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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.

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Minderheit, und bei der Mehrheit hie und da gewiß auch Abneigung gegen
eine Schule, die von vornherein nur für das Erwerbsleben, uicht einmal für
die höhern Subalternämter vorbereitete. Solche Erwägungen haben zu allerlei
Versuchen geführt, einen gemeinsamen Unterbau zu finden, von wo daun später
erst die Wege auseinander gingen. Hier bestand nun die Hauptaufgabe der
Konferenz in der Kritik derartiger Unterbauten, meist sehr verwickelter Gebilde,
deren Hauptform so aussieht: VI--IV Französisch, darnach erste Teilung in
einen gymnasialen Oberbau mit Latein und einen realen mit Englisch, dann
nach weitern drei Jahren, also mit Ober-II, Teilung des gymnasialen in einen
mit Griechisch und einen ohne Griechisch. Es gelang dem Heidelberger
Ghmnasialdirektor Uhlig, der seit Jahren diese Frage zu seinem Hauptstudium
gemacht, mehrmals Skandinavien bereift, namentlich sich in Schweden umge¬
sehen hatte, dein klassischen Lande einer solchen einheitlichen Schnlorganisalion,
es gelang diesem übrigens in nord- und in süddeutschen Schnlverhältnisseu
gleich bewanderten Manne, den vielgepriesenen Ban in der ersten Sitzung vor
den Augen Seiner Majestät mit wuchtigen Schlägen zu zerschmettern.

Als Notbehelf und für die Zeiten des Übergangs hat die Konferenz zwei
andre Formen für zulässig erklärt. Eine namentlich von der Negierung em¬
pfohlene stellt ein sechsjähriges Lateingymnasinm dar mit fakultativen
Griechisch und fakultativen Englisch auf den drei obern Stufen Unter-III
bis Unter-II), das dann durch einen gymnasialen und einen realen Oberbau von
je drei Klassen Ober-II bis Ober-I) zu einer neunjährigen Dvppelanstalt
wird. Diese Form des Unterbaues -- wir dürfen sie (vergl. S. 108) die
Staudersche nennen -- hat vielleicht eine Zukunft, als Verbindung einer Ober¬
realschule mit einem Gymnasium. Voraussetzung ist aber ein gesteigerter
Lateinbetrieb bis Unter-II; denn sonst ließe sich das Abbrechen des Lateins
auf der Oberrealschule schwerlich rechtfertigen. Gelingt es aber, den Latein¬
unterricht hier zu einem gewissen Abschluß zu bringen, dann wird sich auf das
bequemste rechts eine Stephauschule, links etwa ein Helmholtz-Gymnasium
anschließen lassen: ein heilsames Nacheinander statt unsers heillosen Neben¬
einander! Eine Mommsenschule anzugliedern würde sich nicht empfehlen, weil
Entartung in eine lateiuphilvlvgische Fachschule zu fürchten wäre.

Die andre zugelassene Form des Unterbaues hat das Altonaische Real¬
gymnasium zum Vorbilde: sie beginnt als eine lateinlose Realschule und zweigt
nach drei Jahren ein vollständiges, wenngleich nur sechsklassiges Realgymnasium
ab. Es ist klar, daß diese Abzweigung ans die Dauer wenig zu bedeuten, hat,
wenn das Realgymnasium grundsätzlich wegfällt, es sei den", daß aus diesem
realgymuasialen Zweige später einmal ein gymnasialer herauswüchse. Es
gilt, die Versuche fortzusetzen, welche Dienste das Französische als grundlegende
Sprache, anch bei gesteigerten Anforderungen in den alten Sprachen, zu leisten
vermag. Ans diese Weise könnte das Realgymnasium seine Nermittleraufgabe


Minderheit, und bei der Mehrheit hie und da gewiß auch Abneigung gegen
eine Schule, die von vornherein nur für das Erwerbsleben, uicht einmal für
die höhern Subalternämter vorbereitete. Solche Erwägungen haben zu allerlei
Versuchen geführt, einen gemeinsamen Unterbau zu finden, von wo daun später
erst die Wege auseinander gingen. Hier bestand nun die Hauptaufgabe der
Konferenz in der Kritik derartiger Unterbauten, meist sehr verwickelter Gebilde,
deren Hauptform so aussieht: VI—IV Französisch, darnach erste Teilung in
einen gymnasialen Oberbau mit Latein und einen realen mit Englisch, dann
nach weitern drei Jahren, also mit Ober-II, Teilung des gymnasialen in einen
mit Griechisch und einen ohne Griechisch. Es gelang dem Heidelberger
Ghmnasialdirektor Uhlig, der seit Jahren diese Frage zu seinem Hauptstudium
gemacht, mehrmals Skandinavien bereift, namentlich sich in Schweden umge¬
sehen hatte, dein klassischen Lande einer solchen einheitlichen Schnlorganisalion,
es gelang diesem übrigens in nord- und in süddeutschen Schnlverhältnisseu
gleich bewanderten Manne, den vielgepriesenen Ban in der ersten Sitzung vor
den Augen Seiner Majestät mit wuchtigen Schlägen zu zerschmettern.

Als Notbehelf und für die Zeiten des Übergangs hat die Konferenz zwei
andre Formen für zulässig erklärt. Eine namentlich von der Negierung em¬
pfohlene stellt ein sechsjähriges Lateingymnasinm dar mit fakultativen
Griechisch und fakultativen Englisch auf den drei obern Stufen Unter-III
bis Unter-II), das dann durch einen gymnasialen und einen realen Oberbau von
je drei Klassen Ober-II bis Ober-I) zu einer neunjährigen Dvppelanstalt
wird. Diese Form des Unterbaues — wir dürfen sie (vergl. S. 108) die
Staudersche nennen — hat vielleicht eine Zukunft, als Verbindung einer Ober¬
realschule mit einem Gymnasium. Voraussetzung ist aber ein gesteigerter
Lateinbetrieb bis Unter-II; denn sonst ließe sich das Abbrechen des Lateins
auf der Oberrealschule schwerlich rechtfertigen. Gelingt es aber, den Latein¬
unterricht hier zu einem gewissen Abschluß zu bringen, dann wird sich auf das
bequemste rechts eine Stephauschule, links etwa ein Helmholtz-Gymnasium
anschließen lassen: ein heilsames Nacheinander statt unsers heillosen Neben¬
einander! Eine Mommsenschule anzugliedern würde sich nicht empfehlen, weil
Entartung in eine lateiuphilvlvgische Fachschule zu fürchten wäre.

Die andre zugelassene Form des Unterbaues hat das Altonaische Real¬
gymnasium zum Vorbilde: sie beginnt als eine lateinlose Realschule und zweigt
nach drei Jahren ein vollständiges, wenngleich nur sechsklassiges Realgymnasium
ab. Es ist klar, daß diese Abzweigung ans die Dauer wenig zu bedeuten, hat,
wenn das Realgymnasium grundsätzlich wegfällt, es sei den», daß aus diesem
realgymuasialen Zweige später einmal ein gymnasialer herauswüchse. Es
gilt, die Versuche fortzusetzen, welche Dienste das Französische als grundlegende
Sprache, anch bei gesteigerten Anforderungen in den alten Sprachen, zu leisten
vermag. Ans diese Weise könnte das Realgymnasium seine Nermittleraufgabe


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[0139] Minderheit, und bei der Mehrheit hie und da gewiß auch Abneigung gegen eine Schule, die von vornherein nur für das Erwerbsleben, uicht einmal für die höhern Subalternämter vorbereitete. Solche Erwägungen haben zu allerlei Versuchen geführt, einen gemeinsamen Unterbau zu finden, von wo daun später erst die Wege auseinander gingen. Hier bestand nun die Hauptaufgabe der Konferenz in der Kritik derartiger Unterbauten, meist sehr verwickelter Gebilde, deren Hauptform so aussieht: VI—IV Französisch, darnach erste Teilung in einen gymnasialen Oberbau mit Latein und einen realen mit Englisch, dann nach weitern drei Jahren, also mit Ober-II, Teilung des gymnasialen in einen mit Griechisch und einen ohne Griechisch. Es gelang dem Heidelberger Ghmnasialdirektor Uhlig, der seit Jahren diese Frage zu seinem Hauptstudium gemacht, mehrmals Skandinavien bereift, namentlich sich in Schweden umge¬ sehen hatte, dein klassischen Lande einer solchen einheitlichen Schnlorganisalion, es gelang diesem übrigens in nord- und in süddeutschen Schnlverhältnisseu gleich bewanderten Manne, den vielgepriesenen Ban in der ersten Sitzung vor den Augen Seiner Majestät mit wuchtigen Schlägen zu zerschmettern. Als Notbehelf und für die Zeiten des Übergangs hat die Konferenz zwei andre Formen für zulässig erklärt. Eine namentlich von der Negierung em¬ pfohlene stellt ein sechsjähriges Lateingymnasinm dar mit fakultativen Griechisch und fakultativen Englisch auf den drei obern Stufen Unter-III bis Unter-II), das dann durch einen gymnasialen und einen realen Oberbau von je drei Klassen Ober-II bis Ober-I) zu einer neunjährigen Dvppelanstalt wird. Diese Form des Unterbaues — wir dürfen sie (vergl. S. 108) die Staudersche nennen — hat vielleicht eine Zukunft, als Verbindung einer Ober¬ realschule mit einem Gymnasium. Voraussetzung ist aber ein gesteigerter Lateinbetrieb bis Unter-II; denn sonst ließe sich das Abbrechen des Lateins auf der Oberrealschule schwerlich rechtfertigen. Gelingt es aber, den Latein¬ unterricht hier zu einem gewissen Abschluß zu bringen, dann wird sich auf das bequemste rechts eine Stephauschule, links etwa ein Helmholtz-Gymnasium anschließen lassen: ein heilsames Nacheinander statt unsers heillosen Neben¬ einander! Eine Mommsenschule anzugliedern würde sich nicht empfehlen, weil Entartung in eine lateiuphilvlvgische Fachschule zu fürchten wäre. Die andre zugelassene Form des Unterbaues hat das Altonaische Real¬ gymnasium zum Vorbilde: sie beginnt als eine lateinlose Realschule und zweigt nach drei Jahren ein vollständiges, wenngleich nur sechsklassiges Realgymnasium ab. Es ist klar, daß diese Abzweigung ans die Dauer wenig zu bedeuten, hat, wenn das Realgymnasium grundsätzlich wegfällt, es sei den», daß aus diesem realgymuasialen Zweige später einmal ein gymnasialer herauswüchse. Es gilt, die Versuche fortzusetzen, welche Dienste das Französische als grundlegende Sprache, anch bei gesteigerten Anforderungen in den alten Sprachen, zu leisten vermag. Ans diese Weise könnte das Realgymnasium seine Nermittleraufgabe

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/139>, abgerufen am 18.05.2024.