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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr.

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Kaiser Wilhelm II, und die Freisinnigen und Ultramontanen,

Meines Vaters treu im Herzen haltend, getrost in die Zukunft sehen. ... Ich
weiß, daß jeder öder der Marine angehört^ bereit ist, mit seinem Leben freudig
für die Ehre der deutschen Flagge einzustehen, wo immer es sei, und so kann
Ich es in dieser ernsten Stunde mit voller Zuversicht aussprechen, daß wir fest
und sicher zusammenstehen werden in guten wie in bösen Tagen, im Sturm
wie im Sonnenschein, immer eingedenk des Ruhmes des deutschen Vaterlandes
und immer bereit, das Herzblut für die Ehre der deutschen Flagge zu geben."
Wenn in dem ersten Erlaß mehr der Hohenzoller hervortritt, der zu seinem
Heere sagen darf: "Wir sind für einander geboren," so läßt der zweite Erlaß
an die Marine, wie es sich gebührt, mehr den deutschen Kaiser sprechen, der
"immer eingedenk ist des Ruhmes des deutschen Vaterlandes." Wohl alle
patriotischen Herzen schlugen höher bei diesen Worten.

Dagegen wurde gleich in dem Leitartikel der Volkszeitung vom 17. Juni,
"Der Thronwechsel," die neue Regierung angezapft wegen der Verordnung einer
sechswöchentlichen Landestrauer. Diese Verordnung wurde dem Erlaß von
San Remo über Freilassung der Landestrauer gegenüber gestellt, um daun die
Bemerkung vom Stapel zu lassen: "Diese Vorschrift, welche polizeilich befehlen
will, was nur als freie Kundgebung der Herzen wirklichen Wert hat, wird
gleichwohl erreichen, was sie bezweckt, sei es auch auf einem Umwege; sie wird
von neuem die Empfindung dessen schärfen, was die deutsche Nation an Kaiser
Friedrich verloren hat." So wurde das neue Regiment wegen eines Aktes
begrüßt, dessen Unterlassung wenige Monate vorher als sehr unzweckmäßig er¬
funden worden war.

Die Proklamation "An mein Volk" erfolgte am 18. Juni. Der junge
Kaiser gedachte zuerst in tief gefühlten Worten seines in Gott ruhenden Gro߬
vaters und seines Vaters, "des königlichen Dulders, dessen unvergänglicher
Ruhm seine ritterliche Gestalt in der Geschichte des Vaterlandes verklären wird";
dann gelobt er Gott, nach dem Beispiel seiner Väter seinem Volke ein ge¬
rechter und milder Fürst zu sein. Frömmigkeit und Gottesfurcht zu Pflegen,
den Frieden zu schirmen, die Wohlfahrt des Landes zu fördern, den Armen
und Bedrängten ein Helfer, dem Reiche ein treuer Wächter zu sein.

Durch diese drei Erlasse geht ein Ton, der die Weissagung des Menschen¬
kenners Bismarck zu rechtfertigen scheint: "Wenn Prinz Wilhelm einmal den
Thron besteigen wird, so wird er Kaiser und Kanzler in einer Person sein!"
Man hat mit Recht gesagt, daß diese Erlasse kein Programm geben; aber sie
geben mehr: sie knüpfen eine persönliche Beziehung zwischen Armee und Führer,
zwischen Volk und König. Das ist auch noch deshalb von großer Bedeutung,
weil an diese so warmen und doch so klaren Worte, die, wie gesagt, kein Pro¬
gramm, aber Grundsätze enthalten, eine unehrliche Auslegungskunst der Parteien,
die die Worte so lange herumzerrt, bis sie ihnen passen, gar nicht hinan kann.
Eine SophiM, wie sie z. B. dem durch die ganze Geschichte der Hohenzollern


Kaiser Wilhelm II, und die Freisinnigen und Ultramontanen,

Meines Vaters treu im Herzen haltend, getrost in die Zukunft sehen. ... Ich
weiß, daß jeder öder der Marine angehört^ bereit ist, mit seinem Leben freudig
für die Ehre der deutschen Flagge einzustehen, wo immer es sei, und so kann
Ich es in dieser ernsten Stunde mit voller Zuversicht aussprechen, daß wir fest
und sicher zusammenstehen werden in guten wie in bösen Tagen, im Sturm
wie im Sonnenschein, immer eingedenk des Ruhmes des deutschen Vaterlandes
und immer bereit, das Herzblut für die Ehre der deutschen Flagge zu geben."
Wenn in dem ersten Erlaß mehr der Hohenzoller hervortritt, der zu seinem
Heere sagen darf: „Wir sind für einander geboren," so läßt der zweite Erlaß
an die Marine, wie es sich gebührt, mehr den deutschen Kaiser sprechen, der
„immer eingedenk ist des Ruhmes des deutschen Vaterlandes." Wohl alle
patriotischen Herzen schlugen höher bei diesen Worten.

Dagegen wurde gleich in dem Leitartikel der Volkszeitung vom 17. Juni,
„Der Thronwechsel," die neue Regierung angezapft wegen der Verordnung einer
sechswöchentlichen Landestrauer. Diese Verordnung wurde dem Erlaß von
San Remo über Freilassung der Landestrauer gegenüber gestellt, um daun die
Bemerkung vom Stapel zu lassen: „Diese Vorschrift, welche polizeilich befehlen
will, was nur als freie Kundgebung der Herzen wirklichen Wert hat, wird
gleichwohl erreichen, was sie bezweckt, sei es auch auf einem Umwege; sie wird
von neuem die Empfindung dessen schärfen, was die deutsche Nation an Kaiser
Friedrich verloren hat." So wurde das neue Regiment wegen eines Aktes
begrüßt, dessen Unterlassung wenige Monate vorher als sehr unzweckmäßig er¬
funden worden war.

Die Proklamation „An mein Volk" erfolgte am 18. Juni. Der junge
Kaiser gedachte zuerst in tief gefühlten Worten seines in Gott ruhenden Gro߬
vaters und seines Vaters, „des königlichen Dulders, dessen unvergänglicher
Ruhm seine ritterliche Gestalt in der Geschichte des Vaterlandes verklären wird";
dann gelobt er Gott, nach dem Beispiel seiner Väter seinem Volke ein ge¬
rechter und milder Fürst zu sein. Frömmigkeit und Gottesfurcht zu Pflegen,
den Frieden zu schirmen, die Wohlfahrt des Landes zu fördern, den Armen
und Bedrängten ein Helfer, dem Reiche ein treuer Wächter zu sein.

Durch diese drei Erlasse geht ein Ton, der die Weissagung des Menschen¬
kenners Bismarck zu rechtfertigen scheint: „Wenn Prinz Wilhelm einmal den
Thron besteigen wird, so wird er Kaiser und Kanzler in einer Person sein!"
Man hat mit Recht gesagt, daß diese Erlasse kein Programm geben; aber sie
geben mehr: sie knüpfen eine persönliche Beziehung zwischen Armee und Führer,
zwischen Volk und König. Das ist auch noch deshalb von großer Bedeutung,
weil an diese so warmen und doch so klaren Worte, die, wie gesagt, kein Pro¬
gramm, aber Grundsätze enthalten, eine unehrliche Auslegungskunst der Parteien,
die die Worte so lange herumzerrt, bis sie ihnen passen, gar nicht hinan kann.
Eine SophiM, wie sie z. B. dem durch die ganze Geschichte der Hohenzollern


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[0586] Kaiser Wilhelm II, und die Freisinnigen und Ultramontanen, Meines Vaters treu im Herzen haltend, getrost in die Zukunft sehen. ... Ich weiß, daß jeder öder der Marine angehört^ bereit ist, mit seinem Leben freudig für die Ehre der deutschen Flagge einzustehen, wo immer es sei, und so kann Ich es in dieser ernsten Stunde mit voller Zuversicht aussprechen, daß wir fest und sicher zusammenstehen werden in guten wie in bösen Tagen, im Sturm wie im Sonnenschein, immer eingedenk des Ruhmes des deutschen Vaterlandes und immer bereit, das Herzblut für die Ehre der deutschen Flagge zu geben." Wenn in dem ersten Erlaß mehr der Hohenzoller hervortritt, der zu seinem Heere sagen darf: „Wir sind für einander geboren," so läßt der zweite Erlaß an die Marine, wie es sich gebührt, mehr den deutschen Kaiser sprechen, der „immer eingedenk ist des Ruhmes des deutschen Vaterlandes." Wohl alle patriotischen Herzen schlugen höher bei diesen Worten. Dagegen wurde gleich in dem Leitartikel der Volkszeitung vom 17. Juni, „Der Thronwechsel," die neue Regierung angezapft wegen der Verordnung einer sechswöchentlichen Landestrauer. Diese Verordnung wurde dem Erlaß von San Remo über Freilassung der Landestrauer gegenüber gestellt, um daun die Bemerkung vom Stapel zu lassen: „Diese Vorschrift, welche polizeilich befehlen will, was nur als freie Kundgebung der Herzen wirklichen Wert hat, wird gleichwohl erreichen, was sie bezweckt, sei es auch auf einem Umwege; sie wird von neuem die Empfindung dessen schärfen, was die deutsche Nation an Kaiser Friedrich verloren hat." So wurde das neue Regiment wegen eines Aktes begrüßt, dessen Unterlassung wenige Monate vorher als sehr unzweckmäßig er¬ funden worden war. Die Proklamation „An mein Volk" erfolgte am 18. Juni. Der junge Kaiser gedachte zuerst in tief gefühlten Worten seines in Gott ruhenden Gro߬ vaters und seines Vaters, „des königlichen Dulders, dessen unvergänglicher Ruhm seine ritterliche Gestalt in der Geschichte des Vaterlandes verklären wird"; dann gelobt er Gott, nach dem Beispiel seiner Väter seinem Volke ein ge¬ rechter und milder Fürst zu sein. Frömmigkeit und Gottesfurcht zu Pflegen, den Frieden zu schirmen, die Wohlfahrt des Landes zu fördern, den Armen und Bedrängten ein Helfer, dem Reiche ein treuer Wächter zu sein. Durch diese drei Erlasse geht ein Ton, der die Weissagung des Menschen¬ kenners Bismarck zu rechtfertigen scheint: „Wenn Prinz Wilhelm einmal den Thron besteigen wird, so wird er Kaiser und Kanzler in einer Person sein!" Man hat mit Recht gesagt, daß diese Erlasse kein Programm geben; aber sie geben mehr: sie knüpfen eine persönliche Beziehung zwischen Armee und Führer, zwischen Volk und König. Das ist auch noch deshalb von großer Bedeutung, weil an diese so warmen und doch so klaren Worte, die, wie gesagt, kein Pro¬ gramm, aber Grundsätze enthalten, eine unehrliche Auslegungskunst der Parteien, die die Worte so lange herumzerrt, bis sie ihnen passen, gar nicht hinan kann. Eine SophiM, wie sie z. B. dem durch die ganze Geschichte der Hohenzollern

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_289122/586>, abgerufen am 17.06.2024.