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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.

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Prinz Ferdinand zweiter Akt, zweiter Auftritt.

Kurs des Papierrubels wiederherzustellen. Was das Sinken desselben für den
Kredit des russischen Staates bedeutet, ist schon wiederholt erörtert worden. Aber
einen vollkommen klaren Begriff von der Größe der Lasten, welche das dem
Auslande verschuldete Rußland auf seine Schultern genommen hat, erhält der
Leser, der nicht die Börse besucht oder nicht Finanzwissenschaft studirt hat, doch
erst, wenn er auf die vielen auswärtigen und in Gold zu verzinsenden oder
zurückzuzahlenden Anleihen aufmerksam gemacht wird, welche Nußland im Ver¬
laufe der letzten achtzehn Jahre aufgenommen hat. Da haben wir die in
England kontrahirten Anleihen der Jahre 1870, 1871, 1872. 1873 und 1875,
die einen Nominalbetrag von insgesamt 69 Millionen Pfund Sterling haben,
von denen erst ein geringer Bruchteil getilgt ist, und unter dem die ersten vier
mit fünf von Hundert verzinst werden, die letzte dagegen nur 4^2prozentig ist.
Dann folgen nacheinander die fünfprozentige auswärtige Goldanleihe von 1877
im Betrage von 15 Millionen Pfund, die vierprozentige Anleihe von 1880,
150 Millionen Metallrubel, die sechsprozentige Rente von 1883, 50 Millionen
Rubel in Gold, die fünfprozentige Anleihe desselben Jahres, 15 Millionen
Pfund und die neue Goldrente zu fünf Prozent, 20 Millionen Goldrubel.
Rechnen wir diese Schulden, die ungefähr 835 Millionen Goldrubel ausmachen,
mit einer Verzinsung von durchschnittlich fünf Prozent, so giebt das, von der
Tilgung abgesehen, eine Jahresausgabe von etwa 42 Millionen Rubel in Gold.
Um diese zu beschaffen, bedürfte man zu Anfang des Jahres 1886, wo der
Rubelkurs noch 204 stand, eine Summe von 66 250 000 Papierrubel. Jetzt,
wo der Papierrubel sich dem Kurse von 161 genähert hat, wo also für einen
goldnen Rubel zwei papierne gegeben werden müssen, würde der russische Finanz¬
minister zur Bezahlung von 42 Millionen Zinsen in Gold die Summe von
84 Millionen Papierrubel ausgeben müssen, d. h. eine um ungefähr 18 Millionen
Rubel höhere Summe als vor zwei Jahren. Hierbei sind die Eisenbahnbürg¬
schaften noch nicht berücksichtigt.*) Unter solchen Umständen ist denn, auch
wenn man bei der russischen Regierung den besten Willen voraussetzt, die
Schulden des Reiches prompt zu verzinsen und zu tilgen, die weitverbreitete
Befürchtung unsrer Kapitalisten, Rußland werde eines Tages das dazu erforder¬
liche Geld nicht anders mehr aufzutreiben imstande sein, als durch die Arbeit
der Notenpresse, nur sehr erklärlich, und diese Befürchtung muß, so lange die
russische Politik nicht andre Bahnen einschlägt, immer von neuem dazu beitragen,
den Nubelkurs herabzudrücken.





*) Vgl. den Aufsatz im 2. Hefte der diesjährigen Grenzboten.
Prinz Ferdinand zweiter Akt, zweiter Auftritt.

Kurs des Papierrubels wiederherzustellen. Was das Sinken desselben für den
Kredit des russischen Staates bedeutet, ist schon wiederholt erörtert worden. Aber
einen vollkommen klaren Begriff von der Größe der Lasten, welche das dem
Auslande verschuldete Rußland auf seine Schultern genommen hat, erhält der
Leser, der nicht die Börse besucht oder nicht Finanzwissenschaft studirt hat, doch
erst, wenn er auf die vielen auswärtigen und in Gold zu verzinsenden oder
zurückzuzahlenden Anleihen aufmerksam gemacht wird, welche Nußland im Ver¬
laufe der letzten achtzehn Jahre aufgenommen hat. Da haben wir die in
England kontrahirten Anleihen der Jahre 1870, 1871, 1872. 1873 und 1875,
die einen Nominalbetrag von insgesamt 69 Millionen Pfund Sterling haben,
von denen erst ein geringer Bruchteil getilgt ist, und unter dem die ersten vier
mit fünf von Hundert verzinst werden, die letzte dagegen nur 4^2prozentig ist.
Dann folgen nacheinander die fünfprozentige auswärtige Goldanleihe von 1877
im Betrage von 15 Millionen Pfund, die vierprozentige Anleihe von 1880,
150 Millionen Metallrubel, die sechsprozentige Rente von 1883, 50 Millionen
Rubel in Gold, die fünfprozentige Anleihe desselben Jahres, 15 Millionen
Pfund und die neue Goldrente zu fünf Prozent, 20 Millionen Goldrubel.
Rechnen wir diese Schulden, die ungefähr 835 Millionen Goldrubel ausmachen,
mit einer Verzinsung von durchschnittlich fünf Prozent, so giebt das, von der
Tilgung abgesehen, eine Jahresausgabe von etwa 42 Millionen Rubel in Gold.
Um diese zu beschaffen, bedürfte man zu Anfang des Jahres 1886, wo der
Rubelkurs noch 204 stand, eine Summe von 66 250 000 Papierrubel. Jetzt,
wo der Papierrubel sich dem Kurse von 161 genähert hat, wo also für einen
goldnen Rubel zwei papierne gegeben werden müssen, würde der russische Finanz¬
minister zur Bezahlung von 42 Millionen Zinsen in Gold die Summe von
84 Millionen Papierrubel ausgeben müssen, d. h. eine um ungefähr 18 Millionen
Rubel höhere Summe als vor zwei Jahren. Hierbei sind die Eisenbahnbürg¬
schaften noch nicht berücksichtigt.*) Unter solchen Umständen ist denn, auch
wenn man bei der russischen Regierung den besten Willen voraussetzt, die
Schulden des Reiches prompt zu verzinsen und zu tilgen, die weitverbreitete
Befürchtung unsrer Kapitalisten, Rußland werde eines Tages das dazu erforder¬
liche Geld nicht anders mehr aufzutreiben imstande sein, als durch die Arbeit
der Notenpresse, nur sehr erklärlich, und diese Befürchtung muß, so lange die
russische Politik nicht andre Bahnen einschlägt, immer von neuem dazu beitragen,
den Nubelkurs herabzudrücken.





*) Vgl. den Aufsatz im 2. Hefte der diesjährigen Grenzboten.
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[0594] Prinz Ferdinand zweiter Akt, zweiter Auftritt. Kurs des Papierrubels wiederherzustellen. Was das Sinken desselben für den Kredit des russischen Staates bedeutet, ist schon wiederholt erörtert worden. Aber einen vollkommen klaren Begriff von der Größe der Lasten, welche das dem Auslande verschuldete Rußland auf seine Schultern genommen hat, erhält der Leser, der nicht die Börse besucht oder nicht Finanzwissenschaft studirt hat, doch erst, wenn er auf die vielen auswärtigen und in Gold zu verzinsenden oder zurückzuzahlenden Anleihen aufmerksam gemacht wird, welche Nußland im Ver¬ laufe der letzten achtzehn Jahre aufgenommen hat. Da haben wir die in England kontrahirten Anleihen der Jahre 1870, 1871, 1872. 1873 und 1875, die einen Nominalbetrag von insgesamt 69 Millionen Pfund Sterling haben, von denen erst ein geringer Bruchteil getilgt ist, und unter dem die ersten vier mit fünf von Hundert verzinst werden, die letzte dagegen nur 4^2prozentig ist. Dann folgen nacheinander die fünfprozentige auswärtige Goldanleihe von 1877 im Betrage von 15 Millionen Pfund, die vierprozentige Anleihe von 1880, 150 Millionen Metallrubel, die sechsprozentige Rente von 1883, 50 Millionen Rubel in Gold, die fünfprozentige Anleihe desselben Jahres, 15 Millionen Pfund und die neue Goldrente zu fünf Prozent, 20 Millionen Goldrubel. Rechnen wir diese Schulden, die ungefähr 835 Millionen Goldrubel ausmachen, mit einer Verzinsung von durchschnittlich fünf Prozent, so giebt das, von der Tilgung abgesehen, eine Jahresausgabe von etwa 42 Millionen Rubel in Gold. Um diese zu beschaffen, bedürfte man zu Anfang des Jahres 1886, wo der Rubelkurs noch 204 stand, eine Summe von 66 250 000 Papierrubel. Jetzt, wo der Papierrubel sich dem Kurse von 161 genähert hat, wo also für einen goldnen Rubel zwei papierne gegeben werden müssen, würde der russische Finanz¬ minister zur Bezahlung von 42 Millionen Zinsen in Gold die Summe von 84 Millionen Papierrubel ausgeben müssen, d. h. eine um ungefähr 18 Millionen Rubel höhere Summe als vor zwei Jahren. Hierbei sind die Eisenbahnbürg¬ schaften noch nicht berücksichtigt.*) Unter solchen Umständen ist denn, auch wenn man bei der russischen Regierung den besten Willen voraussetzt, die Schulden des Reiches prompt zu verzinsen und zu tilgen, die weitverbreitete Befürchtung unsrer Kapitalisten, Rußland werde eines Tages das dazu erforder¬ liche Geld nicht anders mehr aufzutreiben imstande sein, als durch die Arbeit der Notenpresse, nur sehr erklärlich, und diese Befürchtung muß, so lange die russische Politik nicht andre Bahnen einschlägt, immer von neuem dazu beitragen, den Nubelkurs herabzudrücken. *) Vgl. den Aufsatz im 2. Hefte der diesjährigen Grenzboten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098/594>, abgerufen am 15.05.2024.