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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.

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Der gegen waldige! !3laut der Arbeiterwohnung^frage

mung, sie bildet die Grundlage für das Einzelwvhl und das Gemeinwohl.
So schloß Finanzrat a. D. Gußuian", Mitglied des Direktoriums der Firma
Friedrich Krupp in Essen, eine" Bortrag über die Kruppschen Arbeiterwoh-
nungen. Den Anlaß dazu bot die von der Zentralstelle sür Arbeiterwohlfahrts¬
einrichtungen am 25. und M, April 1L92 in Berlin veranstaltete Konferenz,
die sich mit den Arbeiterwohnungen beschäftigte. Die Konferenz, der Ver¬
treter der beteiligten Bereine und Behörden, sowie praktisch bewährte Sach¬
kenner in reichlicher Anzahl beiwohnten, hat sich dieser wichtigen Angelegenheit
mit der Gründlichkeit und Umsicht, die sie verdient, angenommen. Schon
vorher waren vrientirende Borberichte in Druck gegeben und an die Mitglieder
verschickt worden, und die Verhandlungen selbst wurden durch eine reiche Aus¬
stellung von Plänen zu Arbeiterwohnungen wirkungsvoll unterstützt. Daß
die Zentralstelle nunmehr diese Berhandluugeu veröffentlicht^) und dadurch
ihre Ergebnisse weitern Kreisen zugänglich gemacht hat, dafür sind ihr alle,
denen die Wohlfahrt der Arbeiter am Herzen liegt, zu lebhaftem Danke ver¬
pflichtet. Denn wer je über soziale Fragen nachgedacht hat, wird sich der
Wahrnehmung nicht verschließen, daß die Fürsorge sür die Wohnungen der
Arbeiter eine Sache ist, die für Staat und Gemeinde, Familie und Gesell¬
schaft eine ganz außerordentliche Bedeutung hat. Möge es daher gestattet
sein, aus dem reichen Inhalte des stattlichen Bandes einige Gedanken heraus¬
zuheben, die auf allgemeines Interesse Anspruch erheben dürfen.

Man hat von einer Arbeiterwohnungsnvt gesprochen. Dazu ist mau
durchaus berechtigt, sobald man das Wohnungsbedürfnis nicht darum ledig¬
lich befriedigt glaubt, daß überhaupt ein Unterkommen, gleichviel welches,
gefunden ist. Wer die zahlreichen feuchten Kellerräume kennt, die in großen
Städten als Wohnungen vermietet werden, oder an die Wohnungen denkt,
deren Fenster sich nach engen schmutzigen Höfen öffnen, der weiß, wie es in
diesen Räumen um die Gesundheit ihrer Insassen bestellt ist. Und wie ist
es um die Sittlichkeit bestellt? Die amtliche Statistik Berlins hat ergeben,
daß in einem Drittel aller Wohnungen Berlins Übervölkerung herrscht, das
heißt, es finden sich in Stube, Kammer und Küche mehr als sechs Personen.
Eine solche Wohnung kostet in Berlin durchschnittlich jährlich 300 Mark, eine
Miete, die nur ein geringer Bruchteil der Arbeiter erschwingen kann. Die
Folge ist, daß entweder Wohnungen mit weniger, oft nur mit einem Raume
gemietet werden, oder daß der Arbeiter Schlafburschen aufnimmt, damit er
die Wohnung bezahlen kann. Es bedarf keiner Ausmalung, daß hier ein
Krebsschaden vorhanden ist, der an der Sittlichkeit unsers Volkes frißt, auch



Schriften der Zentralstelle für Arbeiterwohlfahrtseinrichtnugen. Ur. 1'. Die Ver¬
besserung der Wohnungen. Vorlierichte und Verhandlungen der Konferenz vom 25. und
26. April 1892, nebst Bericht über die mit ihr verbundn- Ausstellung. Mit 208 Abbild
trugen im Text. Berlin, Karl Heymannö Verlag, 1892.
Der gegen waldige! !3laut der Arbeiterwohnung^frage

mung, sie bildet die Grundlage für das Einzelwvhl und das Gemeinwohl.
So schloß Finanzrat a. D. Gußuian», Mitglied des Direktoriums der Firma
Friedrich Krupp in Essen, eine» Bortrag über die Kruppschen Arbeiterwoh-
nungen. Den Anlaß dazu bot die von der Zentralstelle sür Arbeiterwohlfahrts¬
einrichtungen am 25. und M, April 1L92 in Berlin veranstaltete Konferenz,
die sich mit den Arbeiterwohnungen beschäftigte. Die Konferenz, der Ver¬
treter der beteiligten Bereine und Behörden, sowie praktisch bewährte Sach¬
kenner in reichlicher Anzahl beiwohnten, hat sich dieser wichtigen Angelegenheit
mit der Gründlichkeit und Umsicht, die sie verdient, angenommen. Schon
vorher waren vrientirende Borberichte in Druck gegeben und an die Mitglieder
verschickt worden, und die Verhandlungen selbst wurden durch eine reiche Aus¬
stellung von Plänen zu Arbeiterwohnungen wirkungsvoll unterstützt. Daß
die Zentralstelle nunmehr diese Berhandluugeu veröffentlicht^) und dadurch
ihre Ergebnisse weitern Kreisen zugänglich gemacht hat, dafür sind ihr alle,
denen die Wohlfahrt der Arbeiter am Herzen liegt, zu lebhaftem Danke ver¬
pflichtet. Denn wer je über soziale Fragen nachgedacht hat, wird sich der
Wahrnehmung nicht verschließen, daß die Fürsorge sür die Wohnungen der
Arbeiter eine Sache ist, die für Staat und Gemeinde, Familie und Gesell¬
schaft eine ganz außerordentliche Bedeutung hat. Möge es daher gestattet
sein, aus dem reichen Inhalte des stattlichen Bandes einige Gedanken heraus¬
zuheben, die auf allgemeines Interesse Anspruch erheben dürfen.

Man hat von einer Arbeiterwohnungsnvt gesprochen. Dazu ist mau
durchaus berechtigt, sobald man das Wohnungsbedürfnis nicht darum ledig¬
lich befriedigt glaubt, daß überhaupt ein Unterkommen, gleichviel welches,
gefunden ist. Wer die zahlreichen feuchten Kellerräume kennt, die in großen
Städten als Wohnungen vermietet werden, oder an die Wohnungen denkt,
deren Fenster sich nach engen schmutzigen Höfen öffnen, der weiß, wie es in
diesen Räumen um die Gesundheit ihrer Insassen bestellt ist. Und wie ist
es um die Sittlichkeit bestellt? Die amtliche Statistik Berlins hat ergeben,
daß in einem Drittel aller Wohnungen Berlins Übervölkerung herrscht, das
heißt, es finden sich in Stube, Kammer und Küche mehr als sechs Personen.
Eine solche Wohnung kostet in Berlin durchschnittlich jährlich 300 Mark, eine
Miete, die nur ein geringer Bruchteil der Arbeiter erschwingen kann. Die
Folge ist, daß entweder Wohnungen mit weniger, oft nur mit einem Raume
gemietet werden, oder daß der Arbeiter Schlafburschen aufnimmt, damit er
die Wohnung bezahlen kann. Es bedarf keiner Ausmalung, daß hier ein
Krebsschaden vorhanden ist, der an der Sittlichkeit unsers Volkes frißt, auch



Schriften der Zentralstelle für Arbeiterwohlfahrtseinrichtnugen. Ur. 1'. Die Ver¬
besserung der Wohnungen. Vorlierichte und Verhandlungen der Konferenz vom 25. und
26. April 1892, nebst Bericht über die mit ihr verbundn- Ausstellung. Mit 208 Abbild
trugen im Text. Berlin, Karl Heymannö Verlag, 1892.
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[0121] Der gegen waldige! !3laut der Arbeiterwohnung^frage mung, sie bildet die Grundlage für das Einzelwvhl und das Gemeinwohl. So schloß Finanzrat a. D. Gußuian», Mitglied des Direktoriums der Firma Friedrich Krupp in Essen, eine» Bortrag über die Kruppschen Arbeiterwoh- nungen. Den Anlaß dazu bot die von der Zentralstelle sür Arbeiterwohlfahrts¬ einrichtungen am 25. und M, April 1L92 in Berlin veranstaltete Konferenz, die sich mit den Arbeiterwohnungen beschäftigte. Die Konferenz, der Ver¬ treter der beteiligten Bereine und Behörden, sowie praktisch bewährte Sach¬ kenner in reichlicher Anzahl beiwohnten, hat sich dieser wichtigen Angelegenheit mit der Gründlichkeit und Umsicht, die sie verdient, angenommen. Schon vorher waren vrientirende Borberichte in Druck gegeben und an die Mitglieder verschickt worden, und die Verhandlungen selbst wurden durch eine reiche Aus¬ stellung von Plänen zu Arbeiterwohnungen wirkungsvoll unterstützt. Daß die Zentralstelle nunmehr diese Berhandluugeu veröffentlicht^) und dadurch ihre Ergebnisse weitern Kreisen zugänglich gemacht hat, dafür sind ihr alle, denen die Wohlfahrt der Arbeiter am Herzen liegt, zu lebhaftem Danke ver¬ pflichtet. Denn wer je über soziale Fragen nachgedacht hat, wird sich der Wahrnehmung nicht verschließen, daß die Fürsorge sür die Wohnungen der Arbeiter eine Sache ist, die für Staat und Gemeinde, Familie und Gesell¬ schaft eine ganz außerordentliche Bedeutung hat. Möge es daher gestattet sein, aus dem reichen Inhalte des stattlichen Bandes einige Gedanken heraus¬ zuheben, die auf allgemeines Interesse Anspruch erheben dürfen. Man hat von einer Arbeiterwohnungsnvt gesprochen. Dazu ist mau durchaus berechtigt, sobald man das Wohnungsbedürfnis nicht darum ledig¬ lich befriedigt glaubt, daß überhaupt ein Unterkommen, gleichviel welches, gefunden ist. Wer die zahlreichen feuchten Kellerräume kennt, die in großen Städten als Wohnungen vermietet werden, oder an die Wohnungen denkt, deren Fenster sich nach engen schmutzigen Höfen öffnen, der weiß, wie es in diesen Räumen um die Gesundheit ihrer Insassen bestellt ist. Und wie ist es um die Sittlichkeit bestellt? Die amtliche Statistik Berlins hat ergeben, daß in einem Drittel aller Wohnungen Berlins Übervölkerung herrscht, das heißt, es finden sich in Stube, Kammer und Küche mehr als sechs Personen. Eine solche Wohnung kostet in Berlin durchschnittlich jährlich 300 Mark, eine Miete, die nur ein geringer Bruchteil der Arbeiter erschwingen kann. Die Folge ist, daß entweder Wohnungen mit weniger, oft nur mit einem Raume gemietet werden, oder daß der Arbeiter Schlafburschen aufnimmt, damit er die Wohnung bezahlen kann. Es bedarf keiner Ausmalung, daß hier ein Krebsschaden vorhanden ist, der an der Sittlichkeit unsers Volkes frißt, auch Schriften der Zentralstelle für Arbeiterwohlfahrtseinrichtnugen. Ur. 1'. Die Ver¬ besserung der Wohnungen. Vorlierichte und Verhandlungen der Konferenz vom 25. und 26. April 1892, nebst Bericht über die mit ihr verbundn- Ausstellung. Mit 208 Abbild trugen im Text. Berlin, Karl Heymannö Verlag, 1892.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791/121>, abgerufen am 13.05.2024.