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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr.

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Fürst Bismarck und die bildende Kunst

ist. Auf die Mitwirkung der Augen, auf denen in erster Linie die hinreißende
Gewalt des Bismarckschen Antlitzes beruht, muß die Plastik freilich zur Zeit
noch verzichten, da bisher alle Versuche, den Augenstern zu beleben, nur geringe
Erfolge gehabt haben. Dafür hat sie den Vorzug, daß die ganze Persönlich¬
keit des Kanzlers, der den Beinamen des Eisernen ebenso sehr seinem Geiste
wie seiner körperlichen Erscheinung verdankt, den Ausdrucksmitteln der plastischen
Kunst einen viel dankbareren Vorwurf bietet als denen der Malerei.

Was Schayer und Dvnndorf vermieden haben, die Steigerung der ge¬
schichtlichen Gestalt über die Greuzen der Menschheit hinaus in das Poetisch-
Heroische, hat Reinhold Begas in Übereinstimmung mit der ganzen Richtung
seiner Kunst angestrebt. Was Lenbach in der Malerei mit Wechselnden Er¬
folgen versucht hat, hat Begas in der Plastik erreicht. Seine Büste des Fürsten
Bismarck enthüllt das geheimnisvolle Weben eines Feuergeistes, das ehrfurcht¬
gebietende, vor keinem Hindernis zurückschreckende Walten des Säkularmenschen,
die Majestät des <?uvrütgr tornus, der gelernt hat, die Menschen mehr zu ver¬
achten, als zu achten. Als künstlerische Leistung diesen plastischen Arbeiten
ebenbürtig ist auch die kolossale Reiterstatue des Fürsten Bismarck von
R. Siemering, die einen Bestandteil des Leipziger Siegesdenkmals bildet. Wie
das Schapersche Standbild, wird auch sie der geschichtlichen Erscheinung voll¬
kommen gerecht. Da aber das Haupt des Reichskanzlers mit dem Helm bedeckt
ist, mußte sich Siemering verschiedner Vorteile begeben, die Schayer zur vollen
Geltung bringen konnte.

Wenn sich jemand der dankbaren Aufgabe unterziehen wollte, eine Ikono¬
graphie des Fürsten Bismarck zusammen zu stellen, eine Geschichte Bismarcks
in Bildern zu schreiben, so stünde ihm, wie wir gesehen haben, ein im Verhältnis
zu der geschichtlichen Bedeutung des Mannes nur geringes und noch dazu
nicht sehr zuverlässiges Material, soweit es sich um freie künstlerische Schöpfungen
handelt, zur Verfügung. Um einerseits die zahlreich vorhandnen Lücken
auszufüllen, anderseits die Austastung der Künstler zu prüfen und zu berichtigen,
würden die Erzeugnisse der Photographie, aus früherer Zeit auch die der
Lithographie herangezogen werden müssen, deren es glücklicherweise vortreffliche
giebt. Einen Anhang zu dieser Biographie in Bildern oder eine zweite
Bilderreihe neben jener ersten würde dann die Geschichte des Fürsten Bismarck
in der Karrikatur ausmachen, zu der die ganze Welt, soweit sie am politischen
Leben Anteil nimmt, ihre Beitrüge geliefert hat. Grand-Carteret erzählt, daß
selbst in Ägypten ein Witzblatt in arabischer Sprache, in dem der Herausgeber
Scheich Abu Naddara die Politik des Khedive Tewfik bekämpfte und die Empörung
gegen den englischen Einfluß predigte, Karrikaturen auf Bismarck enthalten hat.
Am Schluß jener ersten Bilderreihe würde auch das letzte Porträt des Fürsten
Bismarck von Lenbachs Hand, das wir oben gekennzeichnet haben, eine ver¬
ständlichere Sprache reden, als es zu führen fcheint, wenn man es abgesondert


Fürst Bismarck und die bildende Kunst

ist. Auf die Mitwirkung der Augen, auf denen in erster Linie die hinreißende
Gewalt des Bismarckschen Antlitzes beruht, muß die Plastik freilich zur Zeit
noch verzichten, da bisher alle Versuche, den Augenstern zu beleben, nur geringe
Erfolge gehabt haben. Dafür hat sie den Vorzug, daß die ganze Persönlich¬
keit des Kanzlers, der den Beinamen des Eisernen ebenso sehr seinem Geiste
wie seiner körperlichen Erscheinung verdankt, den Ausdrucksmitteln der plastischen
Kunst einen viel dankbareren Vorwurf bietet als denen der Malerei.

Was Schayer und Dvnndorf vermieden haben, die Steigerung der ge¬
schichtlichen Gestalt über die Greuzen der Menschheit hinaus in das Poetisch-
Heroische, hat Reinhold Begas in Übereinstimmung mit der ganzen Richtung
seiner Kunst angestrebt. Was Lenbach in der Malerei mit Wechselnden Er¬
folgen versucht hat, hat Begas in der Plastik erreicht. Seine Büste des Fürsten
Bismarck enthüllt das geheimnisvolle Weben eines Feuergeistes, das ehrfurcht¬
gebietende, vor keinem Hindernis zurückschreckende Walten des Säkularmenschen,
die Majestät des <?uvrütgr tornus, der gelernt hat, die Menschen mehr zu ver¬
achten, als zu achten. Als künstlerische Leistung diesen plastischen Arbeiten
ebenbürtig ist auch die kolossale Reiterstatue des Fürsten Bismarck von
R. Siemering, die einen Bestandteil des Leipziger Siegesdenkmals bildet. Wie
das Schapersche Standbild, wird auch sie der geschichtlichen Erscheinung voll¬
kommen gerecht. Da aber das Haupt des Reichskanzlers mit dem Helm bedeckt
ist, mußte sich Siemering verschiedner Vorteile begeben, die Schayer zur vollen
Geltung bringen konnte.

Wenn sich jemand der dankbaren Aufgabe unterziehen wollte, eine Ikono¬
graphie des Fürsten Bismarck zusammen zu stellen, eine Geschichte Bismarcks
in Bildern zu schreiben, so stünde ihm, wie wir gesehen haben, ein im Verhältnis
zu der geschichtlichen Bedeutung des Mannes nur geringes und noch dazu
nicht sehr zuverlässiges Material, soweit es sich um freie künstlerische Schöpfungen
handelt, zur Verfügung. Um einerseits die zahlreich vorhandnen Lücken
auszufüllen, anderseits die Austastung der Künstler zu prüfen und zu berichtigen,
würden die Erzeugnisse der Photographie, aus früherer Zeit auch die der
Lithographie herangezogen werden müssen, deren es glücklicherweise vortreffliche
giebt. Einen Anhang zu dieser Biographie in Bildern oder eine zweite
Bilderreihe neben jener ersten würde dann die Geschichte des Fürsten Bismarck
in der Karrikatur ausmachen, zu der die ganze Welt, soweit sie am politischen
Leben Anteil nimmt, ihre Beitrüge geliefert hat. Grand-Carteret erzählt, daß
selbst in Ägypten ein Witzblatt in arabischer Sprache, in dem der Herausgeber
Scheich Abu Naddara die Politik des Khedive Tewfik bekämpfte und die Empörung
gegen den englischen Einfluß predigte, Karrikaturen auf Bismarck enthalten hat.
Am Schluß jener ersten Bilderreihe würde auch das letzte Porträt des Fürsten
Bismarck von Lenbachs Hand, das wir oben gekennzeichnet haben, eine ver¬
ständlichere Sprache reden, als es zu führen fcheint, wenn man es abgesondert


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207936/19>, abgerufen am 12.05.2024.