau und in Schleswig-Holstein sei bereits seit Anfang dieses Jahrhunderts das Schulgeld aufgehoben, und gerade in neuerer Zeit sei in Deutschland das Bestreben in der Gesetzgebung wie in der Verwaltung unverkennbar auf die Beseitigung des Schulgeldes gerichtet. In dem lübeckischen Unterrichtsgesetze von 1885 sei für die Stadt Lübeck und deren Vorstädte unentgeltlicher Unterricht vorgeschrieben. Für das Königreich Preußen enthalte schon das Allgemeine Landrecht von 1794 Bestimmungen, durch welche das Schulgeld allgemein ausgeschlossen werde, und ebenso stelle die preußische Verfassungsurkunde vom 31. Januar 1850 (Artikel 25) den Grund¬ satz auf, daß in den öffentlichen Volksschulen der Unterricht unentgeltlich er¬ teilt werde. Diese Vorschriften seien freilich in Preußen noch keineswegs all¬ gemein durchgeführt, sondern es habe sich das Schulgeld auf Grund lokalrecht¬ licher Bestimmungen fast überall erhalten. Aber es sei von der preußischen Negierung gerade in den letzten Jahren, soweit es in den einzelnen Fällen mög¬ lich gewesen, auf Beseitigung des Schulgeldes hingewirkt worden, und dieser Standpunkt sei zu bestimmtem Ausdruck gelangt in dem 1881 von der Ne¬ gierung vorgelegten Gesetzentwurfe betreffend die Verwendung der infolge weiterer Neichssteucrreformen an Preußen zu überweisenden Geldsummen, in welchem nächst dem Erlaß der Klassensteuer der vier untersten Stufen die Verwendung eines Teiles jener Mittel zur Erleichterung der Vvlksschullasten, insbesondre zur Beseitigung der Schulgelderhebung, in Aussicht genommen sei. Des weiteren ist hervorgehoben, daß nur für die Volksschulen das Schul¬ geld aufgehoben werden solle. Wo mit einer Volksschule eine deren Lehrziel überschreitende Einrichtung verbunden sei (sogenannte erweiterte Volksschule), könne die Aufhebung sich nur auf die Volksschule selbst, nicht auf die Erweiterung beziehen, und es müsse solchen Schulgemeinden gestattet bleiben, ein Schulgeld für Benutzung des besondern Unterrichts, welche selbstverständlich wie bisher eine freiwillige bleibe, zu erheben. Die Verhältnisse der öffentlichen Mittel- und Bürgerschulen sollen durch das Gesetz in keiner Weise berührt werden. Eine Minderheit im Landtage erhob gegen den Gesetzentwurf rechtliche und finanzielle Bedenken und wollte nur eine Befreiung der cirmern Klassen vom Schulgelde zugestehen; indes fiel ihr Antrag auf eine Abstufung des Schul¬ geldes, und die Vorschläge der Staatsregierung wurden ohne Änderung mit großer

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098/144>, abgerufen am 15.05.2024.