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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.

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Allerhand Sprachdummheiteil

davon, daß abhängige Fragesätze im Deutschen mir dann im Koujuuktiv
stehen kvnlien, wenn das regierende Verlmm lvirklich den Begriff des Fragens
enthält. Aber das ist eine persönliche Eigentümlichkeit des Herrn, die zu den
vielen sonstigen Eigentümlichkeiten seines Stiles paßt, z. B. duzn, daß er auch
Jnhaltssätze, die eine Thatsache enthalten, mit Vorliebe in den Konjunktivs!)
setzt; erregt doch seine ganze gespreizte und dabei fortwährend auSgleitende
Sprache mit ihrer gequälten Wortstellung, ihren zerhackten Sätzen, ihrer geist-
reichelnden Interpunktion eigentlich ununterbrochen die Heiterkeit des Lesers.
Man sehe uur uoch folgenden Satz: die Zeit ist vorbei, wo man einen Ausschnitt
früherer Jahrhunderte so darstellte, als sei, was hente geschehe, früher
schon einmal geschehen. Das soll heißen: als wäre, was heute geschieht,
früher schon einmal geschehen! Andre wissen vielleicht ebenso wenig Bescheid,
aber sie reden eben, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist, und daher fallen sie
wenigstens nicht so oft hinein. Ich lasse also jetzt dieses Kapitel und wende mich
zunächst zu einigen der beliebtesten Fehler und Geschmacklosigkeiten im Gebrauch
unsrer Adverbia oder Umstandswörter.

Was doch alles aus einem Adverbium werde" kauu! Das eine ver¬
wandelt sich in ein Eigenschaftswort, das andre in eine Präposition, ein
drittes in eine Konjunktion, ein viertes in ein Bindewort -- es giebt keine
Wortart, die uns so viel Überraschungen bereitete.

Zahllos sind die Adverbia, die mit -weise zusammengesetzt werden können
und auch zusammengesetzt werden, wie teilweise, ausnahmsweise, zwangs¬
weise, bruchstückweise it. s. w. Niemand kann daran zweifeln, daß diese
Wörter Adverbia sind, und zwar nichts weiter als Adverbia, d. h. Wörter,
die nur zu einem Verbum als nähere Bestimmung hinzutreten können, also
z. V. teilweise erneuern, ausnahmsweise erlauben, zwangsweise
versteigern, bruchstückweise veröffentlichen. Da hat sich nun nenerdings
wahrhaft bacillnsartig ein Unfug verbreitet, der einen Menschen mit gesundem
Sprachgefühl fast zur Verzlveifluug bringen kauu; mau behandelt nämlich diese
Adverbia jetzt frischweg als Eigenschaftswörter und schreibt: die teilweise
Erneuerung, die ausnahmsweise Erlaubnis, die zwangsweise Ver¬
steigerung, die bruchstückweise Veröffentlichung, die stückweise Be¬
zahlung, die auszugsweise Abschrift, die pfeuuigweiseu Ersparnisse,
die vergleichsweise Erledigung, die schenknngsweise Überlassung,
der glasweise Ansschank, die probeweise Anstellung, die reihenweise
Aufstellung, die versuchsweise Aufhebung, die abwechslungsweise
Verteilung u. s. w. Der Leser sieht, es handelt sich um eine vollständige
Infektionskrankheit.

Es wird einem ganz griechisch zu Mute, wenn man dergleichen liest.
Die griechische Sprache, und zwar nnr die griechische Sprache, ist imstande,
das zwischen Artikel und Hauptwort tretende Attribut auch durch ein Adverbium


Allerhand Sprachdummheiteil

davon, daß abhängige Fragesätze im Deutschen mir dann im Koujuuktiv
stehen kvnlien, wenn das regierende Verlmm lvirklich den Begriff des Fragens
enthält. Aber das ist eine persönliche Eigentümlichkeit des Herrn, die zu den
vielen sonstigen Eigentümlichkeiten seines Stiles paßt, z. B. duzn, daß er auch
Jnhaltssätze, die eine Thatsache enthalten, mit Vorliebe in den Konjunktivs!)
setzt; erregt doch seine ganze gespreizte und dabei fortwährend auSgleitende
Sprache mit ihrer gequälten Wortstellung, ihren zerhackten Sätzen, ihrer geist-
reichelnden Interpunktion eigentlich ununterbrochen die Heiterkeit des Lesers.
Man sehe uur uoch folgenden Satz: die Zeit ist vorbei, wo man einen Ausschnitt
früherer Jahrhunderte so darstellte, als sei, was hente geschehe, früher
schon einmal geschehen. Das soll heißen: als wäre, was heute geschieht,
früher schon einmal geschehen! Andre wissen vielleicht ebenso wenig Bescheid,
aber sie reden eben, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist, und daher fallen sie
wenigstens nicht so oft hinein. Ich lasse also jetzt dieses Kapitel und wende mich
zunächst zu einigen der beliebtesten Fehler und Geschmacklosigkeiten im Gebrauch
unsrer Adverbia oder Umstandswörter.

Was doch alles aus einem Adverbium werde» kauu! Das eine ver¬
wandelt sich in ein Eigenschaftswort, das andre in eine Präposition, ein
drittes in eine Konjunktion, ein viertes in ein Bindewort — es giebt keine
Wortart, die uns so viel Überraschungen bereitete.

Zahllos sind die Adverbia, die mit -weise zusammengesetzt werden können
und auch zusammengesetzt werden, wie teilweise, ausnahmsweise, zwangs¬
weise, bruchstückweise it. s. w. Niemand kann daran zweifeln, daß diese
Wörter Adverbia sind, und zwar nichts weiter als Adverbia, d. h. Wörter,
die nur zu einem Verbum als nähere Bestimmung hinzutreten können, also
z. V. teilweise erneuern, ausnahmsweise erlauben, zwangsweise
versteigern, bruchstückweise veröffentlichen. Da hat sich nun nenerdings
wahrhaft bacillnsartig ein Unfug verbreitet, der einen Menschen mit gesundem
Sprachgefühl fast zur Verzlveifluug bringen kauu; mau behandelt nämlich diese
Adverbia jetzt frischweg als Eigenschaftswörter und schreibt: die teilweise
Erneuerung, die ausnahmsweise Erlaubnis, die zwangsweise Ver¬
steigerung, die bruchstückweise Veröffentlichung, die stückweise Be¬
zahlung, die auszugsweise Abschrift, die pfeuuigweiseu Ersparnisse,
die vergleichsweise Erledigung, die schenknngsweise Überlassung,
der glasweise Ansschank, die probeweise Anstellung, die reihenweise
Aufstellung, die versuchsweise Aufhebung, die abwechslungsweise
Verteilung u. s. w. Der Leser sieht, es handelt sich um eine vollständige
Infektionskrankheit.

Es wird einem ganz griechisch zu Mute, wenn man dergleichen liest.
Die griechische Sprache, und zwar nnr die griechische Sprache, ist imstande,
das zwischen Artikel und Hauptwort tretende Attribut auch durch ein Adverbium


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[0103] Allerhand Sprachdummheiteil davon, daß abhängige Fragesätze im Deutschen mir dann im Koujuuktiv stehen kvnlien, wenn das regierende Verlmm lvirklich den Begriff des Fragens enthält. Aber das ist eine persönliche Eigentümlichkeit des Herrn, die zu den vielen sonstigen Eigentümlichkeiten seines Stiles paßt, z. B. duzn, daß er auch Jnhaltssätze, die eine Thatsache enthalten, mit Vorliebe in den Konjunktivs!) setzt; erregt doch seine ganze gespreizte und dabei fortwährend auSgleitende Sprache mit ihrer gequälten Wortstellung, ihren zerhackten Sätzen, ihrer geist- reichelnden Interpunktion eigentlich ununterbrochen die Heiterkeit des Lesers. Man sehe uur uoch folgenden Satz: die Zeit ist vorbei, wo man einen Ausschnitt früherer Jahrhunderte so darstellte, als sei, was hente geschehe, früher schon einmal geschehen. Das soll heißen: als wäre, was heute geschieht, früher schon einmal geschehen! Andre wissen vielleicht ebenso wenig Bescheid, aber sie reden eben, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist, und daher fallen sie wenigstens nicht so oft hinein. Ich lasse also jetzt dieses Kapitel und wende mich zunächst zu einigen der beliebtesten Fehler und Geschmacklosigkeiten im Gebrauch unsrer Adverbia oder Umstandswörter. Was doch alles aus einem Adverbium werde» kauu! Das eine ver¬ wandelt sich in ein Eigenschaftswort, das andre in eine Präposition, ein drittes in eine Konjunktion, ein viertes in ein Bindewort — es giebt keine Wortart, die uns so viel Überraschungen bereitete. Zahllos sind die Adverbia, die mit -weise zusammengesetzt werden können und auch zusammengesetzt werden, wie teilweise, ausnahmsweise, zwangs¬ weise, bruchstückweise it. s. w. Niemand kann daran zweifeln, daß diese Wörter Adverbia sind, und zwar nichts weiter als Adverbia, d. h. Wörter, die nur zu einem Verbum als nähere Bestimmung hinzutreten können, also z. V. teilweise erneuern, ausnahmsweise erlauben, zwangsweise versteigern, bruchstückweise veröffentlichen. Da hat sich nun nenerdings wahrhaft bacillnsartig ein Unfug verbreitet, der einen Menschen mit gesundem Sprachgefühl fast zur Verzlveifluug bringen kauu; mau behandelt nämlich diese Adverbia jetzt frischweg als Eigenschaftswörter und schreibt: die teilweise Erneuerung, die ausnahmsweise Erlaubnis, die zwangsweise Ver¬ steigerung, die bruchstückweise Veröffentlichung, die stückweise Be¬ zahlung, die auszugsweise Abschrift, die pfeuuigweiseu Ersparnisse, die vergleichsweise Erledigung, die schenknngsweise Überlassung, der glasweise Ansschank, die probeweise Anstellung, die reihenweise Aufstellung, die versuchsweise Aufhebung, die abwechslungsweise Verteilung u. s. w. Der Leser sieht, es handelt sich um eine vollständige Infektionskrankheit. Es wird einem ganz griechisch zu Mute, wenn man dergleichen liest. Die griechische Sprache, und zwar nnr die griechische Sprache, ist imstande, das zwischen Artikel und Hauptwort tretende Attribut auch durch ein Adverbium

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/103>, abgerufen am 21.05.2024.