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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr.

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Litteratur

das ist seiner Zeit von Joseph Spatel in seinen "Kulturhistorischen Bildern aus
Böhmen" (vgl. Grenzboten 1882, II. S. 173 ff.) aktenmäßig geschildert worden;
1783 wurden auch die drei Malerkonfrnterniläten aufgelöst, deren älteste länger als
vier Jahrhunderte bestände" hatte- weder zum Anschauungsunterricht noch zur
Unterweisung in der Technik gab es Gelegenheit in der Stadt, die sich seit den
Tagen Karls IV. eines regen Kunstlebens erfreut hattet) Dieser Not abzuhelfen,
erkannte der böhmische Adel als seine Pflicht. Er war noch nicht national ge¬
spalten. Mit dem Grafen Franz Sternberg von der ältern, sich nach ihrem Besitz
in der Eifel Sternberg-Manderscheid nennenden Linie (Goethes Freund Kaspar
Maria gehörte der jüngern an) verbanden sich die Ahnen von böhmischen Edel¬
leuten, die zum Teil heute in den Reihen der Tschechen stehen, ein Lobkowitz, ein
Kolowrat, ein Czeruin, ein Clam u. f. w. Sofort wurde eine Sammlung von
Gemälden aus Privatbesitz zusammengebracht und nach und nach durch eigne An¬
läufe der Gesellschaft vermehrt; sie mußte mehrmals wandern, bis die Gesellschaft
1311 ein eignes Gebäude erwarb. Aber auch der Bestand der Galerie wechselte
fortwährend, da die angekauften Bilder in den Besitz der einzelnen Mitglieder über¬
gingen und uach einem Zeitraume von mindestens zwölf Jahren zurückgezogen
werde" konnten. Erst 183S wurde diese Einrichtung aufgehoben, sodaß eigentlich
die Galerie erst seit diesem Jahre besteht. Geschenke, Vermiichtuisse und Ankäufe
(z, B. von 2819 Blättern Wenzel Hollars, eine "Hollareum" genannte Sammlung,
die durch eine Schenkung des bekannten Kunstfreundes Ad. v. Lama zu einem
vollständigen Kupferstichkabinet erweitert worden ist) ließen die Galerie rasch an¬
wachsen. Sie zählt jetzt 589 Ölgemälde, die "eben den italienischen, deutschen
und niederländischen Schulen selbstverständlich die böhmische Kunst vom Mittelalter
bis in die Gegenwart vertreten. Auch die Kunstakademie in Prag und der dortige
Kunstverein sind Schöpfungen der Gesellschaft.








Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grnnow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Gruuow in Leipzig -- Druck von Carl Marquart in Leipzig
Neue Beiträge zur Charakteristik Josephs 11. in seinem Verhältnis zu Kunst und
Wissenschaft bringt G. Wolfs Schrift "Josephina." Nach der Aufhebung der grosse" Kartnuse
Gaming in Niederösterreich beantragte die Kommission die Einverleibung der wertvollsten Schätze
an Büchern und Kunstwerken in die Hvfsaminlnngen, der Kaiser verfügte die Versteigerung.
Koldschmiedearbeiten ans andern Klöstern wurden auf seinen Befehl der Perlen "ud Edelsteine
beraubt und dann eingeschmolzen, Bücher, deren Verbreitung "der wahren Aufklärung" nach¬
teilig sein könnte, "verstümmelt und als Makulatur verkauft" u. tgi. in. Die unverzeihlicher
Verwüstungen fallen mithin nicht, wie die Lobredner des Kaisers glauben machen mochten,
einzig der Unwissenheit und Roheit der ausführenden Beamten zur Last.
Litteratur

das ist seiner Zeit von Joseph Spatel in seinen „Kulturhistorischen Bildern aus
Böhmen" (vgl. Grenzboten 1882, II. S. 173 ff.) aktenmäßig geschildert worden;
1783 wurden auch die drei Malerkonfrnterniläten aufgelöst, deren älteste länger als
vier Jahrhunderte bestände» hatte- weder zum Anschauungsunterricht noch zur
Unterweisung in der Technik gab es Gelegenheit in der Stadt, die sich seit den
Tagen Karls IV. eines regen Kunstlebens erfreut hattet) Dieser Not abzuhelfen,
erkannte der böhmische Adel als seine Pflicht. Er war noch nicht national ge¬
spalten. Mit dem Grafen Franz Sternberg von der ältern, sich nach ihrem Besitz
in der Eifel Sternberg-Manderscheid nennenden Linie (Goethes Freund Kaspar
Maria gehörte der jüngern an) verbanden sich die Ahnen von böhmischen Edel¬
leuten, die zum Teil heute in den Reihen der Tschechen stehen, ein Lobkowitz, ein
Kolowrat, ein Czeruin, ein Clam u. f. w. Sofort wurde eine Sammlung von
Gemälden aus Privatbesitz zusammengebracht und nach und nach durch eigne An¬
läufe der Gesellschaft vermehrt; sie mußte mehrmals wandern, bis die Gesellschaft
1311 ein eignes Gebäude erwarb. Aber auch der Bestand der Galerie wechselte
fortwährend, da die angekauften Bilder in den Besitz der einzelnen Mitglieder über¬
gingen und uach einem Zeitraume von mindestens zwölf Jahren zurückgezogen
werde» konnten. Erst 183S wurde diese Einrichtung aufgehoben, sodaß eigentlich
die Galerie erst seit diesem Jahre besteht. Geschenke, Vermiichtuisse und Ankäufe
(z, B. von 2819 Blättern Wenzel Hollars, eine „Hollareum" genannte Sammlung,
die durch eine Schenkung des bekannten Kunstfreundes Ad. v. Lama zu einem
vollständigen Kupferstichkabinet erweitert worden ist) ließen die Galerie rasch an¬
wachsen. Sie zählt jetzt 589 Ölgemälde, die »eben den italienischen, deutschen
und niederländischen Schulen selbstverständlich die böhmische Kunst vom Mittelalter
bis in die Gegenwart vertreten. Auch die Kunstakademie in Prag und der dortige
Kunstverein sind Schöpfungen der Gesellschaft.








Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grnnow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Gruuow in Leipzig — Druck von Carl Marquart in Leipzig
Neue Beiträge zur Charakteristik Josephs 11. in seinem Verhältnis zu Kunst und
Wissenschaft bringt G. Wolfs Schrift „Josephina." Nach der Aufhebung der grosse» Kartnuse
Gaming in Niederösterreich beantragte die Kommission die Einverleibung der wertvollsten Schätze
an Büchern und Kunstwerken in die Hvfsaminlnngen, der Kaiser verfügte die Versteigerung.
Koldschmiedearbeiten ans andern Klöstern wurden auf seinen Befehl der Perlen »ud Edelsteine
beraubt und dann eingeschmolzen, Bücher, deren Verbreitung „der wahren Aufklärung" nach¬
teilig sein könnte, „verstümmelt und als Makulatur verkauft" u. tgi. in. Die unverzeihlicher
Verwüstungen fallen mithin nicht, wie die Lobredner des Kaisers glauben machen mochten,
einzig der Unwissenheit und Roheit der ausführenden Beamten zur Last.
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[0440] Litteratur das ist seiner Zeit von Joseph Spatel in seinen „Kulturhistorischen Bildern aus Böhmen" (vgl. Grenzboten 1882, II. S. 173 ff.) aktenmäßig geschildert worden; 1783 wurden auch die drei Malerkonfrnterniläten aufgelöst, deren älteste länger als vier Jahrhunderte bestände» hatte- weder zum Anschauungsunterricht noch zur Unterweisung in der Technik gab es Gelegenheit in der Stadt, die sich seit den Tagen Karls IV. eines regen Kunstlebens erfreut hattet) Dieser Not abzuhelfen, erkannte der böhmische Adel als seine Pflicht. Er war noch nicht national ge¬ spalten. Mit dem Grafen Franz Sternberg von der ältern, sich nach ihrem Besitz in der Eifel Sternberg-Manderscheid nennenden Linie (Goethes Freund Kaspar Maria gehörte der jüngern an) verbanden sich die Ahnen von böhmischen Edel¬ leuten, die zum Teil heute in den Reihen der Tschechen stehen, ein Lobkowitz, ein Kolowrat, ein Czeruin, ein Clam u. f. w. Sofort wurde eine Sammlung von Gemälden aus Privatbesitz zusammengebracht und nach und nach durch eigne An¬ läufe der Gesellschaft vermehrt; sie mußte mehrmals wandern, bis die Gesellschaft 1311 ein eignes Gebäude erwarb. Aber auch der Bestand der Galerie wechselte fortwährend, da die angekauften Bilder in den Besitz der einzelnen Mitglieder über¬ gingen und uach einem Zeitraume von mindestens zwölf Jahren zurückgezogen werde» konnten. Erst 183S wurde diese Einrichtung aufgehoben, sodaß eigentlich die Galerie erst seit diesem Jahre besteht. Geschenke, Vermiichtuisse und Ankäufe (z, B. von 2819 Blättern Wenzel Hollars, eine „Hollareum" genannte Sammlung, die durch eine Schenkung des bekannten Kunstfreundes Ad. v. Lama zu einem vollständigen Kupferstichkabinet erweitert worden ist) ließen die Galerie rasch an¬ wachsen. Sie zählt jetzt 589 Ölgemälde, die »eben den italienischen, deutschen und niederländischen Schulen selbstverständlich die böhmische Kunst vom Mittelalter bis in die Gegenwart vertreten. Auch die Kunstakademie in Prag und der dortige Kunstverein sind Schöpfungen der Gesellschaft. Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grnnow in Leipzig Verlag von Fr. Wilh. Gruuow in Leipzig — Druck von Carl Marquart in Leipzig Neue Beiträge zur Charakteristik Josephs 11. in seinem Verhältnis zu Kunst und Wissenschaft bringt G. Wolfs Schrift „Josephina." Nach der Aufhebung der grosse» Kartnuse Gaming in Niederösterreich beantragte die Kommission die Einverleibung der wertvollsten Schätze an Büchern und Kunstwerken in die Hvfsaminlnngen, der Kaiser verfügte die Versteigerung. Koldschmiedearbeiten ans andern Klöstern wurden auf seinen Befehl der Perlen »ud Edelsteine beraubt und dann eingeschmolzen, Bücher, deren Verbreitung „der wahren Aufklärung" nach¬ teilig sein könnte, „verstümmelt und als Makulatur verkauft" u. tgi. in. Die unverzeihlicher Verwüstungen fallen mithin nicht, wie die Lobredner des Kaisers glauben machen mochten, einzig der Unwissenheit und Roheit der ausführenden Beamten zur Last.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294/440>, abgerufen am 15.06.2024.