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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr.

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Zum Schutze der Wahrheit in der Presse

Der Eingabe muß beigefügt sein die betreffende Druckschrift und ein Kosten-
Vorschuß von 10 Mark.

Das Vorhandensein aller dieser Erfordernisse ist die Voraussetzung, unter der
das Einschreiten der Staatsanwaltschaft stattfindet.

In den Fällen, wo voraussichtlich ein höherer Kostenaufwand als 10 Mark
erforderlich sein wird, hat die Staatsanwaltschaft ihr Vorgehen von der Erlegung
eines entsprechend höhern Kostenvorschusses abhängig zu machen.

6 Verantwortlich für die Druckschrift ist bei periodischen Zeitschriften (§ 7 des
Gesetzes über die Presse) der Verantwortliche Redakteur, bei andern Druckschriften
der Verleger oder, wenn ein solcher nicht vorhanden ist, der Drucker. Sie können
sich aber von der Verantwortlichkeit durch Nemmng des Einsenders oder desjenigen,
der den Druck veranlaßt hat, befreien, wenn sich diese im Bereich der richterlichen
Gewalt eines deutschen Bundesstantes befinden. In diesem Falle richtet sich die
Strafverfolgung nur gegen den Einsender oder den, der den Druck veranlaßt hat.

Z 6 Erfolgt ein auf Strafe lautendes Urteil, so wird der Kostenvorschuß dem
Antragsteller zurückgegeben. Andernfalls verfällt der Kostenvorschuß der Staats¬
kasse, soweit er zur Deckung der erwachsenen Kosten erforderlich ist; ein etwaiger
Überschuß wird dem Antragsteller zurückgegeben.

Über den Betrag des Kostenvorschusses hinaus können dem Antragsteller keine
Gerichtskosten auferlegt werden.

Daß der vorliegende Gegenstand überhaupt dem Strafrecht unterstellt
werde, bedarf wohl kaum der Rechtfertigung. Das Lügen an sich wird ja stets
nur vom Standpunkte der Sittlichkeit aus beurteilt werden können. Anders
verhält es sich aber mit dem öffentlichen Lügen, mit der Verbreitung von
Lügen durch die Presse, denn unter ihnen leidet bei der gegenwärtigen Aus¬
breitung der Presse die gemeine Wohlfahrt. Ich weise nur hin auf die große
Beunruhigung, die durch sogenannte "sensationelle" Nachrichten in weiten
Kreisen hervorgerufen wird, auf die Verwirrung des Urteils über öffentliche
Dinge, auf die Gehässigkeit, die in die Kämpfe der Parteien hineingetragen
wird, ans die Verluste an Vermögen, die im Handel und an der Börse manchem
zugefügt werden. Es ist fast unbegreiflich, daß solches Unrecht ungestraft
öffentlich ausgeübt werden kann.

Im einzelnen habe ich zu dem Gesetzentwurfe nur Folgendes zu be¬
merken.

Wie die Fassung des § 1 wohl unzweideutig erkennen läßt, will der
Gesetzentwurf nur diejenigen Mitteilungen der Presse treffen, die Thatsäch¬
liches falsch berichten, also dieselben, die auch unter den § 11 des Pre߬
gesetzes fallen. Urteile und Meinungsäußerungen gehören nicht in den Bereich
des Entwurfes.

Wohl schien es mir nicht ganz ohne theoretische wie praktische Bedenken,
auch die unwissentliche Verbreitung falscher Nachrichten in den Entwurf mit
aufzunehmen. Allein ohne diese Bestimmung würde bei der Schwierigkeit des


Zum Schutze der Wahrheit in der Presse

Der Eingabe muß beigefügt sein die betreffende Druckschrift und ein Kosten-
Vorschuß von 10 Mark.

Das Vorhandensein aller dieser Erfordernisse ist die Voraussetzung, unter der
das Einschreiten der Staatsanwaltschaft stattfindet.

In den Fällen, wo voraussichtlich ein höherer Kostenaufwand als 10 Mark
erforderlich sein wird, hat die Staatsanwaltschaft ihr Vorgehen von der Erlegung
eines entsprechend höhern Kostenvorschusses abhängig zu machen.

6 Verantwortlich für die Druckschrift ist bei periodischen Zeitschriften (§ 7 des
Gesetzes über die Presse) der Verantwortliche Redakteur, bei andern Druckschriften
der Verleger oder, wenn ein solcher nicht vorhanden ist, der Drucker. Sie können
sich aber von der Verantwortlichkeit durch Nemmng des Einsenders oder desjenigen,
der den Druck veranlaßt hat, befreien, wenn sich diese im Bereich der richterlichen
Gewalt eines deutschen Bundesstantes befinden. In diesem Falle richtet sich die
Strafverfolgung nur gegen den Einsender oder den, der den Druck veranlaßt hat.

Z 6 Erfolgt ein auf Strafe lautendes Urteil, so wird der Kostenvorschuß dem
Antragsteller zurückgegeben. Andernfalls verfällt der Kostenvorschuß der Staats¬
kasse, soweit er zur Deckung der erwachsenen Kosten erforderlich ist; ein etwaiger
Überschuß wird dem Antragsteller zurückgegeben.

Über den Betrag des Kostenvorschusses hinaus können dem Antragsteller keine
Gerichtskosten auferlegt werden.

Daß der vorliegende Gegenstand überhaupt dem Strafrecht unterstellt
werde, bedarf wohl kaum der Rechtfertigung. Das Lügen an sich wird ja stets
nur vom Standpunkte der Sittlichkeit aus beurteilt werden können. Anders
verhält es sich aber mit dem öffentlichen Lügen, mit der Verbreitung von
Lügen durch die Presse, denn unter ihnen leidet bei der gegenwärtigen Aus¬
breitung der Presse die gemeine Wohlfahrt. Ich weise nur hin auf die große
Beunruhigung, die durch sogenannte „sensationelle" Nachrichten in weiten
Kreisen hervorgerufen wird, auf die Verwirrung des Urteils über öffentliche
Dinge, auf die Gehässigkeit, die in die Kämpfe der Parteien hineingetragen
wird, ans die Verluste an Vermögen, die im Handel und an der Börse manchem
zugefügt werden. Es ist fast unbegreiflich, daß solches Unrecht ungestraft
öffentlich ausgeübt werden kann.

Im einzelnen habe ich zu dem Gesetzentwurfe nur Folgendes zu be¬
merken.

Wie die Fassung des § 1 wohl unzweideutig erkennen läßt, will der
Gesetzentwurf nur diejenigen Mitteilungen der Presse treffen, die Thatsäch¬
liches falsch berichten, also dieselben, die auch unter den § 11 des Pre߬
gesetzes fallen. Urteile und Meinungsäußerungen gehören nicht in den Bereich
des Entwurfes.

Wohl schien es mir nicht ganz ohne theoretische wie praktische Bedenken,
auch die unwissentliche Verbreitung falscher Nachrichten in den Entwurf mit
aufzunehmen. Allein ohne diese Bestimmung würde bei der Schwierigkeit des


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[0546] Zum Schutze der Wahrheit in der Presse Der Eingabe muß beigefügt sein die betreffende Druckschrift und ein Kosten- Vorschuß von 10 Mark. Das Vorhandensein aller dieser Erfordernisse ist die Voraussetzung, unter der das Einschreiten der Staatsanwaltschaft stattfindet. In den Fällen, wo voraussichtlich ein höherer Kostenaufwand als 10 Mark erforderlich sein wird, hat die Staatsanwaltschaft ihr Vorgehen von der Erlegung eines entsprechend höhern Kostenvorschusses abhängig zu machen. 6 Verantwortlich für die Druckschrift ist bei periodischen Zeitschriften (§ 7 des Gesetzes über die Presse) der Verantwortliche Redakteur, bei andern Druckschriften der Verleger oder, wenn ein solcher nicht vorhanden ist, der Drucker. Sie können sich aber von der Verantwortlichkeit durch Nemmng des Einsenders oder desjenigen, der den Druck veranlaßt hat, befreien, wenn sich diese im Bereich der richterlichen Gewalt eines deutschen Bundesstantes befinden. In diesem Falle richtet sich die Strafverfolgung nur gegen den Einsender oder den, der den Druck veranlaßt hat. Z 6 Erfolgt ein auf Strafe lautendes Urteil, so wird der Kostenvorschuß dem Antragsteller zurückgegeben. Andernfalls verfällt der Kostenvorschuß der Staats¬ kasse, soweit er zur Deckung der erwachsenen Kosten erforderlich ist; ein etwaiger Überschuß wird dem Antragsteller zurückgegeben. Über den Betrag des Kostenvorschusses hinaus können dem Antragsteller keine Gerichtskosten auferlegt werden. Daß der vorliegende Gegenstand überhaupt dem Strafrecht unterstellt werde, bedarf wohl kaum der Rechtfertigung. Das Lügen an sich wird ja stets nur vom Standpunkte der Sittlichkeit aus beurteilt werden können. Anders verhält es sich aber mit dem öffentlichen Lügen, mit der Verbreitung von Lügen durch die Presse, denn unter ihnen leidet bei der gegenwärtigen Aus¬ breitung der Presse die gemeine Wohlfahrt. Ich weise nur hin auf die große Beunruhigung, die durch sogenannte „sensationelle" Nachrichten in weiten Kreisen hervorgerufen wird, auf die Verwirrung des Urteils über öffentliche Dinge, auf die Gehässigkeit, die in die Kämpfe der Parteien hineingetragen wird, ans die Verluste an Vermögen, die im Handel und an der Börse manchem zugefügt werden. Es ist fast unbegreiflich, daß solches Unrecht ungestraft öffentlich ausgeübt werden kann. Im einzelnen habe ich zu dem Gesetzentwurfe nur Folgendes zu be¬ merken. Wie die Fassung des § 1 wohl unzweideutig erkennen läßt, will der Gesetzentwurf nur diejenigen Mitteilungen der Presse treffen, die Thatsäch¬ liches falsch berichten, also dieselben, die auch unter den § 11 des Pre߬ gesetzes fallen. Urteile und Meinungsäußerungen gehören nicht in den Bereich des Entwurfes. Wohl schien es mir nicht ganz ohne theoretische wie praktische Bedenken, auch die unwissentliche Verbreitung falscher Nachrichten in den Entwurf mit aufzunehmen. Allein ohne diese Bestimmung würde bei der Schwierigkeit des

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207936/546>, abgerufen am 30.05.2024.