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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.

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Der gegenwärtige 5laut der Arbeiterwohnungsfrage

Chr. Nußbaum, der dein Werke der Zentralstelle beigegeben ist, höchst lehr¬
reich. Hier werden wir auf alles aufmerksam gemacht, was beim Hausbau
vom gesundheitlichen Standpunkte aus berücksichtigt werden muß. Seine
gründlichen und maßvollen Erwägungen lassen von neuem erkennen, wie be¬
dauerlich es ist, aus finanziellen Gründen auf das Einfamilienhans verzichten
zu müssen. Weniger kostspielig wären schon Vierfamilienhäuser, und sie würden
manche sozialen Bedenken verstummen machen, wenn, wie in der Kolonie Lein¬
hausen, für jede Familie ein besondrer Hauseingang geschaffen würde. Aber
auch sie sind noch durchweg zu teuer und erfordern große Zuschüsse Vonseiten
der Arbeitgeber oder haben, wenn gemeinnützige Baugesellschaften die Bauenden
sind, deu Erwerb von Kapitalien zu sehr niedrigem Zinsfuß zur Voraus¬
setzung.

Wenn nun, in großen Städten wenigstens, mit Mietkasernen auf umfang¬
reichen Baublöckcn gerechnet werden muß, welche Aussichten bietet die Abhand¬
lung Nußbaums für die Beseitigung der Übelstände, die wir bei Mietkasernen
anzutreffen gewohnt sind, und die uns mit Bedenken gegen derartige Woh¬
nungseinrichtungen erfüllen? Er glaubt dies, von andern nützlichen Winken,
die er giebt, abgesehen, in Aussicht stellen zu können, wenn man das freie
Blockinnere gärtnerisch ausschmückt. "Hierdurch wird nicht nur die Luft
reiner und staubfreier gehalten, den Wohnungen Sonnenlicht und Sonnen¬
wärme in reichlicher Menge Angeführt, sondern auch ein vor Wind wie vor
dem Staub und Lärm der Straßen geschützter Raum geschaffen, worin die
Bewohner des Blocks Ruhe und Erholung finden, die Kinder ungestört ar¬
beiten und spielen können, ohne Gefahren (durch den Straßenverkehr u. dergl.)
ausgesetzt zu sein. Das ganze häusliche Leben des Städters würde durch
solche Anlagen angenehmer, behaglicher, gesunder gestaltet, und besonders dem
Thun und Treiben der Kinder ein Reiz geboten werden, den es heute in
Großstädten durchgehend entbehrt. Schönere, freudigere Bilder würde das
junge Gemüt aufnehmen, der Leib würde frischer erblühen und das Geistes¬
leben bessere Früchte zeitigen, als es dies heute vermag, wo graue Wände den
Blick hemmen, die Phantasie ohne Nahrung bleibt, der Körper ohne Sonnen¬
licht und Sonnenwärme in staubiger Straßen- oder dumpfer Stubenluft heran¬
wächst, Erholung uur außerhalb des Hauses zu finden ist. Dauernden Be¬
stand können derartige Anlagen nur dann haben, wenn entweder das ganze
Innere der Blöcke (bis auf kleine, abgegrenzte Plätze für häusliche Arbeiten
u. dergl.) Allgemeingut der Blockbewohuer bleibt, oder doch statutenmäßig
die Bebauung mit Ruck- oder Quergebäuden, Werkstätten oder Stallungen
u. dergl. verhindert wird. Dagegen muß das Errichten von Terrassen,
Lauben, Veranden, Altären u. dergl. nicht nur erlaubt sein, sondern möglichst
gefördert werden, da sie den Reiz der ganzen Anlage erhöhen, die Wohnungen
behaglicher machen. Ein vorzügliches Beispiel dieser Art bildet die Block-


Der gegenwärtige 5laut der Arbeiterwohnungsfrage

Chr. Nußbaum, der dein Werke der Zentralstelle beigegeben ist, höchst lehr¬
reich. Hier werden wir auf alles aufmerksam gemacht, was beim Hausbau
vom gesundheitlichen Standpunkte aus berücksichtigt werden muß. Seine
gründlichen und maßvollen Erwägungen lassen von neuem erkennen, wie be¬
dauerlich es ist, aus finanziellen Gründen auf das Einfamilienhans verzichten
zu müssen. Weniger kostspielig wären schon Vierfamilienhäuser, und sie würden
manche sozialen Bedenken verstummen machen, wenn, wie in der Kolonie Lein¬
hausen, für jede Familie ein besondrer Hauseingang geschaffen würde. Aber
auch sie sind noch durchweg zu teuer und erfordern große Zuschüsse Vonseiten
der Arbeitgeber oder haben, wenn gemeinnützige Baugesellschaften die Bauenden
sind, deu Erwerb von Kapitalien zu sehr niedrigem Zinsfuß zur Voraus¬
setzung.

Wenn nun, in großen Städten wenigstens, mit Mietkasernen auf umfang¬
reichen Baublöckcn gerechnet werden muß, welche Aussichten bietet die Abhand¬
lung Nußbaums für die Beseitigung der Übelstände, die wir bei Mietkasernen
anzutreffen gewohnt sind, und die uns mit Bedenken gegen derartige Woh¬
nungseinrichtungen erfüllen? Er glaubt dies, von andern nützlichen Winken,
die er giebt, abgesehen, in Aussicht stellen zu können, wenn man das freie
Blockinnere gärtnerisch ausschmückt. „Hierdurch wird nicht nur die Luft
reiner und staubfreier gehalten, den Wohnungen Sonnenlicht und Sonnen¬
wärme in reichlicher Menge Angeführt, sondern auch ein vor Wind wie vor
dem Staub und Lärm der Straßen geschützter Raum geschaffen, worin die
Bewohner des Blocks Ruhe und Erholung finden, die Kinder ungestört ar¬
beiten und spielen können, ohne Gefahren (durch den Straßenverkehr u. dergl.)
ausgesetzt zu sein. Das ganze häusliche Leben des Städters würde durch
solche Anlagen angenehmer, behaglicher, gesunder gestaltet, und besonders dem
Thun und Treiben der Kinder ein Reiz geboten werden, den es heute in
Großstädten durchgehend entbehrt. Schönere, freudigere Bilder würde das
junge Gemüt aufnehmen, der Leib würde frischer erblühen und das Geistes¬
leben bessere Früchte zeitigen, als es dies heute vermag, wo graue Wände den
Blick hemmen, die Phantasie ohne Nahrung bleibt, der Körper ohne Sonnen¬
licht und Sonnenwärme in staubiger Straßen- oder dumpfer Stubenluft heran¬
wächst, Erholung uur außerhalb des Hauses zu finden ist. Dauernden Be¬
stand können derartige Anlagen nur dann haben, wenn entweder das ganze
Innere der Blöcke (bis auf kleine, abgegrenzte Plätze für häusliche Arbeiten
u. dergl.) Allgemeingut der Blockbewohuer bleibt, oder doch statutenmäßig
die Bebauung mit Ruck- oder Quergebäuden, Werkstätten oder Stallungen
u. dergl. verhindert wird. Dagegen muß das Errichten von Terrassen,
Lauben, Veranden, Altären u. dergl. nicht nur erlaubt sein, sondern möglichst
gefördert werden, da sie den Reiz der ganzen Anlage erhöhen, die Wohnungen
behaglicher machen. Ein vorzügliches Beispiel dieser Art bildet die Block-


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[0125] Der gegenwärtige 5laut der Arbeiterwohnungsfrage Chr. Nußbaum, der dein Werke der Zentralstelle beigegeben ist, höchst lehr¬ reich. Hier werden wir auf alles aufmerksam gemacht, was beim Hausbau vom gesundheitlichen Standpunkte aus berücksichtigt werden muß. Seine gründlichen und maßvollen Erwägungen lassen von neuem erkennen, wie be¬ dauerlich es ist, aus finanziellen Gründen auf das Einfamilienhans verzichten zu müssen. Weniger kostspielig wären schon Vierfamilienhäuser, und sie würden manche sozialen Bedenken verstummen machen, wenn, wie in der Kolonie Lein¬ hausen, für jede Familie ein besondrer Hauseingang geschaffen würde. Aber auch sie sind noch durchweg zu teuer und erfordern große Zuschüsse Vonseiten der Arbeitgeber oder haben, wenn gemeinnützige Baugesellschaften die Bauenden sind, deu Erwerb von Kapitalien zu sehr niedrigem Zinsfuß zur Voraus¬ setzung. Wenn nun, in großen Städten wenigstens, mit Mietkasernen auf umfang¬ reichen Baublöckcn gerechnet werden muß, welche Aussichten bietet die Abhand¬ lung Nußbaums für die Beseitigung der Übelstände, die wir bei Mietkasernen anzutreffen gewohnt sind, und die uns mit Bedenken gegen derartige Woh¬ nungseinrichtungen erfüllen? Er glaubt dies, von andern nützlichen Winken, die er giebt, abgesehen, in Aussicht stellen zu können, wenn man das freie Blockinnere gärtnerisch ausschmückt. „Hierdurch wird nicht nur die Luft reiner und staubfreier gehalten, den Wohnungen Sonnenlicht und Sonnen¬ wärme in reichlicher Menge Angeführt, sondern auch ein vor Wind wie vor dem Staub und Lärm der Straßen geschützter Raum geschaffen, worin die Bewohner des Blocks Ruhe und Erholung finden, die Kinder ungestört ar¬ beiten und spielen können, ohne Gefahren (durch den Straßenverkehr u. dergl.) ausgesetzt zu sein. Das ganze häusliche Leben des Städters würde durch solche Anlagen angenehmer, behaglicher, gesunder gestaltet, und besonders dem Thun und Treiben der Kinder ein Reiz geboten werden, den es heute in Großstädten durchgehend entbehrt. Schönere, freudigere Bilder würde das junge Gemüt aufnehmen, der Leib würde frischer erblühen und das Geistes¬ leben bessere Früchte zeitigen, als es dies heute vermag, wo graue Wände den Blick hemmen, die Phantasie ohne Nahrung bleibt, der Körper ohne Sonnen¬ licht und Sonnenwärme in staubiger Straßen- oder dumpfer Stubenluft heran¬ wächst, Erholung uur außerhalb des Hauses zu finden ist. Dauernden Be¬ stand können derartige Anlagen nur dann haben, wenn entweder das ganze Innere der Blöcke (bis auf kleine, abgegrenzte Plätze für häusliche Arbeiten u. dergl.) Allgemeingut der Blockbewohuer bleibt, oder doch statutenmäßig die Bebauung mit Ruck- oder Quergebäuden, Werkstätten oder Stallungen u. dergl. verhindert wird. Dagegen muß das Errichten von Terrassen, Lauben, Veranden, Altären u. dergl. nicht nur erlaubt sein, sondern möglichst gefördert werden, da sie den Reiz der ganzen Anlage erhöhen, die Wohnungen behaglicher machen. Ein vorzügliches Beispiel dieser Art bildet die Block-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791/125>, abgerufen am 28.05.2024.