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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr.

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Zur Erhöhung der Vffiziersgehalte

bilden, als innerhalb des nicht adlichen Teiles der Bevölkerung; und ich mache
deshalb kein Hehl aus meiner Überzeugung, daß dem deutschen Adel sein
Einfluß in der Armee uoch lange gewahrt bleiben wird. Neben ihm möge und
wird sich die persönliche Kraft in den vergrößerten Verhältnissen mit größerm
Spielräume als bisher entfalten. Nur eine Plutokratie möchten wir uns in
der Armee zu keiner Zeit bestehend denken. Die Geschichte lehrt, daß von
allen Herrschaftsarten sie die schlimmste ist; noch kein Gefüge, in dem sie sich ein¬
richtete, hat ihrer zerstörendem Kraft widerstehen können. Die soeben gebrand¬
markte Sinnesart, die in aller Welt keinen Wert als den des Geldes kennt
und anerkennt, ist das eigenste Erzeugnis der Plutokratie und ihre niemals
fehlende Begleiterin, und eben sie bildet das fressende Gift, das jedes der
Geldherrschaft verfallende Gemeinwesen zerstört. Nichts, auch das Heiligste
nicht, besitzt für sie seinen Wert in sich: Ehrfurcht vor dem Göttlichen, Königs¬
treue und Gattentreue, persönliches Ehrgefühl und Gemeinsinn sind ihr nichts
als ein dem stillschweigenden Übereinkommen der Gesellschaft sein Dasein ver¬
dankender Hokuspokus, mit dessen Hilfe die Kulturmenschheit einer völligen
Entfesselung ihrer selbstischen Triebe vorbeugt und den häßlichen Kampf ums
Dasein, den alle gegen alle führen, in gefüllige Formen kleidet. Die glänzendste
Bloßlegung dieses bis ins Mark verfaulten Gedankengerüsts besitzen wir in
Falftaffs berühmter Konstruktion der Ehre; dieser Hinweis wird genügen, mich
jeder weitern Ausführung über das Verhältnis zwischen Geldsinn und mili¬
tärischem Geist zu überheben.

Damit aber glaube ich auch den Zweck unsrer Betrachtung in der Haupt¬
sache erreicht zu haben. Mißdeutinigen gegenüber, die vielleicht nur teilweise
aus absichtlichen Übelwollen gegen den Offizierstand, zum Teil aus der that¬
sächlichen Unbekanntschaft weiter Kreise mit den Verhältnissen entsprangen,
sollte die wahre Absicht des kaiserlichen Erlasses gegen den Luxus der Offizier¬
korps, wie deutlich sie sich auch dem kundigen Leser aufdrängen mochte, auch
den weniger bewanderten Kreisen zugänglich gemacht und gleichzeitig dem Mi߬
bräuche, ja man darf sagen dem Unfug entgegengetreten werden, der in den
parlamentarischen Verhandlungen wie in den Erörterungen der Presse über
die Erhöhung gewisser Klassen der Offiziersgehalte mit dem Erlaß getrieben
worden ist.

Die größte Gefahr für die Kraft und die Kriegstüchtigkeit unsers Volkes
ist der in allen Kreisen zunehmende Luxus. Schon fehlt es nicht mehr an
Beweisen dafür, daß auch der Offizierstand dem Eindringen dieses Übels aus¬
gesetzt ist. Pflicht der Befehlshaber ist es, einem Umsichgreifen desselben mit
allen Mitteln vorzubeugen. Das wichtigste dieser Mittel besteht in der Fern¬
haltung eines Nachwuchses, in dem der Hang zum Wohlleben den Sinn für den
militärischen Beruf überwiegt und keinerlei angeborne Neigung zum Waffen¬
handwerk vorhanden ist. Da diese Leute durchweg den wohlhabenden Be-


Grenzboten IV 1890 g
Zur Erhöhung der Vffiziersgehalte

bilden, als innerhalb des nicht adlichen Teiles der Bevölkerung; und ich mache
deshalb kein Hehl aus meiner Überzeugung, daß dem deutschen Adel sein
Einfluß in der Armee uoch lange gewahrt bleiben wird. Neben ihm möge und
wird sich die persönliche Kraft in den vergrößerten Verhältnissen mit größerm
Spielräume als bisher entfalten. Nur eine Plutokratie möchten wir uns in
der Armee zu keiner Zeit bestehend denken. Die Geschichte lehrt, daß von
allen Herrschaftsarten sie die schlimmste ist; noch kein Gefüge, in dem sie sich ein¬
richtete, hat ihrer zerstörendem Kraft widerstehen können. Die soeben gebrand¬
markte Sinnesart, die in aller Welt keinen Wert als den des Geldes kennt
und anerkennt, ist das eigenste Erzeugnis der Plutokratie und ihre niemals
fehlende Begleiterin, und eben sie bildet das fressende Gift, das jedes der
Geldherrschaft verfallende Gemeinwesen zerstört. Nichts, auch das Heiligste
nicht, besitzt für sie seinen Wert in sich: Ehrfurcht vor dem Göttlichen, Königs¬
treue und Gattentreue, persönliches Ehrgefühl und Gemeinsinn sind ihr nichts
als ein dem stillschweigenden Übereinkommen der Gesellschaft sein Dasein ver¬
dankender Hokuspokus, mit dessen Hilfe die Kulturmenschheit einer völligen
Entfesselung ihrer selbstischen Triebe vorbeugt und den häßlichen Kampf ums
Dasein, den alle gegen alle führen, in gefüllige Formen kleidet. Die glänzendste
Bloßlegung dieses bis ins Mark verfaulten Gedankengerüsts besitzen wir in
Falftaffs berühmter Konstruktion der Ehre; dieser Hinweis wird genügen, mich
jeder weitern Ausführung über das Verhältnis zwischen Geldsinn und mili¬
tärischem Geist zu überheben.

Damit aber glaube ich auch den Zweck unsrer Betrachtung in der Haupt¬
sache erreicht zu haben. Mißdeutinigen gegenüber, die vielleicht nur teilweise
aus absichtlichen Übelwollen gegen den Offizierstand, zum Teil aus der that¬
sächlichen Unbekanntschaft weiter Kreise mit den Verhältnissen entsprangen,
sollte die wahre Absicht des kaiserlichen Erlasses gegen den Luxus der Offizier¬
korps, wie deutlich sie sich auch dem kundigen Leser aufdrängen mochte, auch
den weniger bewanderten Kreisen zugänglich gemacht und gleichzeitig dem Mi߬
bräuche, ja man darf sagen dem Unfug entgegengetreten werden, der in den
parlamentarischen Verhandlungen wie in den Erörterungen der Presse über
die Erhöhung gewisser Klassen der Offiziersgehalte mit dem Erlaß getrieben
worden ist.

Die größte Gefahr für die Kraft und die Kriegstüchtigkeit unsers Volkes
ist der in allen Kreisen zunehmende Luxus. Schon fehlt es nicht mehr an
Beweisen dafür, daß auch der Offizierstand dem Eindringen dieses Übels aus¬
gesetzt ist. Pflicht der Befehlshaber ist es, einem Umsichgreifen desselben mit
allen Mitteln vorzubeugen. Das wichtigste dieser Mittel besteht in der Fern¬
haltung eines Nachwuchses, in dem der Hang zum Wohlleben den Sinn für den
militärischen Beruf überwiegt und keinerlei angeborne Neigung zum Waffen¬
handwerk vorhanden ist. Da diese Leute durchweg den wohlhabenden Be-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578/25>, abgerufen am 12.05.2024.