Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Messings Amtsgenosse in lVolsenl'iittel

Gläubiger nicht richtig angegeben hatte, sodaß noch weitere 248 Thaler er¬
forderlich waren, um auch die übrigen unter denselben Bedingungen zu be¬
friedigen.

Aber auch diese unter Mitwirkung der Regierung zu stände gekommene
Vereinbarung half ihm nicht dauernd, ja nicht einmal auf längere Zeit aus
seiner unbesiegbaren Geldnot. Bald sah er sich von neuem genötigt, seinen
hohen Gönner, wofür er den Herzog hielt, mit Bitten um außerordentliche
Unterstützung zu belästigen, ein Geschäft, das ihm nachgerade zur Gewohnheit
geworden war und dem er denn auch bis zu seinem Tode treu blieb; nur
daß die Gesuche seiner spätern Zeit einen sanftem Ton anschlagen und von
dem Ungestüm und der Leidenschaftlichkeit der frühern etwas abstechen.

Im Jahre 1777 wandte er sich noch einmal mit einer Bitte, und zwar
mit einer Hauptbilde, an den Herzog. Damals war die Stelle des Archiv-
sekretürs mit einer Besoldung von 4.00 Thalern jährlich erledigt. Diese Stelle
erbat sich Cichin jetzt als Nebenamt, indem er dem Herzoge, -- wie es in
seiner Eingabe heißt -- "nunmehr länger als 17 Jahre zu dienen die Gnade
genossen habe und für diese höchste Gnade noch mehrere Dienste, welche er
getreu und eifrig versehen und gerne übernehmen wolle und könne, offeriere.
Er beanspruche für diese Bedienung, die zu seiner bisherigen in der nächsten
(Konnexion stehe, keine Bezahlung, keine weitere Zulage an Gelde, nur bitte er
unterthänigst, ihm dafür in höchsten Gnaden nach siebenzehnjährigen treu ge¬
leisteten Diensten endlich das ^vimoizinsnt, eines Rathes mildreichst angedeihen
zu lassen, zumal Sr. Hochfürstliche Durchlaucht in hohen Gnaden längst dazu
ihm Hoffnung gemachet und er seit acht Jahren bey seinen treuen Diensten
Elende und Verfolgung genng ausgestanden habe." Als dieses Gesuch in
Gnaden abgeschlagen wurde, gab er endlich weitere Versuche auf, was umso
begreiflicher ist, als damals schon der Erbprinz einen bestimmenden Einfluß
auf die Negierung seines Vaters gewonnen hatte, der nach seiner Thronbestei¬
gung (1780) es für seine erste und wichtigste Regentenpflicht erachtete, das
durch das sorglose und verschwenderische Regiment seines Vaters arg herab¬
gekommene und tief verschuldete Land dnrch äußerste und strengste Sparsamkeit
wieder zu heben.

Gestorben ist Cichin im Jahre 179.'!. Zwölf Jahre, nachdem man die sterb¬
lichen Neste Lessinas, des größten Geistes, der je an der Spitze einer deutsche"
Bibliothek gestanden, in Braunschweig nach dem Magnikirchhvfe hinausgetragen
hatte, wurde auch sein ehemaliger Amtsgenvsse, der angebliche Kaisersohn, der
"verlaufene Mönch," ans einem der Wvlfenbüttler Friedhöfe -- auf welchem,
ist nicht mehr zu ermitteln -- zur Ruhe bestattet. Der ehemalige Oberarchivar
Wäterling hat ihm einen in feiner lakonischer Kürze an den Charakter einer
Grabschrift streifenden Nekrolog gewidmet, der in seiner Dürftigkeit ganz der
Dürftigkeit seines Lebens entspricht, indem er auf die Akten, denen zum größte"


Messings Amtsgenosse in lVolsenl'iittel

Gläubiger nicht richtig angegeben hatte, sodaß noch weitere 248 Thaler er¬
forderlich waren, um auch die übrigen unter denselben Bedingungen zu be¬
friedigen.

Aber auch diese unter Mitwirkung der Regierung zu stände gekommene
Vereinbarung half ihm nicht dauernd, ja nicht einmal auf längere Zeit aus
seiner unbesiegbaren Geldnot. Bald sah er sich von neuem genötigt, seinen
hohen Gönner, wofür er den Herzog hielt, mit Bitten um außerordentliche
Unterstützung zu belästigen, ein Geschäft, das ihm nachgerade zur Gewohnheit
geworden war und dem er denn auch bis zu seinem Tode treu blieb; nur
daß die Gesuche seiner spätern Zeit einen sanftem Ton anschlagen und von
dem Ungestüm und der Leidenschaftlichkeit der frühern etwas abstechen.

Im Jahre 1777 wandte er sich noch einmal mit einer Bitte, und zwar
mit einer Hauptbilde, an den Herzog. Damals war die Stelle des Archiv-
sekretürs mit einer Besoldung von 4.00 Thalern jährlich erledigt. Diese Stelle
erbat sich Cichin jetzt als Nebenamt, indem er dem Herzoge, — wie es in
seiner Eingabe heißt — „nunmehr länger als 17 Jahre zu dienen die Gnade
genossen habe und für diese höchste Gnade noch mehrere Dienste, welche er
getreu und eifrig versehen und gerne übernehmen wolle und könne, offeriere.
Er beanspruche für diese Bedienung, die zu seiner bisherigen in der nächsten
(Konnexion stehe, keine Bezahlung, keine weitere Zulage an Gelde, nur bitte er
unterthänigst, ihm dafür in höchsten Gnaden nach siebenzehnjährigen treu ge¬
leisteten Diensten endlich das ^vimoizinsnt, eines Rathes mildreichst angedeihen
zu lassen, zumal Sr. Hochfürstliche Durchlaucht in hohen Gnaden längst dazu
ihm Hoffnung gemachet und er seit acht Jahren bey seinen treuen Diensten
Elende und Verfolgung genng ausgestanden habe." Als dieses Gesuch in
Gnaden abgeschlagen wurde, gab er endlich weitere Versuche auf, was umso
begreiflicher ist, als damals schon der Erbprinz einen bestimmenden Einfluß
auf die Negierung seines Vaters gewonnen hatte, der nach seiner Thronbestei¬
gung (1780) es für seine erste und wichtigste Regentenpflicht erachtete, das
durch das sorglose und verschwenderische Regiment seines Vaters arg herab¬
gekommene und tief verschuldete Land dnrch äußerste und strengste Sparsamkeit
wieder zu heben.

Gestorben ist Cichin im Jahre 179.'!. Zwölf Jahre, nachdem man die sterb¬
lichen Neste Lessinas, des größten Geistes, der je an der Spitze einer deutsche»
Bibliothek gestanden, in Braunschweig nach dem Magnikirchhvfe hinausgetragen
hatte, wurde auch sein ehemaliger Amtsgenvsse, der angebliche Kaisersohn, der
„verlaufene Mönch," ans einem der Wvlfenbüttler Friedhöfe — auf welchem,
ist nicht mehr zu ermitteln — zur Ruhe bestattet. Der ehemalige Oberarchivar
Wäterling hat ihm einen in feiner lakonischer Kürze an den Charakter einer
Grabschrift streifenden Nekrolog gewidmet, der in seiner Dürftigkeit ganz der
Dürftigkeit seines Lebens entspricht, indem er auf die Akten, denen zum größte»


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0274" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/207569"/>
          <fw type="header" place="top"> Messings Amtsgenosse in lVolsenl'iittel</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_748" prev="#ID_747"> Gläubiger nicht richtig angegeben hatte, sodaß noch weitere 248 Thaler er¬<lb/>
forderlich waren, um auch die übrigen unter denselben Bedingungen zu be¬<lb/>
friedigen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_749"> Aber auch diese unter Mitwirkung der Regierung zu stände gekommene<lb/>
Vereinbarung half ihm nicht dauernd, ja nicht einmal auf längere Zeit aus<lb/>
seiner unbesiegbaren Geldnot. Bald sah er sich von neuem genötigt, seinen<lb/>
hohen Gönner, wofür er den Herzog hielt, mit Bitten um außerordentliche<lb/>
Unterstützung zu belästigen, ein Geschäft, das ihm nachgerade zur Gewohnheit<lb/>
geworden war und dem er denn auch bis zu seinem Tode treu blieb; nur<lb/>
daß die Gesuche seiner spätern Zeit einen sanftem Ton anschlagen und von<lb/>
dem Ungestüm und der Leidenschaftlichkeit der frühern etwas abstechen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_750"> Im Jahre 1777 wandte er sich noch einmal mit einer Bitte, und zwar<lb/>
mit einer Hauptbilde, an den Herzog. Damals war die Stelle des Archiv-<lb/>
sekretürs mit einer Besoldung von 4.00 Thalern jährlich erledigt. Diese Stelle<lb/>
erbat sich Cichin jetzt als Nebenamt, indem er dem Herzoge, &#x2014; wie es in<lb/>
seiner Eingabe heißt &#x2014; &#x201E;nunmehr länger als 17 Jahre zu dienen die Gnade<lb/>
genossen habe und für diese höchste Gnade noch mehrere Dienste, welche er<lb/>
getreu und eifrig versehen und gerne übernehmen wolle und könne, offeriere.<lb/>
Er beanspruche für diese Bedienung, die zu seiner bisherigen in der nächsten<lb/>
(Konnexion stehe, keine Bezahlung, keine weitere Zulage an Gelde, nur bitte er<lb/>
unterthänigst, ihm dafür in höchsten Gnaden nach siebenzehnjährigen treu ge¬<lb/>
leisteten Diensten endlich das ^vimoizinsnt, eines Rathes mildreichst angedeihen<lb/>
zu lassen, zumal Sr. Hochfürstliche Durchlaucht in hohen Gnaden längst dazu<lb/>
ihm Hoffnung gemachet und er seit acht Jahren bey seinen treuen Diensten<lb/>
Elende und Verfolgung genng ausgestanden habe." Als dieses Gesuch in<lb/>
Gnaden abgeschlagen wurde, gab er endlich weitere Versuche auf, was umso<lb/>
begreiflicher ist, als damals schon der Erbprinz einen bestimmenden Einfluß<lb/>
auf die Negierung seines Vaters gewonnen hatte, der nach seiner Thronbestei¬<lb/>
gung (1780) es für seine erste und wichtigste Regentenpflicht erachtete, das<lb/>
durch das sorglose und verschwenderische Regiment seines Vaters arg herab¬<lb/>
gekommene und tief verschuldete Land dnrch äußerste und strengste Sparsamkeit<lb/>
wieder zu heben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_751" next="#ID_752"> Gestorben ist Cichin im Jahre 179.'!. Zwölf Jahre, nachdem man die sterb¬<lb/>
lichen Neste Lessinas, des größten Geistes, der je an der Spitze einer deutsche»<lb/>
Bibliothek gestanden, in Braunschweig nach dem Magnikirchhvfe hinausgetragen<lb/>
hatte, wurde auch sein ehemaliger Amtsgenvsse, der angebliche Kaisersohn, der<lb/>
&#x201E;verlaufene Mönch," ans einem der Wvlfenbüttler Friedhöfe &#x2014; auf welchem,<lb/>
ist nicht mehr zu ermitteln &#x2014; zur Ruhe bestattet. Der ehemalige Oberarchivar<lb/>
Wäterling hat ihm einen in feiner lakonischer Kürze an den Charakter einer<lb/>
Grabschrift streifenden Nekrolog gewidmet, der in seiner Dürftigkeit ganz der<lb/>
Dürftigkeit seines Lebens entspricht, indem er auf die Akten, denen zum größte»</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0274] Messings Amtsgenosse in lVolsenl'iittel Gläubiger nicht richtig angegeben hatte, sodaß noch weitere 248 Thaler er¬ forderlich waren, um auch die übrigen unter denselben Bedingungen zu be¬ friedigen. Aber auch diese unter Mitwirkung der Regierung zu stände gekommene Vereinbarung half ihm nicht dauernd, ja nicht einmal auf längere Zeit aus seiner unbesiegbaren Geldnot. Bald sah er sich von neuem genötigt, seinen hohen Gönner, wofür er den Herzog hielt, mit Bitten um außerordentliche Unterstützung zu belästigen, ein Geschäft, das ihm nachgerade zur Gewohnheit geworden war und dem er denn auch bis zu seinem Tode treu blieb; nur daß die Gesuche seiner spätern Zeit einen sanftem Ton anschlagen und von dem Ungestüm und der Leidenschaftlichkeit der frühern etwas abstechen. Im Jahre 1777 wandte er sich noch einmal mit einer Bitte, und zwar mit einer Hauptbilde, an den Herzog. Damals war die Stelle des Archiv- sekretürs mit einer Besoldung von 4.00 Thalern jährlich erledigt. Diese Stelle erbat sich Cichin jetzt als Nebenamt, indem er dem Herzoge, — wie es in seiner Eingabe heißt — „nunmehr länger als 17 Jahre zu dienen die Gnade genossen habe und für diese höchste Gnade noch mehrere Dienste, welche er getreu und eifrig versehen und gerne übernehmen wolle und könne, offeriere. Er beanspruche für diese Bedienung, die zu seiner bisherigen in der nächsten (Konnexion stehe, keine Bezahlung, keine weitere Zulage an Gelde, nur bitte er unterthänigst, ihm dafür in höchsten Gnaden nach siebenzehnjährigen treu ge¬ leisteten Diensten endlich das ^vimoizinsnt, eines Rathes mildreichst angedeihen zu lassen, zumal Sr. Hochfürstliche Durchlaucht in hohen Gnaden längst dazu ihm Hoffnung gemachet und er seit acht Jahren bey seinen treuen Diensten Elende und Verfolgung genng ausgestanden habe." Als dieses Gesuch in Gnaden abgeschlagen wurde, gab er endlich weitere Versuche auf, was umso begreiflicher ist, als damals schon der Erbprinz einen bestimmenden Einfluß auf die Negierung seines Vaters gewonnen hatte, der nach seiner Thronbestei¬ gung (1780) es für seine erste und wichtigste Regentenpflicht erachtete, das durch das sorglose und verschwenderische Regiment seines Vaters arg herab¬ gekommene und tief verschuldete Land dnrch äußerste und strengste Sparsamkeit wieder zu heben. Gestorben ist Cichin im Jahre 179.'!. Zwölf Jahre, nachdem man die sterb¬ lichen Neste Lessinas, des größten Geistes, der je an der Spitze einer deutsche» Bibliothek gestanden, in Braunschweig nach dem Magnikirchhvfe hinausgetragen hatte, wurde auch sein ehemaliger Amtsgenvsse, der angebliche Kaisersohn, der „verlaufene Mönch," ans einem der Wvlfenbüttler Friedhöfe — auf welchem, ist nicht mehr zu ermitteln — zur Ruhe bestattet. Der ehemalige Oberarchivar Wäterling hat ihm einen in feiner lakonischer Kürze an den Charakter einer Grabschrift streifenden Nekrolog gewidmet, der in seiner Dürftigkeit ganz der Dürftigkeit seines Lebens entspricht, indem er auf die Akten, denen zum größte»

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294/274
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294/274>, abgerufen am 15.06.2024.