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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.

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Gegenwart und Ankunft der Siebenliiirger Sachsen

gleich hart zu drücken und nicht immer die gleichen Mittel wirken zu lassen.
Ein Nachlassen in dein System der kleinen Bedrückungen erweist sich, denken
sie oben, vielleicht dienlich, um eine große Maßregel, z. B. einen Schlag
gegen die mittlern Schulen, mit schwächerm Widerstand zu führen. Und ein
Unisono nationaler .^lngelaute von deutschen und rumänischen, serbischen und
kroatischen Stimmen mag man ja nicht in den europäischen Zuhörerraum
hinaustönen lassen. In Siebenbürgen liegen durch die große und bedrohlich
wachsende rumänische Mehrheit, der Deutsche und Magyaren mit verhältnis¬
mäßig kleinen Zahlen und trägem Wachstum gegenüberstehn, die Dinge be-
sonders schwierig, so daß sich unsre Landsleute dort möglicherweise noch länger
einer verhältnismäßig schonenden Behandlung erfreuen werden.

Wir denken aber an andre Gefahren, die schwerer sind, weil sie von
innen drohen. Jene 200000 Sachsen sind ein lebendiges Volk wie ein andres,
und man sollte es nicht gar zu oft mit einem Felsen vergleichen, was leicht
vergessen läßt, daß es beweglich, veränderlich ist, und daß eines Tages innere
Erscheinungen seineu äußern Halt und Zusammenhang bedrohen könnten. Es
ist klar, daß eine große Gefahr für Sachsen und Magyaren Siebenbürgens
in dem langsamem Wachstum ihrer Zahl ist. In manchen Bezirken gehen
beide zurück. Die Sachsen vermehren sich insgesamt so laugsam, daß ihr
Wachstum kaum bemerklich ist. Umgekehrt ist daneben die Zunahme der Ru¬
mänen sehr stark, und sie danken wesentlich einem stillen Prozeß nationaler
Überflutung die räumliche Ausbreitung über alten Sachsen-, Magyaren- und
Szeklerboden. Das ist eine bedrohliche Erscheinung, die man glücklicherweise
erkannt hat, und die man auch in ihren Ursachen versteht. Wir sprechen hier
von den Sachsen, deren große Mehrzahl echte deutsche Bauern geblieben sind,
die stolz ans ihrem Hofe sitzen, dessen ungelenke und unverminderte Vererbung
ihnen mehr als alles andre am Herzen liegt. So wie ihre saubern Dörfer
mit deu wohnlichen Häusern mit dem Spruch über dem Thor, mit deu hellen
Fenstern und den blühenden Gurten und gewaltigen Scheunen an wohlhabende
Gegenden Deutschlands erinnern, die sich einen kräftigen Bauernstand bewahrt
haben, so steigt beim Anblick der sächsischen Städte so manches träumende
Städtlein im altdeutschen Lande vor uns auf mit seinen malerischen Türmen,
winkligen Gassen und eigenwillig schnurrigen Besonderheiten an Häusern und
Menschen. Das sächsische Bürgertum in Siebenbürgen ist echt deutsches
Bürgertum von kleinem und Mittlerin Schlage, dessen Blüte, wie einst bei
uns, seltner im großen Geschäftsmann -- denn für diesen bietet das ab¬
geschlossene Siebenbürgen noch immer wenig Raum -- als im "studirten"
Beamten, Lehrer und vor allein im Geistlichen erschien. Man bedenke aber,
daß es eine Zeit gab, wo unsre Landsleute dort hinter dem Wald, wie es
einst hieß, sich wie eine kleine Republik regierten, und daß aus diesem Bürger-
nnd Bauerntum, das seine begabter" Söhne nach Herkommen und Gesetz in


Gegenwart und Ankunft der Siebenliiirger Sachsen

gleich hart zu drücken und nicht immer die gleichen Mittel wirken zu lassen.
Ein Nachlassen in dein System der kleinen Bedrückungen erweist sich, denken
sie oben, vielleicht dienlich, um eine große Maßregel, z. B. einen Schlag
gegen die mittlern Schulen, mit schwächerm Widerstand zu führen. Und ein
Unisono nationaler .^lngelaute von deutschen und rumänischen, serbischen und
kroatischen Stimmen mag man ja nicht in den europäischen Zuhörerraum
hinaustönen lassen. In Siebenbürgen liegen durch die große und bedrohlich
wachsende rumänische Mehrheit, der Deutsche und Magyaren mit verhältnis¬
mäßig kleinen Zahlen und trägem Wachstum gegenüberstehn, die Dinge be-
sonders schwierig, so daß sich unsre Landsleute dort möglicherweise noch länger
einer verhältnismäßig schonenden Behandlung erfreuen werden.

Wir denken aber an andre Gefahren, die schwerer sind, weil sie von
innen drohen. Jene 200000 Sachsen sind ein lebendiges Volk wie ein andres,
und man sollte es nicht gar zu oft mit einem Felsen vergleichen, was leicht
vergessen läßt, daß es beweglich, veränderlich ist, und daß eines Tages innere
Erscheinungen seineu äußern Halt und Zusammenhang bedrohen könnten. Es
ist klar, daß eine große Gefahr für Sachsen und Magyaren Siebenbürgens
in dem langsamem Wachstum ihrer Zahl ist. In manchen Bezirken gehen
beide zurück. Die Sachsen vermehren sich insgesamt so laugsam, daß ihr
Wachstum kaum bemerklich ist. Umgekehrt ist daneben die Zunahme der Ru¬
mänen sehr stark, und sie danken wesentlich einem stillen Prozeß nationaler
Überflutung die räumliche Ausbreitung über alten Sachsen-, Magyaren- und
Szeklerboden. Das ist eine bedrohliche Erscheinung, die man glücklicherweise
erkannt hat, und die man auch in ihren Ursachen versteht. Wir sprechen hier
von den Sachsen, deren große Mehrzahl echte deutsche Bauern geblieben sind,
die stolz ans ihrem Hofe sitzen, dessen ungelenke und unverminderte Vererbung
ihnen mehr als alles andre am Herzen liegt. So wie ihre saubern Dörfer
mit deu wohnlichen Häusern mit dem Spruch über dem Thor, mit deu hellen
Fenstern und den blühenden Gurten und gewaltigen Scheunen an wohlhabende
Gegenden Deutschlands erinnern, die sich einen kräftigen Bauernstand bewahrt
haben, so steigt beim Anblick der sächsischen Städte so manches träumende
Städtlein im altdeutschen Lande vor uns auf mit seinen malerischen Türmen,
winkligen Gassen und eigenwillig schnurrigen Besonderheiten an Häusern und
Menschen. Das sächsische Bürgertum in Siebenbürgen ist echt deutsches
Bürgertum von kleinem und Mittlerin Schlage, dessen Blüte, wie einst bei
uns, seltner im großen Geschäftsmann — denn für diesen bietet das ab¬
geschlossene Siebenbürgen noch immer wenig Raum — als im „studirten"
Beamten, Lehrer und vor allein im Geistlichen erschien. Man bedenke aber,
daß es eine Zeit gab, wo unsre Landsleute dort hinter dem Wald, wie es
einst hieß, sich wie eine kleine Republik regierten, und daß aus diesem Bürger-
nnd Bauerntum, das seine begabter» Söhne nach Herkommen und Gesetz in


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113/458>, abgerufen am 09.05.2024.