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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr.

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von demselben Datum dein Geheime" Rate und Staatsminister Schrader von
schlichtete seine Bedrängnisse und deren Ursachen nus einander. Lebhaft be¬
klagt er sich darin, daß auf sein am 4. Februar überreichtes Memorial bis
zur Stunde noch keine günstige Resolution noch Hilfe erfolgt sei: sein bestes Kleid
habe er nach dem Leihhause bringen müssen, wo es noch stehe; aber dies seien
nur die Vorboten härterer Unglücksfälle und fast unüberwindlicher Bedürfnisse
und Bedrängnisse gewesein Als er von dein auf das Kleid geborgten Gelde
nach bezahltem Aufenthalt in Vraunschweig wenige Thnler nach Hause gebracht
habe, habe er gemeint, mit einem gewisse" Major, der auch im "Blauen
Engel" logirte und mit dem er gratis nach Wolfenbüttel herübergefahren sei,
ein gutes Geschäft zu machen. Dieser habe ihn ersucht, ihn gegen Geld und
gute Worte ein paar Tage zu beherberge". "Ich daukete Gott -- fährt er
fort -- für die Hülfe in der größte" Noth und hoffte einen großen Fund
gethan zu haben. Allein 6 Wochen mußte ich ihme nebst dein Diener I^vgis,
Essen, Wein und alles nöthige gebe", sogar eine Reise nach Homburg und
Goslar in der grimmigste" Kälte in seinen ^.Ilnirim verrichten, ""d endlich
bekam ich die Hülste von dem, was er mich gekostet hat, wo ich noch daran
bezahle." Und ungewitzigt dnrch solche Erfahrungen, ließ er sich die Leute
uuter großen Versprechungen abermals aufschwntzeu und gab ihnen drei Woche"
Logis und Essen. "Allein sagt er -- das allhierzn hebende Geld blieb ans, und
der Herr Major blieb aus, und um letzten Morgen desertirte der Bediente und
nahm zur Danksagung aus unserer Stube meine an der Wand Hangende Taschen¬
uhr, das einzige Stück, so ich von meinen l'rgt.iosiiz noch habe, diebischer Weise
mit fort." Der Herr Major nud die Frau Mnjvrin versicherten, daß sie nichts
dafür könnten und bedankten sich für die Bewirtung. "Das war -- fahrt er
fort -- der erste Aufzug. Dazu kam der Gram über das Ausbleiben meiner
Hülfe und gnädigsten Uvsolrckion, die ich stündlich hoffte, der Geldmangel und
dieser nicht allein, sondern die täglichen, theils schriftlich theils mündlich n"d
grob genug geschehenen Mahnungen meiner Gläubiger. Ich verkaufte meine
Pistolen, einige Bücher, die ich erst in der Burckhardsche" Auction erstände"
hatte und sdie^ noch uicht einmal bezahlt sind, meine Frau schnitte von ihrem
Brautkleid die goldenen Spitzen vom Unterrock und verkaufte selbe an eine
Judeufrau in höchster Noth nebst einem goldenen mit Granaten besetzten Hals¬
bande vor 12 Thaler, da der Wert über 40 Thaler war. Unterdessen käme"
meine Frau Wirthin Gnaden, da mußte die Hausmiethe bezahlt werden (diese
bin ich in meinem Leben niemals schuldig geblieben). Ich mußte Rath schaffe"'
Hausmiethe geht vor alles." So geht es weiter, bis der Schluß von allem
kommt, n"d dieser ist kein andrer als der sich gewissermaßen von selbst ver¬
stehende Antrag: Sr. Hvchfiirstliche Durchlaucht möge die Gnade haben, die
sämtlichen Schulden des Bittstellers im Betrage von 1058 Thaler 6 Grvsche"
zu bezahlen. "Gott wird -- so schließt das Schreiben an den Herzog co


von demselben Datum dein Geheime» Rate und Staatsminister Schrader von
schlichtete seine Bedrängnisse und deren Ursachen nus einander. Lebhaft be¬
klagt er sich darin, daß auf sein am 4. Februar überreichtes Memorial bis
zur Stunde noch keine günstige Resolution noch Hilfe erfolgt sei: sein bestes Kleid
habe er nach dem Leihhause bringen müssen, wo es noch stehe; aber dies seien
nur die Vorboten härterer Unglücksfälle und fast unüberwindlicher Bedürfnisse
und Bedrängnisse gewesein Als er von dein auf das Kleid geborgten Gelde
nach bezahltem Aufenthalt in Vraunschweig wenige Thnler nach Hause gebracht
habe, habe er gemeint, mit einem gewisse« Major, der auch im „Blauen
Engel" logirte und mit dem er gratis nach Wolfenbüttel herübergefahren sei,
ein gutes Geschäft zu machen. Dieser habe ihn ersucht, ihn gegen Geld und
gute Worte ein paar Tage zu beherberge». „Ich daukete Gott — fährt er
fort — für die Hülfe in der größte» Noth und hoffte einen großen Fund
gethan zu haben. Allein 6 Wochen mußte ich ihme nebst dein Diener I^vgis,
Essen, Wein und alles nöthige gebe», sogar eine Reise nach Homburg und
Goslar in der grimmigste» Kälte in seinen ^.Ilnirim verrichten, »»d endlich
bekam ich die Hülste von dem, was er mich gekostet hat, wo ich noch daran
bezahle." Und ungewitzigt dnrch solche Erfahrungen, ließ er sich die Leute
uuter großen Versprechungen abermals aufschwntzeu und gab ihnen drei Woche»
Logis und Essen. „Allein sagt er — das allhierzn hebende Geld blieb ans, und
der Herr Major blieb aus, und um letzten Morgen desertirte der Bediente und
nahm zur Danksagung aus unserer Stube meine an der Wand Hangende Taschen¬
uhr, das einzige Stück, so ich von meinen l'rgt.iosiiz noch habe, diebischer Weise
mit fort." Der Herr Major nud die Frau Mnjvrin versicherten, daß sie nichts
dafür könnten und bedankten sich für die Bewirtung. „Das war — fahrt er
fort — der erste Aufzug. Dazu kam der Gram über das Ausbleiben meiner
Hülfe und gnädigsten Uvsolrckion, die ich stündlich hoffte, der Geldmangel und
dieser nicht allein, sondern die täglichen, theils schriftlich theils mündlich n»d
grob genug geschehenen Mahnungen meiner Gläubiger. Ich verkaufte meine
Pistolen, einige Bücher, die ich erst in der Burckhardsche» Auction erstände»
hatte und sdie^ noch uicht einmal bezahlt sind, meine Frau schnitte von ihrem
Brautkleid die goldenen Spitzen vom Unterrock und verkaufte selbe an eine
Judeufrau in höchster Noth nebst einem goldenen mit Granaten besetzten Hals¬
bande vor 12 Thaler, da der Wert über 40 Thaler war. Unterdessen käme»
meine Frau Wirthin Gnaden, da mußte die Hausmiethe bezahlt werden (diese
bin ich in meinem Leben niemals schuldig geblieben). Ich mußte Rath schaffe»'
Hausmiethe geht vor alles." So geht es weiter, bis der Schluß von allem
kommt, n»d dieser ist kein andrer als der sich gewissermaßen von selbst ver¬
stehende Antrag: Sr. Hvchfiirstliche Durchlaucht möge die Gnade haben, die
sämtlichen Schulden des Bittstellers im Betrage von 1058 Thaler 6 Grvsche»
zu bezahlen. „Gott wird — so schließt das Schreiben an den Herzog co


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294/266>, abgerufen am 15.06.2024.