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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr.

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Die Wünsche des höhern Lehrerstandes in preußen

auch einmal der Stimme eines Juristen Gehör zu verschaffen. Die Thesen
lassen aufs klarste erkennen, wie in fast krankhafter Weise von den Leitern der
Bewegung das Hauptgewicht darauf gelegt wird, daß anerkannt werde, "die
Juristen seien nicht mehr als die Gymnasiallehrer," um es in der Sprache des
gewöhnlichen Lebens auszudrücken. Als ob es nicht dem einsichtigen Manne,
namentlich wenn es sich nicht um das Verhältnis der Staatsbeamten im
engern Sinne unter einander, sondern um das Verhältnis der Staatsbeamten
zu den Vertretern des Unterrichts mit einer ganz verschiednen Thätigkeit handelt,
genügen müßte, die Arbeitsbedingungen lediglich unter dem Gesichtspunkte des
Satzes zu regeln: Jeder Arbeiter ist seines Lohnes wert, wobei es doch wahrlich
nicht nötig ist, sich das Urteil über die Angemessenheit des Lohnes hauptsächlich
durch ein Hinüberschielen nach rechts und links zu bilden. Als ich in der
elften These das Verlangen las, die jüngern Lehrer sollten den Titel "Schul¬
referendar" und "Schulassessor" erhalten, konnte ich doch nicht umhin, über
diese unglücklichen Wortbildungen lebhaftes Bedauern zu empfinden und mich
zu wundern, daß man nicht etwas Geschmackvolleres hat aussindig machen
können. Die Titel "Referendar" und "Assessor," deren eigentliche Bedeutung
und Herleitung denen, die sie für den Lehrerstnno jetzt verwendet wissen wollen,
doch bekannt sind, können gewiß nicht einem Manne beigelegt werden, der die
Kinder und jungen Leute zu unterrichten, nicht aber das Referiren (Abfassung
eines Referats aus Akten) oder das Amt eines Beisitzers bei Erlaß obrigkeit¬
licher Entscheidungen auszuüben hat (wie zuweilen wenigstens auch der Forst¬
referendar und der Forstasfesfvr). Da würden doch, vorausgesetzt, daß das
Wort "Leutnant" von loounckLNENL herrührt, die Bezeichnungen "Schul-Unter-
leutnant" und "Schul-Oberleutnant" viel eher am Platze sein. Es liegt mir
aber durchaus fern, hier irgendwie in spöttischer Weise Bestrebungen entgegen¬
zutreten, die grundsätzlich gewiß zulässig sind, da jeder Mensch berechtigt ist,
seine Stellung möglichst zu verbessern. Die jetzt vorliegenden Thesen scheinen
mir jedoch die Erreichung dieses Zieles eher zu gefährden als zu unterstützen,
da sie, nach meiner nicht ohne reifliche Prüfung erlangten Meinung, über die
Erfordernisse der Billigkeit hinausgehen. Ich habe mich früher oft gefragt:
Wenn jeder angestellte akademisch gebildete Lehrer in Gehalt und Dienstrang
dein Richter erster Instanz gleichzustellen ist, wie soll sich dann die Steigerung
weiter nach oben fortsetzen? Bisher hatte man es vermieden, diese Folgerungen
gründlich zu ziehen, was aber nunmehr in den von den Abgeordneten aufge¬
stellten Sätzen klar und deutlich geschieht. Während man früher hauptsächlich
das Nichtertum zum Vorbilde genommen hat, kommt man jetzt durch Aus¬
dehnung auf die höhern Schnlverwaltungsstellcn endlich zu dem Vergleich mit
den höhern Verwaltungsbeamten, der übrigens doch stets viel näher gelegen
haben sollte, weil das Verwaltungsweseu dem Schulwesen, wenn auch noch
ganz davon verschieden, doch näher steht als die Rechtspflege. Man hat, weil


Die Wünsche des höhern Lehrerstandes in preußen

auch einmal der Stimme eines Juristen Gehör zu verschaffen. Die Thesen
lassen aufs klarste erkennen, wie in fast krankhafter Weise von den Leitern der
Bewegung das Hauptgewicht darauf gelegt wird, daß anerkannt werde, „die
Juristen seien nicht mehr als die Gymnasiallehrer," um es in der Sprache des
gewöhnlichen Lebens auszudrücken. Als ob es nicht dem einsichtigen Manne,
namentlich wenn es sich nicht um das Verhältnis der Staatsbeamten im
engern Sinne unter einander, sondern um das Verhältnis der Staatsbeamten
zu den Vertretern des Unterrichts mit einer ganz verschiednen Thätigkeit handelt,
genügen müßte, die Arbeitsbedingungen lediglich unter dem Gesichtspunkte des
Satzes zu regeln: Jeder Arbeiter ist seines Lohnes wert, wobei es doch wahrlich
nicht nötig ist, sich das Urteil über die Angemessenheit des Lohnes hauptsächlich
durch ein Hinüberschielen nach rechts und links zu bilden. Als ich in der
elften These das Verlangen las, die jüngern Lehrer sollten den Titel „Schul¬
referendar" und „Schulassessor" erhalten, konnte ich doch nicht umhin, über
diese unglücklichen Wortbildungen lebhaftes Bedauern zu empfinden und mich
zu wundern, daß man nicht etwas Geschmackvolleres hat aussindig machen
können. Die Titel „Referendar" und „Assessor," deren eigentliche Bedeutung
und Herleitung denen, die sie für den Lehrerstnno jetzt verwendet wissen wollen,
doch bekannt sind, können gewiß nicht einem Manne beigelegt werden, der die
Kinder und jungen Leute zu unterrichten, nicht aber das Referiren (Abfassung
eines Referats aus Akten) oder das Amt eines Beisitzers bei Erlaß obrigkeit¬
licher Entscheidungen auszuüben hat (wie zuweilen wenigstens auch der Forst¬
referendar und der Forstasfesfvr). Da würden doch, vorausgesetzt, daß das
Wort „Leutnant" von loounckLNENL herrührt, die Bezeichnungen „Schul-Unter-
leutnant" und „Schul-Oberleutnant" viel eher am Platze sein. Es liegt mir
aber durchaus fern, hier irgendwie in spöttischer Weise Bestrebungen entgegen¬
zutreten, die grundsätzlich gewiß zulässig sind, da jeder Mensch berechtigt ist,
seine Stellung möglichst zu verbessern. Die jetzt vorliegenden Thesen scheinen
mir jedoch die Erreichung dieses Zieles eher zu gefährden als zu unterstützen,
da sie, nach meiner nicht ohne reifliche Prüfung erlangten Meinung, über die
Erfordernisse der Billigkeit hinausgehen. Ich habe mich früher oft gefragt:
Wenn jeder angestellte akademisch gebildete Lehrer in Gehalt und Dienstrang
dein Richter erster Instanz gleichzustellen ist, wie soll sich dann die Steigerung
weiter nach oben fortsetzen? Bisher hatte man es vermieden, diese Folgerungen
gründlich zu ziehen, was aber nunmehr in den von den Abgeordneten aufge¬
stellten Sätzen klar und deutlich geschieht. Während man früher hauptsächlich
das Nichtertum zum Vorbilde genommen hat, kommt man jetzt durch Aus¬
dehnung auf die höhern Schnlverwaltungsstellcn endlich zu dem Vergleich mit
den höhern Verwaltungsbeamten, der übrigens doch stets viel näher gelegen
haben sollte, weil das Verwaltungsweseu dem Schulwesen, wenn auch noch
ganz davon verschieden, doch näher steht als die Rechtspflege. Man hat, weil


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578/170>, abgerufen am 12.05.2024.