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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.

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Gin Ncichdrucksprozes;

Beschwörungsformeln zugesetzt wurde) auf der Phantasie des Schreibers be¬
ruht habe, so ändert dies doch nichts an der Natur des Berichtes. Deal
der Verfasser hat sicherlich nicht den Bericht als ein Phantasiestück nieder¬
schreiben wollen. Der Bericht ist ein niedergeschriebnes Zeugnis dessen, was
der Verfasser erlebt hat oder erlebt zu haben glaubt.

Auch in der Verteidigung des angeklagte" Redakteurs klingt es durch,
daß er den Bericht ganz in dieser Weise aufgefaßt und nicht daran gedacht
hat, durch dessen Abdruck geistiges Eigentum zu entfremden. Er sagte: "Das,
was an dem Bericht das geistige Eigentum des Paters Aurelian darstellt,
war für uns unbedingt gleichgiltig. Jeder erfahrene Zeituugsmaun konnte
auf Grund unsers Materials ein Knlturbild entrollen, das mindestens ebenso
nett wäre, wie der Bericht des Kapuziners. Hätten wir nnr den leisesten
Verdacht gehabt, daß der Abdruck des Berichts uns in einen Widerspruch mit
dem Gesetze bringen könne, so hätten wir die zehn Teufel, die aus dem
Knaben Heransgetrieben wurde", selbständig verarbeitet." Wir können dem
Verurteilten zum Troste sage", daß, als zuerst verlautete, der Kölnischen Zei¬
tung solle wegen Nachdrucks der Prozeß gemacht werden, selbst gewiegte Ju¬
risten dies bloß für einen Scherz gehalten haben.

Offenbar ist auch die Anklage wegen Nachdrucks nicht veranlaßt worden,
um dem Schriftsteller Aurelian gerecht zu werden, sondern um die Kölnische
Zeitung dafür zu bestrafen, daß sie gewagt hatte, eine Angelegenheit, die die
katholische Klerisei lieber für sich behalten hätte, an die Öffentlichkeit zu bringen.
Dafür mußte das Litteratentnm des Paters als Vorspann dienen.

Wahrscheinlich ist anch der Staatsnnwalt auf diese Richtung der Anklage
eingegangen. Denn wenn auch in seiner Begründung der Anklage der Satz
vorkommt, es "könne nicht in Frage kommen, daß der Bericht ein geistiges
Werk des Verfassers sei," so wird doch der Antrag auf eine Strafe von
tausend Mark nur verständlich, wenn man annimmt, auch der Staatsanwalt
habe dadurch weniger dem Pater Aurelian wegen Verletzung seiner Schrift¬
stellerrechte, als dein katholischem Klerus wegen Ansplaudernng eines seiner
Geheimnisse eine Sühne verschaffen wollen. Als Strafe für das verletzte
Litterateutum gedacht, wären tausend Mark eine Strafe von einer unsinnige"
Hohe gewesen.

Das Gericht hat nun zwar nicht auf eine Strafe von tausend, wohl aber
auf eine solche von fünfzig Mark erkannt. Da uns die Begründung des Ur¬
teils nicht vorliegt, so können wir nicht wissen, inwieweit dabei die Frage,
ob der bewußte Bericht überhaupt als ein gegen Nachdruck geschütztes "Schrift¬
werk" zu betrachten sei, zur Erörterung gekommen ist. Er scheint fast, als ob
man dies ohne weiteres angenommen habe. Wir würde" diese Frage verneint
und darnach für richtiger gehalten haben, wenn auf Freisprechung erkannt
worden wäre.


Gin Ncichdrucksprozes;

Beschwörungsformeln zugesetzt wurde) auf der Phantasie des Schreibers be¬
ruht habe, so ändert dies doch nichts an der Natur des Berichtes. Deal
der Verfasser hat sicherlich nicht den Bericht als ein Phantasiestück nieder¬
schreiben wollen. Der Bericht ist ein niedergeschriebnes Zeugnis dessen, was
der Verfasser erlebt hat oder erlebt zu haben glaubt.

Auch in der Verteidigung des angeklagte» Redakteurs klingt es durch,
daß er den Bericht ganz in dieser Weise aufgefaßt und nicht daran gedacht
hat, durch dessen Abdruck geistiges Eigentum zu entfremden. Er sagte: „Das,
was an dem Bericht das geistige Eigentum des Paters Aurelian darstellt,
war für uns unbedingt gleichgiltig. Jeder erfahrene Zeituugsmaun konnte
auf Grund unsers Materials ein Knlturbild entrollen, das mindestens ebenso
nett wäre, wie der Bericht des Kapuziners. Hätten wir nnr den leisesten
Verdacht gehabt, daß der Abdruck des Berichts uns in einen Widerspruch mit
dem Gesetze bringen könne, so hätten wir die zehn Teufel, die aus dem
Knaben Heransgetrieben wurde», selbständig verarbeitet." Wir können dem
Verurteilten zum Troste sage», daß, als zuerst verlautete, der Kölnischen Zei¬
tung solle wegen Nachdrucks der Prozeß gemacht werden, selbst gewiegte Ju¬
risten dies bloß für einen Scherz gehalten haben.

Offenbar ist auch die Anklage wegen Nachdrucks nicht veranlaßt worden,
um dem Schriftsteller Aurelian gerecht zu werden, sondern um die Kölnische
Zeitung dafür zu bestrafen, daß sie gewagt hatte, eine Angelegenheit, die die
katholische Klerisei lieber für sich behalten hätte, an die Öffentlichkeit zu bringen.
Dafür mußte das Litteratentnm des Paters als Vorspann dienen.

Wahrscheinlich ist anch der Staatsnnwalt auf diese Richtung der Anklage
eingegangen. Denn wenn auch in seiner Begründung der Anklage der Satz
vorkommt, es „könne nicht in Frage kommen, daß der Bericht ein geistiges
Werk des Verfassers sei," so wird doch der Antrag auf eine Strafe von
tausend Mark nur verständlich, wenn man annimmt, auch der Staatsanwalt
habe dadurch weniger dem Pater Aurelian wegen Verletzung seiner Schrift¬
stellerrechte, als dein katholischem Klerus wegen Ansplaudernng eines seiner
Geheimnisse eine Sühne verschaffen wollen. Als Strafe für das verletzte
Litterateutum gedacht, wären tausend Mark eine Strafe von einer unsinnige»
Hohe gewesen.

Das Gericht hat nun zwar nicht auf eine Strafe von tausend, wohl aber
auf eine solche von fünfzig Mark erkannt. Da uns die Begründung des Ur¬
teils nicht vorliegt, so können wir nicht wissen, inwieweit dabei die Frage,
ob der bewußte Bericht überhaupt als ein gegen Nachdruck geschütztes „Schrift¬
werk" zu betrachten sei, zur Erörterung gekommen ist. Er scheint fast, als ob
man dies ohne weiteres angenommen habe. Wir würde» diese Frage verneint
und darnach für richtiger gehalten haben, wenn auf Freisprechung erkannt
worden wäre.


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[0103] Gin Ncichdrucksprozes; Beschwörungsformeln zugesetzt wurde) auf der Phantasie des Schreibers be¬ ruht habe, so ändert dies doch nichts an der Natur des Berichtes. Deal der Verfasser hat sicherlich nicht den Bericht als ein Phantasiestück nieder¬ schreiben wollen. Der Bericht ist ein niedergeschriebnes Zeugnis dessen, was der Verfasser erlebt hat oder erlebt zu haben glaubt. Auch in der Verteidigung des angeklagte» Redakteurs klingt es durch, daß er den Bericht ganz in dieser Weise aufgefaßt und nicht daran gedacht hat, durch dessen Abdruck geistiges Eigentum zu entfremden. Er sagte: „Das, was an dem Bericht das geistige Eigentum des Paters Aurelian darstellt, war für uns unbedingt gleichgiltig. Jeder erfahrene Zeituugsmaun konnte auf Grund unsers Materials ein Knlturbild entrollen, das mindestens ebenso nett wäre, wie der Bericht des Kapuziners. Hätten wir nnr den leisesten Verdacht gehabt, daß der Abdruck des Berichts uns in einen Widerspruch mit dem Gesetze bringen könne, so hätten wir die zehn Teufel, die aus dem Knaben Heransgetrieben wurde», selbständig verarbeitet." Wir können dem Verurteilten zum Troste sage», daß, als zuerst verlautete, der Kölnischen Zei¬ tung solle wegen Nachdrucks der Prozeß gemacht werden, selbst gewiegte Ju¬ risten dies bloß für einen Scherz gehalten haben. Offenbar ist auch die Anklage wegen Nachdrucks nicht veranlaßt worden, um dem Schriftsteller Aurelian gerecht zu werden, sondern um die Kölnische Zeitung dafür zu bestrafen, daß sie gewagt hatte, eine Angelegenheit, die die katholische Klerisei lieber für sich behalten hätte, an die Öffentlichkeit zu bringen. Dafür mußte das Litteratentnm des Paters als Vorspann dienen. Wahrscheinlich ist anch der Staatsnnwalt auf diese Richtung der Anklage eingegangen. Denn wenn auch in seiner Begründung der Anklage der Satz vorkommt, es „könne nicht in Frage kommen, daß der Bericht ein geistiges Werk des Verfassers sei," so wird doch der Antrag auf eine Strafe von tausend Mark nur verständlich, wenn man annimmt, auch der Staatsanwalt habe dadurch weniger dem Pater Aurelian wegen Verletzung seiner Schrift¬ stellerrechte, als dein katholischem Klerus wegen Ansplaudernng eines seiner Geheimnisse eine Sühne verschaffen wollen. Als Strafe für das verletzte Litterateutum gedacht, wären tausend Mark eine Strafe von einer unsinnige» Hohe gewesen. Das Gericht hat nun zwar nicht auf eine Strafe von tausend, wohl aber auf eine solche von fünfzig Mark erkannt. Da uns die Begründung des Ur¬ teils nicht vorliegt, so können wir nicht wissen, inwieweit dabei die Frage, ob der bewußte Bericht überhaupt als ein gegen Nachdruck geschütztes „Schrift¬ werk" zu betrachten sei, zur Erörterung gekommen ist. Er scheint fast, als ob man dies ohne weiteres angenommen habe. Wir würde» diese Frage verneint und darnach für richtiger gehalten haben, wenn auf Freisprechung erkannt worden wäre.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791/103>, abgerufen am 12.05.2024.