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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.

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Der deutsche Bund.

dings mit Unterbrechungen, weit über ein Jahrhundert gedauert hat, weder
England noch Hannover, abgesehen von der Dynastie und einer nicht großen
Koterie von Adlichen und Beamten, jemals irgend einen nennenswerten Nutzen
oder Vorteil, Deutschland aber unbestreitbar nur Schaden und Nachteil gehabt
hat. Aus diesem Grunde vollzog sich auch wohl die Trennung der beiden
Länder im Jahre 1837 so leicht. Mit der Thronbesteigung der Königin Viktoria
in England und des Königs Ernst August in Hannover wurden wir wenigstens
diese "dritte deutsche Großmacht" los; von den beiden übrig bleibenden war
immer noch die eine zu viel.

Außerdem waren aber noch die Herrscher von zwei andern auswärtigen
Staaten Mitglieder des deutschen Bundes, nämlich die Könige von Dänemark
und der Niederlande. In der Bundesakte ist ersterer nur als Herzog von
Holstein erwähnt; durch Protokoll vom 15. November 1816 wurde Sachsen-
Lauenburg damit vereinigt und dem Bunde einverleibt. Für den König der
Niederlande war als Entschädigung für Gebiete, die er in Deutschland verloren
hatte (ssrvÄnt as ooinxensg-lion pour los xriueixg-utös as MWM-IMsnvörg',
Liessen, Unäg-mar se DiW, Kongreßakte, Art. 67), das Großhcrzogtum Luxem¬
burg gebildet und zu einem Bestandteile des Bundes gemacht worden. Als
Holland und Belgien sich trennten und ein Teil von Luxemburg an Belgien
kam, wurde ein Teil von Holländisch-Limburg für Bundesgebiet erklärt. Daß
diese beiden Monarchen am liebsten so schleunig wie möglich aus dem deutschen
Bunde ausgetreten wären, bedarf kaum einer Bemerkung. Ebenso wenig, daß
sie bestrebt waren, die Kräfte dieser deutschen Bundesstaaten nur im Interesse
ihres Gesamtstaates zu verwerten. Daraus folgt dann von selbst, daß diese
Bundeslande nicht nur tote Glieder am Körper Deutschlands waren, sondern
daß namentlich ihre finanziellen und militärischen Hilfsmittel nicht nur für
Zwecke ausgenutzt wurden, die Deutschland fremd, sondern häusig auch für solche,
welche ihm geradezu nachteilig und schädlich waren. Daß Dänemark ein halbes
Jahrhundert lang sein ganzes Streben darauf richtete, zunächst Schleswig und
dann Lauenburg dem Gesamtstaate völlig einzuverleiben, ist ja aus der allge¬
meinen Geschichte bekannt genug. Wäre ihm dies gelungen, so kam Holstein
an die Reihe, und dann waren die "meerumschlungenen Lande" ganz für Deutsch¬
land verloren. Wenn der König der Niederlande mit Luxemburg, das, gleich
den Elbherzogtümern, mit dem Hauptstaate nur durch Personalunion verknüpft
war, nicht ebenso verfuhr, so lag das wesentlich nur daran, daß die starke
preußische Besatzung in der Bundesfestung Luxemburg allen solchen Plänen von
vornherein im Wege stand. Daß es der holländischen Negierung nicht an dem
guten Willen fehlte, die Interessen Deutschlands zu schädigen, dafür ließen sich
viele Beispiele anführen, z. B. der bekannte Streit über die Rheinzölle. Wie
wenig Wert aber überhaupt der König-Großherzog persönlich auf den Besitz
seines Großherzogtums legte, dafür bietet den schlagendsten Beweis jener be-


Der deutsche Bund.

dings mit Unterbrechungen, weit über ein Jahrhundert gedauert hat, weder
England noch Hannover, abgesehen von der Dynastie und einer nicht großen
Koterie von Adlichen und Beamten, jemals irgend einen nennenswerten Nutzen
oder Vorteil, Deutschland aber unbestreitbar nur Schaden und Nachteil gehabt
hat. Aus diesem Grunde vollzog sich auch wohl die Trennung der beiden
Länder im Jahre 1837 so leicht. Mit der Thronbesteigung der Königin Viktoria
in England und des Königs Ernst August in Hannover wurden wir wenigstens
diese „dritte deutsche Großmacht" los; von den beiden übrig bleibenden war
immer noch die eine zu viel.

Außerdem waren aber noch die Herrscher von zwei andern auswärtigen
Staaten Mitglieder des deutschen Bundes, nämlich die Könige von Dänemark
und der Niederlande. In der Bundesakte ist ersterer nur als Herzog von
Holstein erwähnt; durch Protokoll vom 15. November 1816 wurde Sachsen-
Lauenburg damit vereinigt und dem Bunde einverleibt. Für den König der
Niederlande war als Entschädigung für Gebiete, die er in Deutschland verloren
hatte (ssrvÄnt as ooinxensg-lion pour los xriueixg-utös as MWM-IMsnvörg',
Liessen, Unäg-mar se DiW, Kongreßakte, Art. 67), das Großhcrzogtum Luxem¬
burg gebildet und zu einem Bestandteile des Bundes gemacht worden. Als
Holland und Belgien sich trennten und ein Teil von Luxemburg an Belgien
kam, wurde ein Teil von Holländisch-Limburg für Bundesgebiet erklärt. Daß
diese beiden Monarchen am liebsten so schleunig wie möglich aus dem deutschen
Bunde ausgetreten wären, bedarf kaum einer Bemerkung. Ebenso wenig, daß
sie bestrebt waren, die Kräfte dieser deutschen Bundesstaaten nur im Interesse
ihres Gesamtstaates zu verwerten. Daraus folgt dann von selbst, daß diese
Bundeslande nicht nur tote Glieder am Körper Deutschlands waren, sondern
daß namentlich ihre finanziellen und militärischen Hilfsmittel nicht nur für
Zwecke ausgenutzt wurden, die Deutschland fremd, sondern häusig auch für solche,
welche ihm geradezu nachteilig und schädlich waren. Daß Dänemark ein halbes
Jahrhundert lang sein ganzes Streben darauf richtete, zunächst Schleswig und
dann Lauenburg dem Gesamtstaate völlig einzuverleiben, ist ja aus der allge¬
meinen Geschichte bekannt genug. Wäre ihm dies gelungen, so kam Holstein
an die Reihe, und dann waren die „meerumschlungenen Lande" ganz für Deutsch¬
land verloren. Wenn der König der Niederlande mit Luxemburg, das, gleich
den Elbherzogtümern, mit dem Hauptstaate nur durch Personalunion verknüpft
war, nicht ebenso verfuhr, so lag das wesentlich nur daran, daß die starke
preußische Besatzung in der Bundesfestung Luxemburg allen solchen Plänen von
vornherein im Wege stand. Daß es der holländischen Negierung nicht an dem
guten Willen fehlte, die Interessen Deutschlands zu schädigen, dafür ließen sich
viele Beispiele anführen, z. B. der bekannte Streit über die Rheinzölle. Wie
wenig Wert aber überhaupt der König-Großherzog persönlich auf den Besitz
seines Großherzogtums legte, dafür bietet den schlagendsten Beweis jener be-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098/200>, abgerufen am 15.05.2024.