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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.

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schienen erst in ferner Zukunft durchführbar. Das Ergebnis des Kongresses
entsprach denu auch dem. Die Beschlüsse des Kongresses fanden keineswegs
die Zustimmung aller amerikanischen Freistaaten. Mau schrieb ihnen meist
einen rein theoretischen Wert zu und glaubte, die amerikanischen Archive um
ein interessantes Aktenstück bereichert zu haben. Die Beschlüsse waren viel
zu weitgehend, als daß man an eine Verwirklichung gedacht hätte; denn außer
der geplanten Einigung aller amerikanischen Staaten auf dem Gebiete des
Münz- und Verkehrswesens, außer der Einführung von Schiedsgerichten
sollten auch Gegenseitigkeitsverträge handelspolitischer Art geschlossen werden.

Mr. Blaine verfolgt aber mit äußerster Zähigkeit das ihm vorschwebende
Ziel. Schon hielt er das Mittel bereit, um die amerikanischen Staaten einer
Zoll- und Wirtschaftsvereinigung mit der Union geneigter zu machen; es war
die Mac Kinley-Bill, deren Tarifsätze ja fast alle Einfuhrartikel vom nord¬
amerikanischen Markte nahezu ausschließen.

Man glaubte eine Zeit laug, die amerikanischen Staaten würden der
Blaineschen Herausforderung damit antworten, daß sie einen engern Anschluß
an die europäischen Staaten suchten. Dies scheint bisher aber nnr bei einem,
allerdings dem führenden, der mittelamerikanischen Staaten der Fall gewesen
zu sein, bei Guatemala. Denn im März hat dieser Staat mit dem Hamburger
"Kosmos" einen Vertrag abgeschlossen, wodurch dieser verpflichtet ist, monat¬
liche Fahrten zwischen Guatemala und Hamburg einzurichten. Der größte der
südamerikanischen Staaten, die Vereinigten Staaten vou Brasilien haben es
dagegen vorgezogen, Anfang Februar dieses Jahres einen Handelsvertrag mit
der nordamerikanischen Union abzuschließen, wonach vom 1. April 1891 an
alle brasilischen Häfen den ans den Vereinigten Staaten eingeführten Waren
kraft des auf Wechselseitigkeit beruhenden Vertrages geöffnet sind. Nach einer
Mitteilung Blaines an die Newyorker Handelskammer steht die Regierung der
Vereinigten Staaten im Begriff, noch mit mehreren andern südamerikanischen
Staaten solche Vorzugsverträge abzuschließen.

Andre amerikanische Staaten möchten sehr gern dem Beispiele Brasiliens
folgen, wenn es nur in ihrer Macht stünde. Dies gilt vor allem von dem
königlich großbritannischen Dominion ot' L-in^ela.

In Kanada ist die Bewegung zu Gunsten eines engen Zvllanschlusses
an die Vereinigten Staaten Nordamerikas in den letzten Monaten gewaltig
angeschwollen, und mit ihr sind gleichzeitig starke Unabhängigkeitsgelüste er¬
wacht. Es stehen sich hier zwei Parteien einander schroff gegenüber; die einen,
die Konservativen, die Anhänger der Regierung, halten an den Beziehungen
zu England fest, die Liberalen betreiben teils offen teils versteckter den An¬
schluß an die Union.

Der Führer der Liberalen ist Sir Richard Cartwright. Dieser und der
Redakteur Farrer gingen so weit, daß sie den amerikanischen Staatsmännern


schienen erst in ferner Zukunft durchführbar. Das Ergebnis des Kongresses
entsprach denu auch dem. Die Beschlüsse des Kongresses fanden keineswegs
die Zustimmung aller amerikanischen Freistaaten. Mau schrieb ihnen meist
einen rein theoretischen Wert zu und glaubte, die amerikanischen Archive um
ein interessantes Aktenstück bereichert zu haben. Die Beschlüsse waren viel
zu weitgehend, als daß man an eine Verwirklichung gedacht hätte; denn außer
der geplanten Einigung aller amerikanischen Staaten auf dem Gebiete des
Münz- und Verkehrswesens, außer der Einführung von Schiedsgerichten
sollten auch Gegenseitigkeitsverträge handelspolitischer Art geschlossen werden.

Mr. Blaine verfolgt aber mit äußerster Zähigkeit das ihm vorschwebende
Ziel. Schon hielt er das Mittel bereit, um die amerikanischen Staaten einer
Zoll- und Wirtschaftsvereinigung mit der Union geneigter zu machen; es war
die Mac Kinley-Bill, deren Tarifsätze ja fast alle Einfuhrartikel vom nord¬
amerikanischen Markte nahezu ausschließen.

Man glaubte eine Zeit laug, die amerikanischen Staaten würden der
Blaineschen Herausforderung damit antworten, daß sie einen engern Anschluß
an die europäischen Staaten suchten. Dies scheint bisher aber nnr bei einem,
allerdings dem führenden, der mittelamerikanischen Staaten der Fall gewesen
zu sein, bei Guatemala. Denn im März hat dieser Staat mit dem Hamburger
„Kosmos" einen Vertrag abgeschlossen, wodurch dieser verpflichtet ist, monat¬
liche Fahrten zwischen Guatemala und Hamburg einzurichten. Der größte der
südamerikanischen Staaten, die Vereinigten Staaten vou Brasilien haben es
dagegen vorgezogen, Anfang Februar dieses Jahres einen Handelsvertrag mit
der nordamerikanischen Union abzuschließen, wonach vom 1. April 1891 an
alle brasilischen Häfen den ans den Vereinigten Staaten eingeführten Waren
kraft des auf Wechselseitigkeit beruhenden Vertrages geöffnet sind. Nach einer
Mitteilung Blaines an die Newyorker Handelskammer steht die Regierung der
Vereinigten Staaten im Begriff, noch mit mehreren andern südamerikanischen
Staaten solche Vorzugsverträge abzuschließen.

Andre amerikanische Staaten möchten sehr gern dem Beispiele Brasiliens
folgen, wenn es nur in ihrer Macht stünde. Dies gilt vor allem von dem
königlich großbritannischen Dominion ot' L-in^ela.

In Kanada ist die Bewegung zu Gunsten eines engen Zvllanschlusses
an die Vereinigten Staaten Nordamerikas in den letzten Monaten gewaltig
angeschwollen, und mit ihr sind gleichzeitig starke Unabhängigkeitsgelüste er¬
wacht. Es stehen sich hier zwei Parteien einander schroff gegenüber; die einen,
die Konservativen, die Anhänger der Regierung, halten an den Beziehungen
zu England fest, die Liberalen betreiben teils offen teils versteckter den An¬
schluß an die Union.

Der Führer der Liberalen ist Sir Richard Cartwright. Dieser und der
Redakteur Farrer gingen so weit, daß sie den amerikanischen Staatsmännern


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[0216] schienen erst in ferner Zukunft durchführbar. Das Ergebnis des Kongresses entsprach denu auch dem. Die Beschlüsse des Kongresses fanden keineswegs die Zustimmung aller amerikanischen Freistaaten. Mau schrieb ihnen meist einen rein theoretischen Wert zu und glaubte, die amerikanischen Archive um ein interessantes Aktenstück bereichert zu haben. Die Beschlüsse waren viel zu weitgehend, als daß man an eine Verwirklichung gedacht hätte; denn außer der geplanten Einigung aller amerikanischen Staaten auf dem Gebiete des Münz- und Verkehrswesens, außer der Einführung von Schiedsgerichten sollten auch Gegenseitigkeitsverträge handelspolitischer Art geschlossen werden. Mr. Blaine verfolgt aber mit äußerster Zähigkeit das ihm vorschwebende Ziel. Schon hielt er das Mittel bereit, um die amerikanischen Staaten einer Zoll- und Wirtschaftsvereinigung mit der Union geneigter zu machen; es war die Mac Kinley-Bill, deren Tarifsätze ja fast alle Einfuhrartikel vom nord¬ amerikanischen Markte nahezu ausschließen. Man glaubte eine Zeit laug, die amerikanischen Staaten würden der Blaineschen Herausforderung damit antworten, daß sie einen engern Anschluß an die europäischen Staaten suchten. Dies scheint bisher aber nnr bei einem, allerdings dem führenden, der mittelamerikanischen Staaten der Fall gewesen zu sein, bei Guatemala. Denn im März hat dieser Staat mit dem Hamburger „Kosmos" einen Vertrag abgeschlossen, wodurch dieser verpflichtet ist, monat¬ liche Fahrten zwischen Guatemala und Hamburg einzurichten. Der größte der südamerikanischen Staaten, die Vereinigten Staaten vou Brasilien haben es dagegen vorgezogen, Anfang Februar dieses Jahres einen Handelsvertrag mit der nordamerikanischen Union abzuschließen, wonach vom 1. April 1891 an alle brasilischen Häfen den ans den Vereinigten Staaten eingeführten Waren kraft des auf Wechselseitigkeit beruhenden Vertrages geöffnet sind. Nach einer Mitteilung Blaines an die Newyorker Handelskammer steht die Regierung der Vereinigten Staaten im Begriff, noch mit mehreren andern südamerikanischen Staaten solche Vorzugsverträge abzuschließen. Andre amerikanische Staaten möchten sehr gern dem Beispiele Brasiliens folgen, wenn es nur in ihrer Macht stünde. Dies gilt vor allem von dem königlich großbritannischen Dominion ot' L-in^ela. In Kanada ist die Bewegung zu Gunsten eines engen Zvllanschlusses an die Vereinigten Staaten Nordamerikas in den letzten Monaten gewaltig angeschwollen, und mit ihr sind gleichzeitig starke Unabhängigkeitsgelüste er¬ wacht. Es stehen sich hier zwei Parteien einander schroff gegenüber; die einen, die Konservativen, die Anhänger der Regierung, halten an den Beziehungen zu England fest, die Liberalen betreiben teils offen teils versteckter den An¬ schluß an die Union. Der Führer der Liberalen ist Sir Richard Cartwright. Dieser und der Redakteur Farrer gingen so weit, daß sie den amerikanischen Staatsmännern

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/216>, abgerufen am 21.05.2024.