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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr.

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Lduard von Bcmernfeld

Trotzdem ließ sich die hochweise Zensurstelle täuschen, das Stück erlebte eine
Aufführung, bei der aber der letzte Galleriebesucher nicht minder als die In¬
sassen der Hofloge die richtige Meinung herausfanden. Natürlich wurde es
nun verboten; aber im Jahre 1848 wurde es wieder das Lieblingsstück des
mich Freiheit ringenden Volkes. Derselben Spottlust fröhnten zwei aristo¬
phanische Komödien: "Die Republik der Tiere" (1848) und "Die Vögel" oder
"Freiheit in der Luft" (1870), in denen die verschiednen Zeitstrvmnngeu
mit ergötzlicher Komik durch Tiere vertreten erscheinen. Der "Kategorische
Imperativ" (1851) erhielt unter Laube den Preis, und es verdient diese
Auszeichnung wegen der Kunst, mit der an die geschichtlichen Ereignisse des
Wiener Kongresses zwei Liebesgeschichten und viele kernige Satiren geknüpft
sind. Der letzte Akt fällt gegenüber dem vollen Leben der übrigen ab. Leichte
Ware sind die nun sich häufenden einaktigen Stücke: "Zu Hause" (1852),
"Die Zugvögel" (1855), "Die Virtuosen" (1855), "Das Beispiel" (1859).
Sie alle sind mit Beifall aufgeführt worden, aber bald darauf in Vergessenheit
geraten.

"Krisen," ein einaktiges Charaktergemälde, gewinnt dem beliebten Thema
"Hagestolz in den Flitterwochen" neue Seiten ab und enthält manches gute
getroffene Porträt nach dem Leben. "Fata Morgana" (1855) könnte in seiner
Flüchtigkeit als ein Beweis für die abnehmende Kraft des Dichters gelten,
wenn nicht noch vierzehn Jahre später ein so ausgezeichnetes Schauspiel wie
das vornehme "Aus der Gesellschaft" gefolgt wäre. Ein fürstlicher Staats¬
mann und eine arme, aber hochgebildete Gouvernante sollen zu einen: be¬
glückenden Bunde vereinigt werden, ohne Gewalt, ohne Thrannenwüterei, nur
durch das ruhige Zusammenstreben zweier herrlichen Charaktere. Fürwahr, eine
schwere Aufgabe, hinter der der böse Geist der Langenweile überall lauert!
Aber sie gelingt. Der Dichter stellt sich über kleinliche Pnrteiansicht, er läßt
von beiden großen Gegensätzen keinen über den andern siegen, nur die Ver¬
schrobenheit wird unbarmherzig zerzaust. Zwei Jahre später (1872) errang
sich noch "Moderne Jugend" einen Erfolg, offenbar weil es das "wienerischste"
aller Stücke Bauernfelds ist. Die alte Kongreßgrüsin ist jedenfalls ein Kabinets-
stück feiner Pvrträtirungskunst.

Seitdem trat er, den Jcchreu uach ein Siebziger geworden, im Herzen
aber ein Jüngling geblieben, noch einigemale hervor, aber die großen Erfolge
der frühern Jahre blieben aus. Nachdem sein "Aleibiades" durchgefallen
war, hat er nur noch mit "ästhetischen Streifzügen," mit Erinnerungen "Aus
der Mappe eines alten Fabnlisten" u. dergl. zur Öffentlichkeit gesprochen.
Dramatisches arbeitete er fortan nur still für sich; noch in den allerletzten
Tagen und Nächten seines Daseins rastete der alte Kopf nicht. Manche Über¬
raschung birgt vielleicht noch sein Nachlaß, dessen Sichtung der Wiener Dichter
F. von Saar übernommen hat. Doch wer so lange gelebt hat, ist dahin.


Lduard von Bcmernfeld

Trotzdem ließ sich die hochweise Zensurstelle täuschen, das Stück erlebte eine
Aufführung, bei der aber der letzte Galleriebesucher nicht minder als die In¬
sassen der Hofloge die richtige Meinung herausfanden. Natürlich wurde es
nun verboten; aber im Jahre 1848 wurde es wieder das Lieblingsstück des
mich Freiheit ringenden Volkes. Derselben Spottlust fröhnten zwei aristo¬
phanische Komödien: „Die Republik der Tiere" (1848) und „Die Vögel" oder
„Freiheit in der Luft" (1870), in denen die verschiednen Zeitstrvmnngeu
mit ergötzlicher Komik durch Tiere vertreten erscheinen. Der „Kategorische
Imperativ" (1851) erhielt unter Laube den Preis, und es verdient diese
Auszeichnung wegen der Kunst, mit der an die geschichtlichen Ereignisse des
Wiener Kongresses zwei Liebesgeschichten und viele kernige Satiren geknüpft
sind. Der letzte Akt fällt gegenüber dem vollen Leben der übrigen ab. Leichte
Ware sind die nun sich häufenden einaktigen Stücke: „Zu Hause" (1852),
„Die Zugvögel" (1855), „Die Virtuosen" (1855), „Das Beispiel" (1859).
Sie alle sind mit Beifall aufgeführt worden, aber bald darauf in Vergessenheit
geraten.

„Krisen," ein einaktiges Charaktergemälde, gewinnt dem beliebten Thema
„Hagestolz in den Flitterwochen" neue Seiten ab und enthält manches gute
getroffene Porträt nach dem Leben. „Fata Morgana" (1855) könnte in seiner
Flüchtigkeit als ein Beweis für die abnehmende Kraft des Dichters gelten,
wenn nicht noch vierzehn Jahre später ein so ausgezeichnetes Schauspiel wie
das vornehme „Aus der Gesellschaft" gefolgt wäre. Ein fürstlicher Staats¬
mann und eine arme, aber hochgebildete Gouvernante sollen zu einen: be¬
glückenden Bunde vereinigt werden, ohne Gewalt, ohne Thrannenwüterei, nur
durch das ruhige Zusammenstreben zweier herrlichen Charaktere. Fürwahr, eine
schwere Aufgabe, hinter der der böse Geist der Langenweile überall lauert!
Aber sie gelingt. Der Dichter stellt sich über kleinliche Pnrteiansicht, er läßt
von beiden großen Gegensätzen keinen über den andern siegen, nur die Ver¬
schrobenheit wird unbarmherzig zerzaust. Zwei Jahre später (1872) errang
sich noch „Moderne Jugend" einen Erfolg, offenbar weil es das „wienerischste"
aller Stücke Bauernfelds ist. Die alte Kongreßgrüsin ist jedenfalls ein Kabinets-
stück feiner Pvrträtirungskunst.

Seitdem trat er, den Jcchreu uach ein Siebziger geworden, im Herzen
aber ein Jüngling geblieben, noch einigemale hervor, aber die großen Erfolge
der frühern Jahre blieben aus. Nachdem sein „Aleibiades" durchgefallen
war, hat er nur noch mit „ästhetischen Streifzügen," mit Erinnerungen „Aus
der Mappe eines alten Fabnlisten" u. dergl. zur Öffentlichkeit gesprochen.
Dramatisches arbeitete er fortan nur still für sich; noch in den allerletzten
Tagen und Nächten seines Daseins rastete der alte Kopf nicht. Manche Über¬
raschung birgt vielleicht noch sein Nachlaß, dessen Sichtung der Wiener Dichter
F. von Saar übernommen hat. Doch wer so lange gelebt hat, ist dahin.


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[0469] Lduard von Bcmernfeld Trotzdem ließ sich die hochweise Zensurstelle täuschen, das Stück erlebte eine Aufführung, bei der aber der letzte Galleriebesucher nicht minder als die In¬ sassen der Hofloge die richtige Meinung herausfanden. Natürlich wurde es nun verboten; aber im Jahre 1848 wurde es wieder das Lieblingsstück des mich Freiheit ringenden Volkes. Derselben Spottlust fröhnten zwei aristo¬ phanische Komödien: „Die Republik der Tiere" (1848) und „Die Vögel" oder „Freiheit in der Luft" (1870), in denen die verschiednen Zeitstrvmnngeu mit ergötzlicher Komik durch Tiere vertreten erscheinen. Der „Kategorische Imperativ" (1851) erhielt unter Laube den Preis, und es verdient diese Auszeichnung wegen der Kunst, mit der an die geschichtlichen Ereignisse des Wiener Kongresses zwei Liebesgeschichten und viele kernige Satiren geknüpft sind. Der letzte Akt fällt gegenüber dem vollen Leben der übrigen ab. Leichte Ware sind die nun sich häufenden einaktigen Stücke: „Zu Hause" (1852), „Die Zugvögel" (1855), „Die Virtuosen" (1855), „Das Beispiel" (1859). Sie alle sind mit Beifall aufgeführt worden, aber bald darauf in Vergessenheit geraten. „Krisen," ein einaktiges Charaktergemälde, gewinnt dem beliebten Thema „Hagestolz in den Flitterwochen" neue Seiten ab und enthält manches gute getroffene Porträt nach dem Leben. „Fata Morgana" (1855) könnte in seiner Flüchtigkeit als ein Beweis für die abnehmende Kraft des Dichters gelten, wenn nicht noch vierzehn Jahre später ein so ausgezeichnetes Schauspiel wie das vornehme „Aus der Gesellschaft" gefolgt wäre. Ein fürstlicher Staats¬ mann und eine arme, aber hochgebildete Gouvernante sollen zu einen: be¬ glückenden Bunde vereinigt werden, ohne Gewalt, ohne Thrannenwüterei, nur durch das ruhige Zusammenstreben zweier herrlichen Charaktere. Fürwahr, eine schwere Aufgabe, hinter der der böse Geist der Langenweile überall lauert! Aber sie gelingt. Der Dichter stellt sich über kleinliche Pnrteiansicht, er läßt von beiden großen Gegensätzen keinen über den andern siegen, nur die Ver¬ schrobenheit wird unbarmherzig zerzaust. Zwei Jahre später (1872) errang sich noch „Moderne Jugend" einen Erfolg, offenbar weil es das „wienerischste" aller Stücke Bauernfelds ist. Die alte Kongreßgrüsin ist jedenfalls ein Kabinets- stück feiner Pvrträtirungskunst. Seitdem trat er, den Jcchreu uach ein Siebziger geworden, im Herzen aber ein Jüngling geblieben, noch einigemale hervor, aber die großen Erfolge der frühern Jahre blieben aus. Nachdem sein „Aleibiades" durchgefallen war, hat er nur noch mit „ästhetischen Streifzügen," mit Erinnerungen „Aus der Mappe eines alten Fabnlisten" u. dergl. zur Öffentlichkeit gesprochen. Dramatisches arbeitete er fortan nur still für sich; noch in den allerletzten Tagen und Nächten seines Daseins rastete der alte Kopf nicht. Manche Über¬ raschung birgt vielleicht noch sein Nachlaß, dessen Sichtung der Wiener Dichter F. von Saar übernommen hat. Doch wer so lange gelebt hat, ist dahin.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207936/469>, abgerufen am 12.05.2024.