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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Simonsfeld ohne Zweifel richtig den "chursner Mciistr Hans von Wien" vermutet,
der im Mitgliederverzcichnis an zweiter Stelle erscheint. Ihm geht voran der
Färber Anton von Paduci, und zunächst folgen ein Wirt aus Basel, ohne Be¬
zeichnung des Gewerbes ein Salzburger und ein Baseler, ein Bader aus Nürnberg,
ein Schuhmacher aus Schweidnitz u. f. w. Als letzter hat sich in die Liste unter
Nummer 456 der Wirt Hans Stadler aus Mnttray (Matrei, ein in Österreich
mehrfach vorkommender Ortsname) eingetragen am 30. November 1680.

Wie es in der Natur der Verhältnisse liegt und auch durch die Sprache be¬
stätigt wird, lieferten die bairischen und die österreichischen Gebiete den stärksten
Zuzug. Doch fehlen, soweit sich die Ortsnamen mit Sicherheit deuten lassen, auch
Württemberger, Badener, Schweizer, Elsässer, Rheinländer, Westfalen, Niederländer,
Sachsen, Franken und einzelne Wanderlustige aus Hannover, Mecklenburg, der Mark
Brandenburg, West- und Ostpreußen, Schlesien, Ungarn, Siebenbürgen und Nu߬
land nicht. Größere Schwierigkeit macht die Zuteilung an die verschiednen Be¬
schäftigungen, da bei mehr als der Hälfte der Mitglieder eine solche nicht angegeben
und manche Bezeichnung unverständlich ist. Immerhin zeigt sich, daß so ziemlich
für alle Leibes- und Lebensbedürfnisse innerhalb der deutschen Kolonie gesorgt war
(sogar ein Orgelmacher wird genannt), und von elf deutschen Gasthäusern erfahren
wir die Schilder: zum Hirschen, zur Leiter, zum Schwert, zum Mohrenkopf, zum
Engel, zum Ochsen, zur Rose, zum weißen Löwen, s.et xczrvKrinnnr, zum heiligen
Georg, zum Siegel.

So anziehend es wäre, wir können dem Herausgeber doch an dieser Stelle
nicht in allen seinen gründlichen Untersuchungen folgen. Wie in allen frühern
Zunftordnungen ist auch in der Regel der deutschen Bruderschaft zu Treviso das
Hauptaugenmerk auf die gegenseitige Fürsorge, Pflege der Kranken, Erweisung der
letzten Ehren für Verstorbene (deren Namen in der Liste nicht gelöscht, sondern
mit einem Ringlein und einem Kreuze darin versehen werden soll, damit sie nicht
"also schir vergessen" werden von den Brüdern, sondern "eyn lange czeit" bleiben),
Aufrechterhaltung eines ehrbaren Wandels, Verhütung von Ausschweifungen (Würfel¬
spiel u. a. in.), Bestrafung des Diebstahls gerichtet. Der wöchentliche Beitrag von
einem Schilling heißt Schulrecht. Wir müssen uns damit begnügen, auf die kultur¬
geschichtlich und sprachlich hochinteressante Schrift selbst zu verweisen.






Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunvw in Leipzig
Verlag von Fr. Will). Grunvw in Leipzig -- Druck von Carl Marquart in Leipzig
Maßgebliches und Unmaßgebliches

Simonsfeld ohne Zweifel richtig den „chursner Mciistr Hans von Wien" vermutet,
der im Mitgliederverzcichnis an zweiter Stelle erscheint. Ihm geht voran der
Färber Anton von Paduci, und zunächst folgen ein Wirt aus Basel, ohne Be¬
zeichnung des Gewerbes ein Salzburger und ein Baseler, ein Bader aus Nürnberg,
ein Schuhmacher aus Schweidnitz u. f. w. Als letzter hat sich in die Liste unter
Nummer 456 der Wirt Hans Stadler aus Mnttray (Matrei, ein in Österreich
mehrfach vorkommender Ortsname) eingetragen am 30. November 1680.

Wie es in der Natur der Verhältnisse liegt und auch durch die Sprache be¬
stätigt wird, lieferten die bairischen und die österreichischen Gebiete den stärksten
Zuzug. Doch fehlen, soweit sich die Ortsnamen mit Sicherheit deuten lassen, auch
Württemberger, Badener, Schweizer, Elsässer, Rheinländer, Westfalen, Niederländer,
Sachsen, Franken und einzelne Wanderlustige aus Hannover, Mecklenburg, der Mark
Brandenburg, West- und Ostpreußen, Schlesien, Ungarn, Siebenbürgen und Nu߬
land nicht. Größere Schwierigkeit macht die Zuteilung an die verschiednen Be¬
schäftigungen, da bei mehr als der Hälfte der Mitglieder eine solche nicht angegeben
und manche Bezeichnung unverständlich ist. Immerhin zeigt sich, daß so ziemlich
für alle Leibes- und Lebensbedürfnisse innerhalb der deutschen Kolonie gesorgt war
(sogar ein Orgelmacher wird genannt), und von elf deutschen Gasthäusern erfahren
wir die Schilder: zum Hirschen, zur Leiter, zum Schwert, zum Mohrenkopf, zum
Engel, zum Ochsen, zur Rose, zum weißen Löwen, s.et xczrvKrinnnr, zum heiligen
Georg, zum Siegel.

So anziehend es wäre, wir können dem Herausgeber doch an dieser Stelle
nicht in allen seinen gründlichen Untersuchungen folgen. Wie in allen frühern
Zunftordnungen ist auch in der Regel der deutschen Bruderschaft zu Treviso das
Hauptaugenmerk auf die gegenseitige Fürsorge, Pflege der Kranken, Erweisung der
letzten Ehren für Verstorbene (deren Namen in der Liste nicht gelöscht, sondern
mit einem Ringlein und einem Kreuze darin versehen werden soll, damit sie nicht
„also schir vergessen" werden von den Brüdern, sondern „eyn lange czeit" bleiben),
Aufrechterhaltung eines ehrbaren Wandels, Verhütung von Ausschweifungen (Würfel¬
spiel u. a. in.), Bestrafung des Diebstahls gerichtet. Der wöchentliche Beitrag von
einem Schilling heißt Schulrecht. Wir müssen uns damit begnügen, auf die kultur¬
geschichtlich und sprachlich hochinteressante Schrift selbst zu verweisen.






Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunvw in Leipzig
Verlag von Fr. Will). Grunvw in Leipzig — Druck von Carl Marquart in Leipzig
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[0584] Maßgebliches und Unmaßgebliches Simonsfeld ohne Zweifel richtig den „chursner Mciistr Hans von Wien" vermutet, der im Mitgliederverzcichnis an zweiter Stelle erscheint. Ihm geht voran der Färber Anton von Paduci, und zunächst folgen ein Wirt aus Basel, ohne Be¬ zeichnung des Gewerbes ein Salzburger und ein Baseler, ein Bader aus Nürnberg, ein Schuhmacher aus Schweidnitz u. f. w. Als letzter hat sich in die Liste unter Nummer 456 der Wirt Hans Stadler aus Mnttray (Matrei, ein in Österreich mehrfach vorkommender Ortsname) eingetragen am 30. November 1680. Wie es in der Natur der Verhältnisse liegt und auch durch die Sprache be¬ stätigt wird, lieferten die bairischen und die österreichischen Gebiete den stärksten Zuzug. Doch fehlen, soweit sich die Ortsnamen mit Sicherheit deuten lassen, auch Württemberger, Badener, Schweizer, Elsässer, Rheinländer, Westfalen, Niederländer, Sachsen, Franken und einzelne Wanderlustige aus Hannover, Mecklenburg, der Mark Brandenburg, West- und Ostpreußen, Schlesien, Ungarn, Siebenbürgen und Nu߬ land nicht. Größere Schwierigkeit macht die Zuteilung an die verschiednen Be¬ schäftigungen, da bei mehr als der Hälfte der Mitglieder eine solche nicht angegeben und manche Bezeichnung unverständlich ist. Immerhin zeigt sich, daß so ziemlich für alle Leibes- und Lebensbedürfnisse innerhalb der deutschen Kolonie gesorgt war (sogar ein Orgelmacher wird genannt), und von elf deutschen Gasthäusern erfahren wir die Schilder: zum Hirschen, zur Leiter, zum Schwert, zum Mohrenkopf, zum Engel, zum Ochsen, zur Rose, zum weißen Löwen, s.et xczrvKrinnnr, zum heiligen Georg, zum Siegel. So anziehend es wäre, wir können dem Herausgeber doch an dieser Stelle nicht in allen seinen gründlichen Untersuchungen folgen. Wie in allen frühern Zunftordnungen ist auch in der Regel der deutschen Bruderschaft zu Treviso das Hauptaugenmerk auf die gegenseitige Fürsorge, Pflege der Kranken, Erweisung der letzten Ehren für Verstorbene (deren Namen in der Liste nicht gelöscht, sondern mit einem Ringlein und einem Kreuze darin versehen werden soll, damit sie nicht „also schir vergessen" werden von den Brüdern, sondern „eyn lange czeit" bleiben), Aufrechterhaltung eines ehrbaren Wandels, Verhütung von Ausschweifungen (Würfel¬ spiel u. a. in.), Bestrafung des Diebstahls gerichtet. Der wöchentliche Beitrag von einem Schilling heißt Schulrecht. Wir müssen uns damit begnügen, auf die kultur¬ geschichtlich und sprachlich hochinteressante Schrift selbst zu verweisen. Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunvw in Leipzig Verlag von Fr. Will). Grunvw in Leipzig — Druck von Carl Marquart in Leipzig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207936/584>, abgerufen am 14.05.2024.