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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.

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vierte wird uns jenen Zustand erkämpft haben, den in England das Haus
Oranien bedeutete. Und wahrlich, so lange kann ich warten. So lange soll
deutsches Volkstum in dem Leben, das ich vererbe, lebendig bleiben. Oder
wie? Was die deutschen Bauern Pennsylvnniens in tiefster Bewußtlosigkeit
gewußt haben: deutsches Leben ein Jahrhundert lang festzuhalten, so festzu¬
halten, daß heute noch ganze Gemeinden von ihnen kein englisches Wort ver¬
stehen, das sollte ich mit dem begeisterten Bewußtsein deutscher Art und Bil¬
dung weniger weittragend zu überliefern vermögen? Ich fürchte es uicht. Nein,
ich werde ausdauern, Deutscher im Aankeetum, und der Sturz, den ich diesem
Mischvolke bevorstehen sehe, kann mich so wenig bekümmern, als uns das Los
einer Ziege kümmert, die einen Jupiter großgesäugt hat. Wir werden in den
Bürgerkriegen der Union nicht zu Grunde gehen. Deutschland wird seine
Flotte schicken und seine deutsche Provinz Pennsylvanien sich zu schützen wissen.
Was sage ich : Pennsylvanien? Ganz Nordamerika wird deutsch werden, denn
unsre Einwanderung stützt sich dann auf ein mächtiges Mutterland, sowie sich
Nankee-englisch ans Altengland stützte. Aber was sage ich: ganz Nordamerika?
Die ganze Welt wird deutsch werden, denn mit Deutschlands Aufgang wird
England untergehen, wie Holland vor England unterging, und sämtliche eng¬
lische Kolonien werden dann dem Deutschen zufallen, wie die Franzosen in
Kanada, die Spanier in Florida, die Holländer auf dem Kap und die Portu¬
giesen in Indien den Engländern gewichen sind. Die Wachtposten der Kultur
werden auf dein ganzen Erdenrund abgelöst und mit deutscher Mannschaft be¬
zogen werden. Deutschland erwacht, und kein Volk der Welt behauptet seineu
alten Rang, denn alle leben vom deutschen Schlafe und verderben mit deutschem
Auferstehen."

So läßt Kürnberger den deutschen Schulmeister Venthal zu seinem Freunde
Mvorfeld lLenau) reden. Daß aber Moorfeld kein andrer als Leimn ist, das
geht rin unzweifelhafter Gewißheit aus folgendem hervor.

Abgesehen von der Namenableitung (Mvorfeld von Strelenau) bekennt
sich der reisende Dichter und Tourist zu seinem Vaterlande Ungarn und führt
einen Länderschwindler an der Börse, der sich für einen ungarischen Lnnds-
mann nusgiebt und ihn beschwatze" will, dadurch aufs Glatteis, daß er als
Geburtsort S^iros-Polak im Banat angiebt, worauf der andre, der in Ujehely
geboren und sein Nachbar sein will, natürlich entlarvt ist, denn Sil,roh-Polak
liegt ebenso wenig im Banat, wie Halle an der Saale im Württembergischen.

Ferner sind die im "Amerikamüden" vorkommenden Gelcgenheits- und
Stimmungsgedichte so ganz lenauisch, daß sich in einzelnen Strophen sogar
Gedanken Lenaus nachweisen lassen, wie z. B. die Schlußstrophe der amerika¬
nischen Sonntagsbetrachtung:


Der Dichter liebt ein Volk, das kühn
Religionen überleb^

vierte wird uns jenen Zustand erkämpft haben, den in England das Haus
Oranien bedeutete. Und wahrlich, so lange kann ich warten. So lange soll
deutsches Volkstum in dem Leben, das ich vererbe, lebendig bleiben. Oder
wie? Was die deutschen Bauern Pennsylvnniens in tiefster Bewußtlosigkeit
gewußt haben: deutsches Leben ein Jahrhundert lang festzuhalten, so festzu¬
halten, daß heute noch ganze Gemeinden von ihnen kein englisches Wort ver¬
stehen, das sollte ich mit dem begeisterten Bewußtsein deutscher Art und Bil¬
dung weniger weittragend zu überliefern vermögen? Ich fürchte es uicht. Nein,
ich werde ausdauern, Deutscher im Aankeetum, und der Sturz, den ich diesem
Mischvolke bevorstehen sehe, kann mich so wenig bekümmern, als uns das Los
einer Ziege kümmert, die einen Jupiter großgesäugt hat. Wir werden in den
Bürgerkriegen der Union nicht zu Grunde gehen. Deutschland wird seine
Flotte schicken und seine deutsche Provinz Pennsylvanien sich zu schützen wissen.
Was sage ich : Pennsylvanien? Ganz Nordamerika wird deutsch werden, denn
unsre Einwanderung stützt sich dann auf ein mächtiges Mutterland, sowie sich
Nankee-englisch ans Altengland stützte. Aber was sage ich: ganz Nordamerika?
Die ganze Welt wird deutsch werden, denn mit Deutschlands Aufgang wird
England untergehen, wie Holland vor England unterging, und sämtliche eng¬
lische Kolonien werden dann dem Deutschen zufallen, wie die Franzosen in
Kanada, die Spanier in Florida, die Holländer auf dem Kap und die Portu¬
giesen in Indien den Engländern gewichen sind. Die Wachtposten der Kultur
werden auf dein ganzen Erdenrund abgelöst und mit deutscher Mannschaft be¬
zogen werden. Deutschland erwacht, und kein Volk der Welt behauptet seineu
alten Rang, denn alle leben vom deutschen Schlafe und verderben mit deutschem
Auferstehen."

So läßt Kürnberger den deutschen Schulmeister Venthal zu seinem Freunde
Mvorfeld lLenau) reden. Daß aber Moorfeld kein andrer als Leimn ist, das
geht rin unzweifelhafter Gewißheit aus folgendem hervor.

Abgesehen von der Namenableitung (Mvorfeld von Strelenau) bekennt
sich der reisende Dichter und Tourist zu seinem Vaterlande Ungarn und führt
einen Länderschwindler an der Börse, der sich für einen ungarischen Lnnds-
mann nusgiebt und ihn beschwatze« will, dadurch aufs Glatteis, daß er als
Geburtsort S^iros-Polak im Banat angiebt, worauf der andre, der in Ujehely
geboren und sein Nachbar sein will, natürlich entlarvt ist, denn Sil,roh-Polak
liegt ebenso wenig im Banat, wie Halle an der Saale im Württembergischen.

Ferner sind die im „Amerikamüden" vorkommenden Gelcgenheits- und
Stimmungsgedichte so ganz lenauisch, daß sich in einzelnen Strophen sogar
Gedanken Lenaus nachweisen lassen, wie z. B. die Schlußstrophe der amerika¬
nischen Sonntagsbetrachtung:


Der Dichter liebt ein Volk, das kühn
Religionen überleb^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791/151>, abgerufen am 06.06.2024.