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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.

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Zwei Dichter

jubiläum Erwin Blumenstocks feierlichst einzuladen, und hoffen, daß die hehre
Muse den großen Dichter zu ehren unsre Bitte erfüllen werde. Außerordentlich
freuen würden wir uns, wenn auch Sie, gnädiges Fräulein, bei dieser Ge¬
legenheit unsre Stadt mit Ihrem Besuche beehren wollten.

Erwin Blumenstock? fragte Psyche kopfschüttelnd, den Namen kennen
wir hier nicht. Übrigens kann ich aufs bestimmteste versichern, daß meine
Herrin gerade in Jxingen in der nächsten Zeit an einem Feste nicht teilnehmen
würde, da eben in dieser Stadt einer ihrer Lieblinge gestorben ist, um den ihr
Herz von tiefer Trauer erfüllt ist.

Wie, mein Fräulein, Sie kennen Blumenstock nicht? -- Blumenstock!
den großen Dichter, dessen ausgewählte Werke in dreißig Bänden alle Gebiete
des dichterischen Schaffens umfassen? -- Blumenstock! der gleich bedeutend
ist als Dramatiker, wie als Lyriker und Romaneier? -- In Jxingen soll
ein Dichter gestorben sein? Wir haben doch heute morgen Telegramme von
dort erhalten, da hätten wir doch gewiß auch Nachricht bekommen! -- Nein,
mein Fräulein, was Sie uns mitteilen, beruht gewiß auf einem Irrtum oder
auf einer Verwechslung. -- In Jxingen ein Dichter gestorben -- Blumen¬
stock der Muse unbekannt -- es ist nicht möglich!

So schwirrten eine Weile die Rufe der drei Herren durch einander,
während ihre Gesichter deutlich ihre Verblüffung über das eben vernommene
wiederspiegelten.

Lächelnd wartete Psyche, bis sich der Lärm gelegt und die Herren sich
von ihrem Erstaunen etwas erholt hatten. Dann sagte sie: Ich habe mich
keineswegs geirrt. Der Name Blumenstock ist meiner Herrin sicher ebenso
unbekannt, wie er es mir bis vor wenigen Minnen gewesen ist. Zu Ihrem
Troste aber kann ich hinzufügen, daß es nicht das erstemal ist, daß auf Erden
ein Mann als Dichter oder als Künstler gefeiert wird, von dem die Muse
nicht das geringste weiß. Ihr Menschen urteilt nach dem Erfolge, wir Himm¬
lischen aber nach dem innern Wert. Auch was ich sonst gesagt habe, ist richtig:
in Jxingen ist ein Dichter gestorben, um dessen Tod meine Herrin tief klagt.
Sein Name dürfte freilich den Verehrern Blumenstocks kaum geläufig sein.

Nun? Er lautet? fragte der Litteraturprofessor Dr. Zwirnspinner, etwas
gekränkt darüber, daß seine litterarische Allwissenheit überhaupt in Zweifel
gezogen werden konnte.

Josef Meier, entgegnete Psyche.

Josef Meier, wiederholten enttäuscht alle drei -- welch prosaischer
Name!

Professor Zwirnspinuer holte aus den Tiefen seiner Frackschöße rasch sein
Vademecum des modernen Schrifttums: Kürschners Litteraturkalender hervor
und stellte mit Befriedigung fest, daß ein Josef Meier zu Jxingen unter den
in dem Buche verzeichneten sechzehntausend Rittern von, Geiste nicht zu finden


Grenzboten I 1893 24
Zwei Dichter

jubiläum Erwin Blumenstocks feierlichst einzuladen, und hoffen, daß die hehre
Muse den großen Dichter zu ehren unsre Bitte erfüllen werde. Außerordentlich
freuen würden wir uns, wenn auch Sie, gnädiges Fräulein, bei dieser Ge¬
legenheit unsre Stadt mit Ihrem Besuche beehren wollten.

Erwin Blumenstock? fragte Psyche kopfschüttelnd, den Namen kennen
wir hier nicht. Übrigens kann ich aufs bestimmteste versichern, daß meine
Herrin gerade in Jxingen in der nächsten Zeit an einem Feste nicht teilnehmen
würde, da eben in dieser Stadt einer ihrer Lieblinge gestorben ist, um den ihr
Herz von tiefer Trauer erfüllt ist.

Wie, mein Fräulein, Sie kennen Blumenstock nicht? — Blumenstock!
den großen Dichter, dessen ausgewählte Werke in dreißig Bänden alle Gebiete
des dichterischen Schaffens umfassen? — Blumenstock! der gleich bedeutend
ist als Dramatiker, wie als Lyriker und Romaneier? — In Jxingen soll
ein Dichter gestorben sein? Wir haben doch heute morgen Telegramme von
dort erhalten, da hätten wir doch gewiß auch Nachricht bekommen! — Nein,
mein Fräulein, was Sie uns mitteilen, beruht gewiß auf einem Irrtum oder
auf einer Verwechslung. — In Jxingen ein Dichter gestorben — Blumen¬
stock der Muse unbekannt — es ist nicht möglich!

So schwirrten eine Weile die Rufe der drei Herren durch einander,
während ihre Gesichter deutlich ihre Verblüffung über das eben vernommene
wiederspiegelten.

Lächelnd wartete Psyche, bis sich der Lärm gelegt und die Herren sich
von ihrem Erstaunen etwas erholt hatten. Dann sagte sie: Ich habe mich
keineswegs geirrt. Der Name Blumenstock ist meiner Herrin sicher ebenso
unbekannt, wie er es mir bis vor wenigen Minnen gewesen ist. Zu Ihrem
Troste aber kann ich hinzufügen, daß es nicht das erstemal ist, daß auf Erden
ein Mann als Dichter oder als Künstler gefeiert wird, von dem die Muse
nicht das geringste weiß. Ihr Menschen urteilt nach dem Erfolge, wir Himm¬
lischen aber nach dem innern Wert. Auch was ich sonst gesagt habe, ist richtig:
in Jxingen ist ein Dichter gestorben, um dessen Tod meine Herrin tief klagt.
Sein Name dürfte freilich den Verehrern Blumenstocks kaum geläufig sein.

Nun? Er lautet? fragte der Litteraturprofessor Dr. Zwirnspinner, etwas
gekränkt darüber, daß seine litterarische Allwissenheit überhaupt in Zweifel
gezogen werden konnte.

Josef Meier, entgegnete Psyche.

Josef Meier, wiederholten enttäuscht alle drei — welch prosaischer
Name!

Professor Zwirnspinuer holte aus den Tiefen seiner Frackschöße rasch sein
Vademecum des modernen Schrifttums: Kürschners Litteraturkalender hervor
und stellte mit Befriedigung fest, daß ein Josef Meier zu Jxingen unter den
in dem Buche verzeichneten sechzehntausend Rittern von, Geiste nicht zu finden


Grenzboten I 1893 24
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[0195] Zwei Dichter jubiläum Erwin Blumenstocks feierlichst einzuladen, und hoffen, daß die hehre Muse den großen Dichter zu ehren unsre Bitte erfüllen werde. Außerordentlich freuen würden wir uns, wenn auch Sie, gnädiges Fräulein, bei dieser Ge¬ legenheit unsre Stadt mit Ihrem Besuche beehren wollten. Erwin Blumenstock? fragte Psyche kopfschüttelnd, den Namen kennen wir hier nicht. Übrigens kann ich aufs bestimmteste versichern, daß meine Herrin gerade in Jxingen in der nächsten Zeit an einem Feste nicht teilnehmen würde, da eben in dieser Stadt einer ihrer Lieblinge gestorben ist, um den ihr Herz von tiefer Trauer erfüllt ist. Wie, mein Fräulein, Sie kennen Blumenstock nicht? — Blumenstock! den großen Dichter, dessen ausgewählte Werke in dreißig Bänden alle Gebiete des dichterischen Schaffens umfassen? — Blumenstock! der gleich bedeutend ist als Dramatiker, wie als Lyriker und Romaneier? — In Jxingen soll ein Dichter gestorben sein? Wir haben doch heute morgen Telegramme von dort erhalten, da hätten wir doch gewiß auch Nachricht bekommen! — Nein, mein Fräulein, was Sie uns mitteilen, beruht gewiß auf einem Irrtum oder auf einer Verwechslung. — In Jxingen ein Dichter gestorben — Blumen¬ stock der Muse unbekannt — es ist nicht möglich! So schwirrten eine Weile die Rufe der drei Herren durch einander, während ihre Gesichter deutlich ihre Verblüffung über das eben vernommene wiederspiegelten. Lächelnd wartete Psyche, bis sich der Lärm gelegt und die Herren sich von ihrem Erstaunen etwas erholt hatten. Dann sagte sie: Ich habe mich keineswegs geirrt. Der Name Blumenstock ist meiner Herrin sicher ebenso unbekannt, wie er es mir bis vor wenigen Minnen gewesen ist. Zu Ihrem Troste aber kann ich hinzufügen, daß es nicht das erstemal ist, daß auf Erden ein Mann als Dichter oder als Künstler gefeiert wird, von dem die Muse nicht das geringste weiß. Ihr Menschen urteilt nach dem Erfolge, wir Himm¬ lischen aber nach dem innern Wert. Auch was ich sonst gesagt habe, ist richtig: in Jxingen ist ein Dichter gestorben, um dessen Tod meine Herrin tief klagt. Sein Name dürfte freilich den Verehrern Blumenstocks kaum geläufig sein. Nun? Er lautet? fragte der Litteraturprofessor Dr. Zwirnspinner, etwas gekränkt darüber, daß seine litterarische Allwissenheit überhaupt in Zweifel gezogen werden konnte. Josef Meier, entgegnete Psyche. Josef Meier, wiederholten enttäuscht alle drei — welch prosaischer Name! Professor Zwirnspinuer holte aus den Tiefen seiner Frackschöße rasch sein Vademecum des modernen Schrifttums: Kürschners Litteraturkalender hervor und stellte mit Befriedigung fest, daß ein Josef Meier zu Jxingen unter den in dem Buche verzeichneten sechzehntausend Rittern von, Geiste nicht zu finden Grenzboten I 1893 24

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791/195>, abgerufen am 23.05.2024.