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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr.

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Christian Günther in Leipzig

mals im Drucke erschienen, der Welt nochmals vor Augen zu legen; zumal ich
nicht nur die Erlaubnis dazu von dem Herrn Verfasser, sondern auch eine von
desselben eigner Feder verbesserte Abschrift davon zu erhalten das Glück gehabt."

Günther verkehrte also unzweifelhaft in Langes Hans, das sich auf¬
strebenden jungen Geistern gewiß gern aufthat. Ein Sohn, später auch Mit¬
glied des Rates, zu Günthers Zeit noch ein Knabe, genoß hauptsächlich als
Nesthäkchen die Liebe seiner Eltern, doch auch das Wohlwollen der Freunde:


Der klein- und muntre Sohn, das hoffnungsvolle Kind,
An dem des Vaters Geist und Mienen kenntlich sind,
Kriege, wie Pnpyrius, das Alter vor den Jahren.

Die beliebten Pfänder- und Schüferspiele wurden ins Werk gesetzt, viel¬
leicht sogar von der Mutter Johanna Nadel, einer gebornen Fetter, gern ge¬
sehen. Denn Bürgermeister Lange hatte drei Töchter, über die uns Riemer
freilich nur wenig berichtet: "Von den drei Töchtern ward die älteste mit
Herrn Hofrat Dr. Benedictus Oertel verheiratet, welcher aber kurz vor seinem
Herrn Schwiegervater die Zeitlichkeit verlassen." Welche von diesen drei
Mädchen Günthern nun so ausnehmend gefiel, ob es diese später vermählte ge¬
wesen ist oder eine der andern, bin ich nicht imstande zu sagen.") Aber be¬
wahrt hat er das Andenken an diese eine von ihnen noch lauge, und als er
von schwerer.Krankheit ergriffen war, empfindet er noch "das zärtliche Gefühl
und die treue Redlichkeit," die er einst Leonilden^) -- so nennt er sie da --
geweiht hat. Es war ein unglückseliges Geschick, daß sich auch diese Neigung
zu, einem Mädchen ans vornehmen, Kreisen zu keinem, dauernden Bunde gestaltete.

Ein merkwürdiger Zufall ist es, daß auch der junge Goethe, mit dem
Günther oft verglichen worden ist, sechzig Jahre später als Leipziger Student
in dem Hause eines Leipziger Ratsherrn, namens Lange, des kurfürstlich säch¬
sischen Hofrats Dr, Johann Gottfried Lange, ans und ein ging. (Vgl. darüber
die zuerst im 7. Bande des Gvethejahrbuches veröffentlichten Briefe Goethes
an seine Schwester Cornelia). Dieser Lange war der Sohn von dem, in dessen
Hause Günther verkehrt hatte.






Leider ist in den Taufbüchern der Leipziger Kirchen Anna Rosina Lange nicht auf¬
zufinden. Vielleicht besaß die Familie ein Gut in einem Kirchdorfe in der Nahe Leipzigs,
und die Kinder sind dort geboren und getauft worden.
Leonore ist an dieser Stelle nicht zu lesen, dn er diese erst much der Krankheit, in
der dieses Gedicht geschrieben wurde, kennen lernte. Vgl. L. Fulda, Seile 114.
Christian Günther in Leipzig

mals im Drucke erschienen, der Welt nochmals vor Augen zu legen; zumal ich
nicht nur die Erlaubnis dazu von dem Herrn Verfasser, sondern auch eine von
desselben eigner Feder verbesserte Abschrift davon zu erhalten das Glück gehabt."

Günther verkehrte also unzweifelhaft in Langes Hans, das sich auf¬
strebenden jungen Geistern gewiß gern aufthat. Ein Sohn, später auch Mit¬
glied des Rates, zu Günthers Zeit noch ein Knabe, genoß hauptsächlich als
Nesthäkchen die Liebe seiner Eltern, doch auch das Wohlwollen der Freunde:


Der klein- und muntre Sohn, das hoffnungsvolle Kind,
An dem des Vaters Geist und Mienen kenntlich sind,
Kriege, wie Pnpyrius, das Alter vor den Jahren.

Die beliebten Pfänder- und Schüferspiele wurden ins Werk gesetzt, viel¬
leicht sogar von der Mutter Johanna Nadel, einer gebornen Fetter, gern ge¬
sehen. Denn Bürgermeister Lange hatte drei Töchter, über die uns Riemer
freilich nur wenig berichtet: „Von den drei Töchtern ward die älteste mit
Herrn Hofrat Dr. Benedictus Oertel verheiratet, welcher aber kurz vor seinem
Herrn Schwiegervater die Zeitlichkeit verlassen." Welche von diesen drei
Mädchen Günthern nun so ausnehmend gefiel, ob es diese später vermählte ge¬
wesen ist oder eine der andern, bin ich nicht imstande zu sagen.") Aber be¬
wahrt hat er das Andenken an diese eine von ihnen noch lauge, und als er
von schwerer.Krankheit ergriffen war, empfindet er noch „das zärtliche Gefühl
und die treue Redlichkeit," die er einst Leonilden^) — so nennt er sie da —
geweiht hat. Es war ein unglückseliges Geschick, daß sich auch diese Neigung
zu, einem Mädchen ans vornehmen, Kreisen zu keinem, dauernden Bunde gestaltete.

Ein merkwürdiger Zufall ist es, daß auch der junge Goethe, mit dem
Günther oft verglichen worden ist, sechzig Jahre später als Leipziger Student
in dem Hause eines Leipziger Ratsherrn, namens Lange, des kurfürstlich säch¬
sischen Hofrats Dr, Johann Gottfried Lange, ans und ein ging. (Vgl. darüber
die zuerst im 7. Bande des Gvethejahrbuches veröffentlichten Briefe Goethes
an seine Schwester Cornelia). Dieser Lange war der Sohn von dem, in dessen
Hause Günther verkehrt hatte.






Leider ist in den Taufbüchern der Leipziger Kirchen Anna Rosina Lange nicht auf¬
zufinden. Vielleicht besaß die Familie ein Gut in einem Kirchdorfe in der Nahe Leipzigs,
und die Kinder sind dort geboren und getauft worden.
Leonore ist an dieser Stelle nicht zu lesen, dn er diese erst much der Krankheit, in
der dieses Gedicht geschrieben wurde, kennen lernte. Vgl. L. Fulda, Seile 114.
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[0082] Christian Günther in Leipzig mals im Drucke erschienen, der Welt nochmals vor Augen zu legen; zumal ich nicht nur die Erlaubnis dazu von dem Herrn Verfasser, sondern auch eine von desselben eigner Feder verbesserte Abschrift davon zu erhalten das Glück gehabt." Günther verkehrte also unzweifelhaft in Langes Hans, das sich auf¬ strebenden jungen Geistern gewiß gern aufthat. Ein Sohn, später auch Mit¬ glied des Rates, zu Günthers Zeit noch ein Knabe, genoß hauptsächlich als Nesthäkchen die Liebe seiner Eltern, doch auch das Wohlwollen der Freunde: Der klein- und muntre Sohn, das hoffnungsvolle Kind, An dem des Vaters Geist und Mienen kenntlich sind, Kriege, wie Pnpyrius, das Alter vor den Jahren. Die beliebten Pfänder- und Schüferspiele wurden ins Werk gesetzt, viel¬ leicht sogar von der Mutter Johanna Nadel, einer gebornen Fetter, gern ge¬ sehen. Denn Bürgermeister Lange hatte drei Töchter, über die uns Riemer freilich nur wenig berichtet: „Von den drei Töchtern ward die älteste mit Herrn Hofrat Dr. Benedictus Oertel verheiratet, welcher aber kurz vor seinem Herrn Schwiegervater die Zeitlichkeit verlassen." Welche von diesen drei Mädchen Günthern nun so ausnehmend gefiel, ob es diese später vermählte ge¬ wesen ist oder eine der andern, bin ich nicht imstande zu sagen.") Aber be¬ wahrt hat er das Andenken an diese eine von ihnen noch lauge, und als er von schwerer.Krankheit ergriffen war, empfindet er noch „das zärtliche Gefühl und die treue Redlichkeit," die er einst Leonilden^) — so nennt er sie da — geweiht hat. Es war ein unglückseliges Geschick, daß sich auch diese Neigung zu, einem Mädchen ans vornehmen, Kreisen zu keinem, dauernden Bunde gestaltete. Ein merkwürdiger Zufall ist es, daß auch der junge Goethe, mit dem Günther oft verglichen worden ist, sechzig Jahre später als Leipziger Student in dem Hause eines Leipziger Ratsherrn, namens Lange, des kurfürstlich säch¬ sischen Hofrats Dr, Johann Gottfried Lange, ans und ein ging. (Vgl. darüber die zuerst im 7. Bande des Gvethejahrbuches veröffentlichten Briefe Goethes an seine Schwester Cornelia). Dieser Lange war der Sohn von dem, in dessen Hause Günther verkehrt hatte. Leider ist in den Taufbüchern der Leipziger Kirchen Anna Rosina Lange nicht auf¬ zufinden. Vielleicht besaß die Familie ein Gut in einem Kirchdorfe in der Nahe Leipzigs, und die Kinder sind dort geboren und getauft worden. Leonore ist an dieser Stelle nicht zu lesen, dn er diese erst much der Krankheit, in der dieses Gedicht geschrieben wurde, kennen lernte. Vgl. L. Fulda, Seile 114.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207936/82>, abgerufen am 13.05.2024.