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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.

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Die sogenannte Konkurrenz.

Gewerbszweigen. Überall kann sich die Konkurrenz nur an die gegebenen
Anforderungen des Bedarfs halten; geht sie darüber hinaus, so kann dies unter
Umständen die Folge haben, neue oder gesteigerte Anforderungen zu Tage treten
zu lassen, aber es muß diese Folge keineswegs haben, und immer wird hier
ein letzter Grund zu finden sein, der mit der Konkurrenz als solcher nichts zu
schaffen hat.

Was endlich die überall als letztes Ergebnis hervortretenden Verbindungen
der Konkurrenten betrifft, so sprechen alle Erscheinungen dafür, daß diese
überall gerade dann zu stände kommen oder sich behaupten, wenn die Kon¬
kurrenz ihre "Segnungen" zeigen sollte. Merkwürdig! gerade immer da, wo
ihre Geltung am nötigsten wäre, versagt die Konkurrenz und verwandelt sich in
eine Gemeinschaft von Interessenten. Man glaube nicht, diese Verbindungen
beschränkten sich auf Eisenbahnen und auf Fabrikantenverbände; sie treten
vielmehr überall da auf, wo das Interesse der Produzenten gegenüber dem
verbrauchenden Publikum, dem ja durch die Konkurrenz ein Gegengewicht
gegeben werden soll, sehr groß geworden ist, weil sich in diesen Fällen der
Vcrbindungsgedanke überall von selbst aufdrängt. In welchem Maße dies zu¬
trifft, davon nur ein Beispiel. Ich kenne eine große Stadt in Deutschland, wo
das Bier beinahe doppelt so teuer ist als anderswo, und wo gegen diesen
Zustand seit einiger Zeit aufs lebhafteste angekämpft wird; dennoch konnte der
dort bestehende Gastwirtverband soeben erst die Erklärung abgeben, der Preis
sei angemessen und es müsse daran festgehalten werden. Es mag sein, daß es
in diesem Falle auf die Dauer nicht gelingen wird, den Sieg über das Publikum
davonzutragen, aber immerhin zeigt dieses Beispiel, was alles möglich und wie
schwer ein einmal bestehender Verband zu breche" ist. Daß es ähnliche Er¬
wägungen sind, welche dazu getrieben haben, den Gedanken polizeilicher Fleisch-
und Vrottaxen wieder aufzugreifen, ist ja bekannt, ebenso, daß die Wahrnehmung
von der Wirkungslosigkeit der städtischen Octroiaufhebungen hiermit zusammen¬
hängt; sehr bald ist es in allen diesen Fällen gelungen, einen Ring derjenigen
Interessenten zu bilden, die idealer Weise Konkurrenten sein sollten, es aber
bequemer fanden, sich unter einander über den Preis zu einigen. Ist der Kreis
der Interessenten gar zu groß, so findet sich vielleicht ein engerer Kreis, der
auf dem Wege des Verbandes den Nutzen für sich vorwegnimmt und die an¬
gebliche Konkurrenz gegenstandslos macht. So hat sich in Berlin, durch die
Viehhofeinrichtungen begünstigt, ein Stand von Viehkommissionären gebildet,
welche die Versorgung Berlins mit Vieh vollständig in ihre Hand genommen
haben und einen undurchbrechbaren Ring bilden. Die Berliner Schlächter mögen
unter sich immerhin konkurriren, aber die Hauptmühe dabei, die Festsetzung des
Viehpreises, haben die Kommissionäre ihnen vollständig abgenommen. Und wie
lange wird es dauern, so Werden die Getreidehändler ihren Ring in noch ungleich
größerer Allgemeinheit fertig gebracht haben, sodaß der Getreidepreis der


Die sogenannte Konkurrenz.

Gewerbszweigen. Überall kann sich die Konkurrenz nur an die gegebenen
Anforderungen des Bedarfs halten; geht sie darüber hinaus, so kann dies unter
Umständen die Folge haben, neue oder gesteigerte Anforderungen zu Tage treten
zu lassen, aber es muß diese Folge keineswegs haben, und immer wird hier
ein letzter Grund zu finden sein, der mit der Konkurrenz als solcher nichts zu
schaffen hat.

Was endlich die überall als letztes Ergebnis hervortretenden Verbindungen
der Konkurrenten betrifft, so sprechen alle Erscheinungen dafür, daß diese
überall gerade dann zu stände kommen oder sich behaupten, wenn die Kon¬
kurrenz ihre „Segnungen" zeigen sollte. Merkwürdig! gerade immer da, wo
ihre Geltung am nötigsten wäre, versagt die Konkurrenz und verwandelt sich in
eine Gemeinschaft von Interessenten. Man glaube nicht, diese Verbindungen
beschränkten sich auf Eisenbahnen und auf Fabrikantenverbände; sie treten
vielmehr überall da auf, wo das Interesse der Produzenten gegenüber dem
verbrauchenden Publikum, dem ja durch die Konkurrenz ein Gegengewicht
gegeben werden soll, sehr groß geworden ist, weil sich in diesen Fällen der
Vcrbindungsgedanke überall von selbst aufdrängt. In welchem Maße dies zu¬
trifft, davon nur ein Beispiel. Ich kenne eine große Stadt in Deutschland, wo
das Bier beinahe doppelt so teuer ist als anderswo, und wo gegen diesen
Zustand seit einiger Zeit aufs lebhafteste angekämpft wird; dennoch konnte der
dort bestehende Gastwirtverband soeben erst die Erklärung abgeben, der Preis
sei angemessen und es müsse daran festgehalten werden. Es mag sein, daß es
in diesem Falle auf die Dauer nicht gelingen wird, den Sieg über das Publikum
davonzutragen, aber immerhin zeigt dieses Beispiel, was alles möglich und wie
schwer ein einmal bestehender Verband zu breche» ist. Daß es ähnliche Er¬
wägungen sind, welche dazu getrieben haben, den Gedanken polizeilicher Fleisch-
und Vrottaxen wieder aufzugreifen, ist ja bekannt, ebenso, daß die Wahrnehmung
von der Wirkungslosigkeit der städtischen Octroiaufhebungen hiermit zusammen¬
hängt; sehr bald ist es in allen diesen Fällen gelungen, einen Ring derjenigen
Interessenten zu bilden, die idealer Weise Konkurrenten sein sollten, es aber
bequemer fanden, sich unter einander über den Preis zu einigen. Ist der Kreis
der Interessenten gar zu groß, so findet sich vielleicht ein engerer Kreis, der
auf dem Wege des Verbandes den Nutzen für sich vorwegnimmt und die an¬
gebliche Konkurrenz gegenstandslos macht. So hat sich in Berlin, durch die
Viehhofeinrichtungen begünstigt, ein Stand von Viehkommissionären gebildet,
welche die Versorgung Berlins mit Vieh vollständig in ihre Hand genommen
haben und einen undurchbrechbaren Ring bilden. Die Berliner Schlächter mögen
unter sich immerhin konkurriren, aber die Hauptmühe dabei, die Festsetzung des
Viehpreises, haben die Kommissionäre ihnen vollständig abgenommen. Und wie
lange wird es dauern, so Werden die Getreidehändler ihren Ring in noch ungleich
größerer Allgemeinheit fertig gebracht haben, sodaß der Getreidepreis der


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[0051] Die sogenannte Konkurrenz. Gewerbszweigen. Überall kann sich die Konkurrenz nur an die gegebenen Anforderungen des Bedarfs halten; geht sie darüber hinaus, so kann dies unter Umständen die Folge haben, neue oder gesteigerte Anforderungen zu Tage treten zu lassen, aber es muß diese Folge keineswegs haben, und immer wird hier ein letzter Grund zu finden sein, der mit der Konkurrenz als solcher nichts zu schaffen hat. Was endlich die überall als letztes Ergebnis hervortretenden Verbindungen der Konkurrenten betrifft, so sprechen alle Erscheinungen dafür, daß diese überall gerade dann zu stände kommen oder sich behaupten, wenn die Kon¬ kurrenz ihre „Segnungen" zeigen sollte. Merkwürdig! gerade immer da, wo ihre Geltung am nötigsten wäre, versagt die Konkurrenz und verwandelt sich in eine Gemeinschaft von Interessenten. Man glaube nicht, diese Verbindungen beschränkten sich auf Eisenbahnen und auf Fabrikantenverbände; sie treten vielmehr überall da auf, wo das Interesse der Produzenten gegenüber dem verbrauchenden Publikum, dem ja durch die Konkurrenz ein Gegengewicht gegeben werden soll, sehr groß geworden ist, weil sich in diesen Fällen der Vcrbindungsgedanke überall von selbst aufdrängt. In welchem Maße dies zu¬ trifft, davon nur ein Beispiel. Ich kenne eine große Stadt in Deutschland, wo das Bier beinahe doppelt so teuer ist als anderswo, und wo gegen diesen Zustand seit einiger Zeit aufs lebhafteste angekämpft wird; dennoch konnte der dort bestehende Gastwirtverband soeben erst die Erklärung abgeben, der Preis sei angemessen und es müsse daran festgehalten werden. Es mag sein, daß es in diesem Falle auf die Dauer nicht gelingen wird, den Sieg über das Publikum davonzutragen, aber immerhin zeigt dieses Beispiel, was alles möglich und wie schwer ein einmal bestehender Verband zu breche» ist. Daß es ähnliche Er¬ wägungen sind, welche dazu getrieben haben, den Gedanken polizeilicher Fleisch- und Vrottaxen wieder aufzugreifen, ist ja bekannt, ebenso, daß die Wahrnehmung von der Wirkungslosigkeit der städtischen Octroiaufhebungen hiermit zusammen¬ hängt; sehr bald ist es in allen diesen Fällen gelungen, einen Ring derjenigen Interessenten zu bilden, die idealer Weise Konkurrenten sein sollten, es aber bequemer fanden, sich unter einander über den Preis zu einigen. Ist der Kreis der Interessenten gar zu groß, so findet sich vielleicht ein engerer Kreis, der auf dem Wege des Verbandes den Nutzen für sich vorwegnimmt und die an¬ gebliche Konkurrenz gegenstandslos macht. So hat sich in Berlin, durch die Viehhofeinrichtungen begünstigt, ein Stand von Viehkommissionären gebildet, welche die Versorgung Berlins mit Vieh vollständig in ihre Hand genommen haben und einen undurchbrechbaren Ring bilden. Die Berliner Schlächter mögen unter sich immerhin konkurriren, aber die Hauptmühe dabei, die Festsetzung des Viehpreises, haben die Kommissionäre ihnen vollständig abgenommen. Und wie lange wird es dauern, so Werden die Getreidehändler ihren Ring in noch ungleich größerer Allgemeinheit fertig gebracht haben, sodaß der Getreidepreis der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098/51>, abgerufen am 05.06.2024.