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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.

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Waffenehre noch einmal hell erstrahle" ließen, und dann jenes Dunkel eintrat,
worin der deutsche Name, wie es schien, erloschen sollte für immer! Im Hause
seiner Eltern lernte der Knabe den plündernden Landesfeind kennen, im Herzen
Deutschlands die Franzosen, denen er ihre Schuld nachtrug in treuem Ge¬
dächtnis, um einst die Rechnung zu tilgen im Königsschloß zu Versailles und
im Weichbilde von Paris. Aber bis dahin welche Spanne Zeit, welche trüben
und hoffnungsarmcn Jahre! Auf dänischen Boden, in Kopenhagen, erhielt
Moltke seine erste Ausbildung, als dänischer Offizier erwarb er sich die Selbstän¬
digkeit, und erst 1822 ist er unser geworden, ein unbedeutender Sekonde-
leutnant in Frankfurt an der Oder. Fünf Jahre darauf wurde er Premier¬
leutnant, erst 1835 Hauptmann, und erst von dieser Zeit an beginnt er sich
hervorzuringen aus der Menge der Gleichgestellten, alle überragend an Fleiß,
an eiserner Zähigkeit, an Tiefe und Gründlichkeit des Urteils. Stammt doch
von ihm das bescheidene und doch so selbstbewußte Wort: "Das Genie ist
der Fleiß."

Dann folgten seine Lehrjahre im Orient, von denen er selbst in unüber¬
trefflicher Weise Rechenschaft gegeben hat. Als er 1839 nach Deutschland
zurückkehrte, blickte man bereits auf ihn als auf einen der Besten des preußischen
Heeres. Ein echter Soldat, nahm er an den Erschütterungen des Jahres 1848
keinerlei Anteil: er arbeitete an sich und an der preußischen Armee weiter, still
und gewissenhaft, zufrieden, wenn er seine Pflicht erfüllte, keineswegs bestrebt,
sich bemerkbar zu machen. Sein Beruf führte ihn in die unmittelbare Nähe
unsers Herrscherhauses: mit dein Prinzen Heinrich, dessen Adjutant er war,
hat er Rom kennen gelernt, 1855 wurde er persönlicher Adjutant des damaligen
Prinzen Friedrich Wilhelm, der als zweiter die deutsche Kaiserkrone tragen
sollte, und mit ihm hat er London, Paris, Italien, ein Stück Rußland bereist,
überall beobachtend, lernend, sichtend. 1857 endlich, als König Wilhelm die
Regentschaft antrat, erhob ihn dieser zu seinem Generalstabschef, und fortan hat
er ihm zur Seite gestanden, ein allzeit treuer Freund und Berater, ein allzeit
ergebener Diener, ein unvergleichliches Werkzeug in den Tagen der Entscheidung,
wo Kaiser Wilhelm, Bismarck und er das deutsche Reich schmiedeten, in harter
Zeit, in Kampf und Sieg. Es hieße die Geschichte der großen Jahre 1864
bis 1871 erzählen, wollten wir anch nur flüchtig skizziren, was Moltke in
jenen Jahren gethan und durchlebt hat. Wer es nicht weiß, verdient es nicht
zu wissen -- untrennbar verwoben ist sein Name mit den größten Erinnerungen
unsers Volkes, das sein nicht vergessen wird, so lange es eine geschichtliche Er¬
innerung giebt. Noch volle achtzehn Jahre nach Sedan konnte er die unge¬
heure Arbeitslast tragen, die einem Chef des Generalstabes der Armee zufällt,
und wenn er sich uach den schweren Schlägen des Jahres 1888 auf ein
engeres Arbeitsfeld zurückzog, gearbeitet hat er bis zuletzt, denn leben hieß
ihn: arbeiten.




Waffenehre noch einmal hell erstrahle« ließen, und dann jenes Dunkel eintrat,
worin der deutsche Name, wie es schien, erloschen sollte für immer! Im Hause
seiner Eltern lernte der Knabe den plündernden Landesfeind kennen, im Herzen
Deutschlands die Franzosen, denen er ihre Schuld nachtrug in treuem Ge¬
dächtnis, um einst die Rechnung zu tilgen im Königsschloß zu Versailles und
im Weichbilde von Paris. Aber bis dahin welche Spanne Zeit, welche trüben
und hoffnungsarmcn Jahre! Auf dänischen Boden, in Kopenhagen, erhielt
Moltke seine erste Ausbildung, als dänischer Offizier erwarb er sich die Selbstän¬
digkeit, und erst 1822 ist er unser geworden, ein unbedeutender Sekonde-
leutnant in Frankfurt an der Oder. Fünf Jahre darauf wurde er Premier¬
leutnant, erst 1835 Hauptmann, und erst von dieser Zeit an beginnt er sich
hervorzuringen aus der Menge der Gleichgestellten, alle überragend an Fleiß,
an eiserner Zähigkeit, an Tiefe und Gründlichkeit des Urteils. Stammt doch
von ihm das bescheidene und doch so selbstbewußte Wort: „Das Genie ist
der Fleiß."

Dann folgten seine Lehrjahre im Orient, von denen er selbst in unüber¬
trefflicher Weise Rechenschaft gegeben hat. Als er 1839 nach Deutschland
zurückkehrte, blickte man bereits auf ihn als auf einen der Besten des preußischen
Heeres. Ein echter Soldat, nahm er an den Erschütterungen des Jahres 1848
keinerlei Anteil: er arbeitete an sich und an der preußischen Armee weiter, still
und gewissenhaft, zufrieden, wenn er seine Pflicht erfüllte, keineswegs bestrebt,
sich bemerkbar zu machen. Sein Beruf führte ihn in die unmittelbare Nähe
unsers Herrscherhauses: mit dein Prinzen Heinrich, dessen Adjutant er war,
hat er Rom kennen gelernt, 1855 wurde er persönlicher Adjutant des damaligen
Prinzen Friedrich Wilhelm, der als zweiter die deutsche Kaiserkrone tragen
sollte, und mit ihm hat er London, Paris, Italien, ein Stück Rußland bereist,
überall beobachtend, lernend, sichtend. 1857 endlich, als König Wilhelm die
Regentschaft antrat, erhob ihn dieser zu seinem Generalstabschef, und fortan hat
er ihm zur Seite gestanden, ein allzeit treuer Freund und Berater, ein allzeit
ergebener Diener, ein unvergleichliches Werkzeug in den Tagen der Entscheidung,
wo Kaiser Wilhelm, Bismarck und er das deutsche Reich schmiedeten, in harter
Zeit, in Kampf und Sieg. Es hieße die Geschichte der großen Jahre 1864
bis 1871 erzählen, wollten wir anch nur flüchtig skizziren, was Moltke in
jenen Jahren gethan und durchlebt hat. Wer es nicht weiß, verdient es nicht
zu wissen — untrennbar verwoben ist sein Name mit den größten Erinnerungen
unsers Volkes, das sein nicht vergessen wird, so lange es eine geschichtliche Er¬
innerung giebt. Noch volle achtzehn Jahre nach Sedan konnte er die unge¬
heure Arbeitslast tragen, die einem Chef des Generalstabes der Armee zufällt,
und wenn er sich uach den schweren Schlägen des Jahres 1888 auf ein
engeres Arbeitsfeld zurückzog, gearbeitet hat er bis zuletzt, denn leben hieß
ihn: arbeiten.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/214>, abgerufen am 21.05.2024.