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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.

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Denkmäler der griechischen und römischen Skulptur.

charakter zu veranschaulichen, als etwa eine Kopie aus römischer Zeit, die auf
die Wiedergabe aller einzelnen Feinheiten verzichtet und lediglich dekorativ zu
wirken bestimmt ist. Um jedoch von der wirklichen Größe der Denkmäler einen
richtigen Begriff zu geben, ist jeder Abbildung bei der Aufnahme selbst der
Maßstab in Centimetern beigefügt, sodaß eine Täuschung über die Größen¬
verhältnisse unmöglich ist.

Für die Anordnung eines so reichen, mannichfachen Stoffes können ver-
schiedne Grundsätze maßgebend sein. So lange es sich nur um die Werke der
"religiösen" Kunst handelt, würde man die Auswahl und Anordnung nach Typen,
also kunstmythologisch, treffen können. Ferner würde man, wie in gewissen
Perioden bestimmte Gattungen sich ausbilden, wie das Athletische, das Genre,
das Historische entsteht und einer besondern Blüte sich erfreut, diese Gattungen
als einheitliche Ganze zusammenfassen können. Im allgemeinen wird auch bei einer
derartigen Anordnung die chronologisch-historische Entwicklung maßgebend sein
müssen; sie muß im einzelnen wie im ganzen die Grundlage bilden. Daneben
kann selbstverständlich auch die Gliederung nach Schulen zur Geltung kommen,
und man muß, mit Rücksicht auf den so wichtigen Vergleich der Denkmäler
untereinander, die Dinge so gruppiren. wie sie sich am besten gegenseitig er¬
läutern, "sei es nach den Prinzipien der Ähnlichkeit oder des Gegensatzes, sei
es nach sachlichen, gegenständlichen oder künstlerischen Rücksichten."

Wir sehen, mit welcher Peinlichkeit und in den meisten Fällen bis jetzt
unbekannten Gewissenhaftigkeit alle Gesichtspunkte, die für eine getreue, allen
Anforderungen der Wissenschaft und der Technik entsprechende Publikation ma߬
gebend sein müssen, hier beobachtet werden. Man darf in der That auf die Voll¬
endung eines solchen, mit einer alles beobachtenden Gewissenhaftigkeit ins Leben
gerufenen Werkes gespannt sein. Es wird einen Markstein in der Geschichte
der kunsthistorischen Publikationen bilden. Daß es in technischer Hinsicht das
Hervorragendste, was die Neuzeit zu leisten vermag, bringen wird, daß eS in
der wissenschaftlichen Auswahl des umfangreichen Materials allen berechtigten
Erwartungen entsprechen wird, dafür bürgen die Namen derer, welche es in die
Welt ziehen lassen. Ist doch der Name Heinrich Brnnns unlöslich mit der
gegenwärtigen Blüte der Archäologie verbunden. Ihm verdanken wir nächst
Winckelmann die Grundlagen der antiken Kunstgeschichte, ans der das jetzige
wie das spätere Geschlecht mit Sicherheit und Erfolg weiter bauen kann. Seine
"Geschichte der griechischen Künstler," in der er vor mehr denn dreißig Jahren
in genialer Weise auf Grund einer eingehenden, vom tiefsten künstlerischen Ver¬
ständnis durchdrungenen Kritik der litterarischen Quellen und der auf sie sich
beziehenden erhaltenen Denkmäler, die antike Kttnstlergcschichte geradezu neu ge¬
schaffen hat. ist ein Werk von bleibender Bedeutung für die Geschichte der
Wissenschaft. Die hier niedergelegten Ansichten sind im einzelnen wohl berichtigt
worden, und unter dem Einflüsse der neu auftauchende" Monumente und des


Denkmäler der griechischen und römischen Skulptur.

charakter zu veranschaulichen, als etwa eine Kopie aus römischer Zeit, die auf
die Wiedergabe aller einzelnen Feinheiten verzichtet und lediglich dekorativ zu
wirken bestimmt ist. Um jedoch von der wirklichen Größe der Denkmäler einen
richtigen Begriff zu geben, ist jeder Abbildung bei der Aufnahme selbst der
Maßstab in Centimetern beigefügt, sodaß eine Täuschung über die Größen¬
verhältnisse unmöglich ist.

Für die Anordnung eines so reichen, mannichfachen Stoffes können ver-
schiedne Grundsätze maßgebend sein. So lange es sich nur um die Werke der
„religiösen" Kunst handelt, würde man die Auswahl und Anordnung nach Typen,
also kunstmythologisch, treffen können. Ferner würde man, wie in gewissen
Perioden bestimmte Gattungen sich ausbilden, wie das Athletische, das Genre,
das Historische entsteht und einer besondern Blüte sich erfreut, diese Gattungen
als einheitliche Ganze zusammenfassen können. Im allgemeinen wird auch bei einer
derartigen Anordnung die chronologisch-historische Entwicklung maßgebend sein
müssen; sie muß im einzelnen wie im ganzen die Grundlage bilden. Daneben
kann selbstverständlich auch die Gliederung nach Schulen zur Geltung kommen,
und man muß, mit Rücksicht auf den so wichtigen Vergleich der Denkmäler
untereinander, die Dinge so gruppiren. wie sie sich am besten gegenseitig er¬
läutern, „sei es nach den Prinzipien der Ähnlichkeit oder des Gegensatzes, sei
es nach sachlichen, gegenständlichen oder künstlerischen Rücksichten."

Wir sehen, mit welcher Peinlichkeit und in den meisten Fällen bis jetzt
unbekannten Gewissenhaftigkeit alle Gesichtspunkte, die für eine getreue, allen
Anforderungen der Wissenschaft und der Technik entsprechende Publikation ma߬
gebend sein müssen, hier beobachtet werden. Man darf in der That auf die Voll¬
endung eines solchen, mit einer alles beobachtenden Gewissenhaftigkeit ins Leben
gerufenen Werkes gespannt sein. Es wird einen Markstein in der Geschichte
der kunsthistorischen Publikationen bilden. Daß es in technischer Hinsicht das
Hervorragendste, was die Neuzeit zu leisten vermag, bringen wird, daß eS in
der wissenschaftlichen Auswahl des umfangreichen Materials allen berechtigten
Erwartungen entsprechen wird, dafür bürgen die Namen derer, welche es in die
Welt ziehen lassen. Ist doch der Name Heinrich Brnnns unlöslich mit der
gegenwärtigen Blüte der Archäologie verbunden. Ihm verdanken wir nächst
Winckelmann die Grundlagen der antiken Kunstgeschichte, ans der das jetzige
wie das spätere Geschlecht mit Sicherheit und Erfolg weiter bauen kann. Seine
„Geschichte der griechischen Künstler," in der er vor mehr denn dreißig Jahren
in genialer Weise auf Grund einer eingehenden, vom tiefsten künstlerischen Ver¬
ständnis durchdrungenen Kritik der litterarischen Quellen und der auf sie sich
beziehenden erhaltenen Denkmäler, die antike Kttnstlergcschichte geradezu neu ge¬
schaffen hat. ist ein Werk von bleibender Bedeutung für die Geschichte der
Wissenschaft. Die hier niedergelegten Ansichten sind im einzelnen wohl berichtigt
worden, und unter dem Einflüsse der neu auftauchende» Monumente und des


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[0658] Denkmäler der griechischen und römischen Skulptur. charakter zu veranschaulichen, als etwa eine Kopie aus römischer Zeit, die auf die Wiedergabe aller einzelnen Feinheiten verzichtet und lediglich dekorativ zu wirken bestimmt ist. Um jedoch von der wirklichen Größe der Denkmäler einen richtigen Begriff zu geben, ist jeder Abbildung bei der Aufnahme selbst der Maßstab in Centimetern beigefügt, sodaß eine Täuschung über die Größen¬ verhältnisse unmöglich ist. Für die Anordnung eines so reichen, mannichfachen Stoffes können ver- schiedne Grundsätze maßgebend sein. So lange es sich nur um die Werke der „religiösen" Kunst handelt, würde man die Auswahl und Anordnung nach Typen, also kunstmythologisch, treffen können. Ferner würde man, wie in gewissen Perioden bestimmte Gattungen sich ausbilden, wie das Athletische, das Genre, das Historische entsteht und einer besondern Blüte sich erfreut, diese Gattungen als einheitliche Ganze zusammenfassen können. Im allgemeinen wird auch bei einer derartigen Anordnung die chronologisch-historische Entwicklung maßgebend sein müssen; sie muß im einzelnen wie im ganzen die Grundlage bilden. Daneben kann selbstverständlich auch die Gliederung nach Schulen zur Geltung kommen, und man muß, mit Rücksicht auf den so wichtigen Vergleich der Denkmäler untereinander, die Dinge so gruppiren. wie sie sich am besten gegenseitig er¬ läutern, „sei es nach den Prinzipien der Ähnlichkeit oder des Gegensatzes, sei es nach sachlichen, gegenständlichen oder künstlerischen Rücksichten." Wir sehen, mit welcher Peinlichkeit und in den meisten Fällen bis jetzt unbekannten Gewissenhaftigkeit alle Gesichtspunkte, die für eine getreue, allen Anforderungen der Wissenschaft und der Technik entsprechende Publikation ma߬ gebend sein müssen, hier beobachtet werden. Man darf in der That auf die Voll¬ endung eines solchen, mit einer alles beobachtenden Gewissenhaftigkeit ins Leben gerufenen Werkes gespannt sein. Es wird einen Markstein in der Geschichte der kunsthistorischen Publikationen bilden. Daß es in technischer Hinsicht das Hervorragendste, was die Neuzeit zu leisten vermag, bringen wird, daß eS in der wissenschaftlichen Auswahl des umfangreichen Materials allen berechtigten Erwartungen entsprechen wird, dafür bürgen die Namen derer, welche es in die Welt ziehen lassen. Ist doch der Name Heinrich Brnnns unlöslich mit der gegenwärtigen Blüte der Archäologie verbunden. Ihm verdanken wir nächst Winckelmann die Grundlagen der antiken Kunstgeschichte, ans der das jetzige wie das spätere Geschlecht mit Sicherheit und Erfolg weiter bauen kann. Seine „Geschichte der griechischen Künstler," in der er vor mehr denn dreißig Jahren in genialer Weise auf Grund einer eingehenden, vom tiefsten künstlerischen Ver¬ ständnis durchdrungenen Kritik der litterarischen Quellen und der auf sie sich beziehenden erhaltenen Denkmäler, die antike Kttnstlergcschichte geradezu neu ge¬ schaffen hat. ist ein Werk von bleibender Bedeutung für die Geschichte der Wissenschaft. Die hier niedergelegten Ansichten sind im einzelnen wohl berichtigt worden, und unter dem Einflüsse der neu auftauchende» Monumente und des

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098/658>, abgerufen am 22.05.2024.