Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite

die den alte", unfähigen Richtern erwiesene Milde das Ansehen des gesamten
Richterstandes im Volke. Die Justizverwaltung darf gegenüber andern Ver-i
waltungen in Bezug auf die Arbeitsfähigkeit ihrer Beamten nicht nachsteht

Noch eines andern bei den Anstellungen zu beachtenden Punktes wolleii
wir hier gedenke". Bei der Justizvcrwaltnng wie auch bei andern Ver¬
waltungen werde" an den kleine", von tüchtige" und vorwärtsstrebender
Beamten gemiednen Orten oft die weniger befähigte", sittlich nicht ganz tadel¬
freien Beamten angestellt, oft, weil ^ sich bessere nicht gemeldet haben. Wir
halten dieses Verfahren für bedenklich. I" derartigen kleinen, von wenige"
Gebildeten bewohnten Orten findet der geistig nicht besonders befähigte oder
"icht charakterfeste jenige Beamte gar keine Stütze, er sinkt geistig und sitt¬
lich "och weiter hinab und beeinträchtigt so das Ansehe" des ganze" Standes.
Wir würde" es vorzieh", a" solchen Orten ganz j""ge Beamte anzustellen
nud rascher mit ihnen zu wechseln.

Endlich muß zur Hebung des Ansehens der Richter "och erwartet werde",
das; ihre Ernennung zu Räten rascher als bisher erfolge. Der Richter hat,
gegenüber dein Verwaltungsbeamten oft eine bedeutungsvollere und vermiß
wörtlichere Stellung inne, vor allem muß er mehr als der Regierungs<
assessvr mit dem Publikum verkehre". Es ist daher unbedingt notwendig, das
Ansehe" des Richters durch eine frühere Ernennung zum Rate zu erhöhe".
Die jetzige ungleiche Behandlung der Gerichts- und Negiernngsasfessoren be¬
züglich der Verleihung des Ratstitels ist "icht gerechtfertigt.

Vielleicht trage" diese Erörterungen, verbinde" mit den früher" i"
dieser Zeitschrift enthaltnen Aufsätze", dazu bei, daß diesem wichtigen Gegen¬
stande in weiter" Kreisen Aufmerksamkeit geschenkt wird. Die Gesetzgebung
und die vorgesetzten Behörde" können durch geeignete Gesetze und durch ent¬
sprechende Maßregel" das Ansehen des Nichterstandes wesentlich heben. Aber
die Heilung der Schäden muß, wie bei jeder Krankheit, zunächst von innen
nach außen, also hier aus und in dem Nichterstande selbst erwartet werden,
und darauf ist um so zuversichtlicher zu rechnen, als in dem deutschen Nichter¬
stande hervorragend tüchtige Kräfte "ut feste Charaktere genug vorhanden
sind. Ihnen darf das deutsche Volk unbedingt vertrauen, wie denn größere
Störungen des Gemeinwohls durch mangelhafte Rechtspflege noch nirgends
bemerkt worden sind.




die den alte», unfähigen Richtern erwiesene Milde das Ansehen des gesamten
Richterstandes im Volke. Die Justizverwaltung darf gegenüber andern Ver-i
waltungen in Bezug auf die Arbeitsfähigkeit ihrer Beamten nicht nachsteht

Noch eines andern bei den Anstellungen zu beachtenden Punktes wolleii
wir hier gedenke». Bei der Justizvcrwaltnng wie auch bei andern Ver¬
waltungen werde» an den kleine», von tüchtige» und vorwärtsstrebender
Beamten gemiednen Orten oft die weniger befähigte», sittlich nicht ganz tadel¬
freien Beamten angestellt, oft, weil ^ sich bessere nicht gemeldet haben. Wir
halten dieses Verfahren für bedenklich. I» derartigen kleinen, von wenige»
Gebildeten bewohnten Orten findet der geistig nicht besonders befähigte oder
»icht charakterfeste jenige Beamte gar keine Stütze, er sinkt geistig und sitt¬
lich »och weiter hinab und beeinträchtigt so das Ansehe» des ganze» Standes.
Wir würde» es vorzieh», a» solchen Orten ganz j»»ge Beamte anzustellen
nud rascher mit ihnen zu wechseln.

Endlich muß zur Hebung des Ansehens der Richter »och erwartet werde»,
das; ihre Ernennung zu Räten rascher als bisher erfolge. Der Richter hat,
gegenüber dein Verwaltungsbeamten oft eine bedeutungsvollere und vermiß
wörtlichere Stellung inne, vor allem muß er mehr als der Regierungs<
assessvr mit dem Publikum verkehre». Es ist daher unbedingt notwendig, das
Ansehe» des Richters durch eine frühere Ernennung zum Rate zu erhöhe».
Die jetzige ungleiche Behandlung der Gerichts- und Negiernngsasfessoren be¬
züglich der Verleihung des Ratstitels ist »icht gerechtfertigt.

Vielleicht trage» diese Erörterungen, verbinde» mit den früher» i»
dieser Zeitschrift enthaltnen Aufsätze», dazu bei, daß diesem wichtigen Gegen¬
stande in weiter» Kreisen Aufmerksamkeit geschenkt wird. Die Gesetzgebung
und die vorgesetzten Behörde» können durch geeignete Gesetze und durch ent¬
sprechende Maßregel» das Ansehen des Nichterstandes wesentlich heben. Aber
die Heilung der Schäden muß, wie bei jeder Krankheit, zunächst von innen
nach außen, also hier aus und in dem Nichterstande selbst erwartet werden,
und darauf ist um so zuversichtlicher zu rechnen, als in dem deutschen Nichter¬
stande hervorragend tüchtige Kräfte »ut feste Charaktere genug vorhanden
sind. Ihnen darf das deutsche Volk unbedingt vertrauen, wie denn größere
Störungen des Gemeinwohls durch mangelhafte Rechtspflege noch nirgends
bemerkt worden sind.




<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0531" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/211699"/>
          <fw type="header" place="top"/><lb/>
          <p xml:id="ID_1556" prev="#ID_1555"> die den alte», unfähigen Richtern erwiesene Milde das Ansehen des gesamten<lb/>
Richterstandes im Volke. Die Justizverwaltung darf gegenüber andern Ver-i<lb/>
waltungen in Bezug auf die Arbeitsfähigkeit ihrer Beamten nicht nachsteht</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1557"> Noch eines andern bei den Anstellungen zu beachtenden Punktes wolleii<lb/>
wir hier gedenke». Bei der Justizvcrwaltnng wie auch bei andern Ver¬<lb/>
waltungen werde» an den kleine», von tüchtige» und vorwärtsstrebender<lb/>
Beamten gemiednen Orten oft die weniger befähigte», sittlich nicht ganz tadel¬<lb/>
freien Beamten angestellt, oft, weil ^ sich bessere nicht gemeldet haben. Wir<lb/>
halten dieses Verfahren für bedenklich. I» derartigen kleinen, von wenige»<lb/>
Gebildeten bewohnten Orten findet der geistig nicht besonders befähigte oder<lb/>
»icht charakterfeste jenige Beamte gar keine Stütze, er sinkt geistig und sitt¬<lb/>
lich »och weiter hinab und beeinträchtigt so das Ansehe» des ganze» Standes.<lb/>
Wir würde» es vorzieh», a» solchen Orten ganz j»»ge Beamte anzustellen<lb/>
nud rascher mit ihnen zu wechseln.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1558"> Endlich muß zur Hebung des Ansehens der Richter »och erwartet werde»,<lb/>
das; ihre Ernennung zu Räten rascher als bisher erfolge. Der Richter hat,<lb/>
gegenüber dein Verwaltungsbeamten oft eine bedeutungsvollere und vermiß<lb/>
wörtlichere Stellung inne, vor allem muß er mehr als der Regierungs&lt;<lb/>
assessvr mit dem Publikum verkehre». Es ist daher unbedingt notwendig, das<lb/>
Ansehe» des Richters durch eine frühere Ernennung zum Rate zu erhöhe».<lb/>
Die jetzige ungleiche Behandlung der Gerichts- und Negiernngsasfessoren be¬<lb/>
züglich der Verleihung des Ratstitels ist »icht gerechtfertigt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1559"> Vielleicht trage» diese Erörterungen, verbinde» mit den früher» i»<lb/>
dieser Zeitschrift enthaltnen Aufsätze», dazu bei, daß diesem wichtigen Gegen¬<lb/>
stande in weiter» Kreisen Aufmerksamkeit geschenkt wird. Die Gesetzgebung<lb/>
und die vorgesetzten Behörde» können durch geeignete Gesetze und durch ent¬<lb/>
sprechende Maßregel» das Ansehen des Nichterstandes wesentlich heben. Aber<lb/>
die Heilung der Schäden muß, wie bei jeder Krankheit, zunächst von innen<lb/>
nach außen, also hier aus und in dem Nichterstande selbst erwartet werden,<lb/>
und darauf ist um so zuversichtlicher zu rechnen, als in dem deutschen Nichter¬<lb/>
stande hervorragend tüchtige Kräfte »ut feste Charaktere genug vorhanden<lb/>
sind. Ihnen darf das deutsche Volk unbedingt vertrauen, wie denn größere<lb/>
Störungen des Gemeinwohls durch mangelhafte Rechtspflege noch nirgends<lb/>
bemerkt worden sind.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0531] die den alte», unfähigen Richtern erwiesene Milde das Ansehen des gesamten Richterstandes im Volke. Die Justizverwaltung darf gegenüber andern Ver-i waltungen in Bezug auf die Arbeitsfähigkeit ihrer Beamten nicht nachsteht Noch eines andern bei den Anstellungen zu beachtenden Punktes wolleii wir hier gedenke». Bei der Justizvcrwaltnng wie auch bei andern Ver¬ waltungen werde» an den kleine», von tüchtige» und vorwärtsstrebender Beamten gemiednen Orten oft die weniger befähigte», sittlich nicht ganz tadel¬ freien Beamten angestellt, oft, weil ^ sich bessere nicht gemeldet haben. Wir halten dieses Verfahren für bedenklich. I» derartigen kleinen, von wenige» Gebildeten bewohnten Orten findet der geistig nicht besonders befähigte oder »icht charakterfeste jenige Beamte gar keine Stütze, er sinkt geistig und sitt¬ lich »och weiter hinab und beeinträchtigt so das Ansehe» des ganze» Standes. Wir würde» es vorzieh», a» solchen Orten ganz j»»ge Beamte anzustellen nud rascher mit ihnen zu wechseln. Endlich muß zur Hebung des Ansehens der Richter »och erwartet werde», das; ihre Ernennung zu Räten rascher als bisher erfolge. Der Richter hat, gegenüber dein Verwaltungsbeamten oft eine bedeutungsvollere und vermiß wörtlichere Stellung inne, vor allem muß er mehr als der Regierungs< assessvr mit dem Publikum verkehre». Es ist daher unbedingt notwendig, das Ansehe» des Richters durch eine frühere Ernennung zum Rate zu erhöhe». Die jetzige ungleiche Behandlung der Gerichts- und Negiernngsasfessoren be¬ züglich der Verleihung des Ratstitels ist »icht gerechtfertigt. Vielleicht trage» diese Erörterungen, verbinde» mit den früher» i» dieser Zeitschrift enthaltnen Aufsätze», dazu bei, daß diesem wichtigen Gegen¬ stande in weiter» Kreisen Aufmerksamkeit geschenkt wird. Die Gesetzgebung und die vorgesetzten Behörde» können durch geeignete Gesetze und durch ent¬ sprechende Maßregel» das Ansehen des Nichterstandes wesentlich heben. Aber die Heilung der Schäden muß, wie bei jeder Krankheit, zunächst von innen nach außen, also hier aus und in dem Nichterstande selbst erwartet werden, und darauf ist um so zuversichtlicher zu rechnen, als in dem deutschen Nichter¬ stande hervorragend tüchtige Kräfte »ut feste Charaktere genug vorhanden sind. Ihnen darf das deutsche Volk unbedingt vertrauen, wie denn größere Störungen des Gemeinwohls durch mangelhafte Rechtspflege noch nirgends bemerkt worden sind.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167/531
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167/531>, abgerufen am 28.05.2024.