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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.

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rechtlichen Teil lediglich der Bankier getroffen. Welche Gefahr aber für diesen
ans einer so allgemeinen Fassung wie der obigen erwachsen würde, braucht
nicht gesagt zu werden. Nicht nur, daß er unschuldigerweise für die gemeine
Handlungsweise feiner Agenten zu büßen Hütte, er würde auch genötigt sein,
bei jedem der ihm von seinen Agenten ausgegebnen .Kunden die genauesten Er¬
kundigungen über seine wirtschaftliche Lage, über die Folgen eines etwaigen
Verlustes u. f. w. einzuziehen.

Es ist zu hoffen, daß durch eine vernünftigere Form der richtige Ge¬
danke, der in der erwähnten Vorschrift liegt, auch zur richtigen Entwicklung
kommei? werde. Aber selbst dann wäre die Aufgabe der Gesetzgebung nicht er¬
füllt. Der weitere Weg wird sich nur finden lassen, wenn man die Ursachen,
die gerade auf diesem Gebiete der Vermittlungsthätigkeit solche Ausartungen
gezüchtet haben, näher ins Auge faßt. Und welche sind diese?

Die Hauptursache liegt ohne Zweifel darin, daß der Agent bei der Ver¬
mittlung seiner Geschäfte in der Regel nicht im geringsten Gefahr läuft, da
nur die wenigsten Kommissionshäuser von ihren Agenten eine Bürgschaft für
Zahlungsfähigkeit der von ihnen herangeschleppten Kunden verlangen. Dagegen
erhält der Agent etwa ein Viertel oder ein Drittel der berechneten Provision,
nachdem das Geschäft ordnungsmäßig durch Zahlung von der eiuen oder der
andern Seite geregelt worden ist, und zwar auch bei solchen Geschäften, bei
denen sein Haus durch das Anstelluugsrisito vielleicht Hunderte und Tausende
eingebüßt hat. Der Agent läuft also, auch bei deu wagehalsigsten Spekula¬
tionen, niemals Gefahr, einen Verlust zu erleiden. Im Gegenteil, je gewagter
die von ihm eingeleitete Spekulation ist, desto größer sind die dabei in Frage
kommenden Umsätze, desto höher also die ihm in Aussicht stehende Provision.
Das einzige, was der Agent riskirt, ist, daß er, wenn die Regulirung nicht
erfolgt, ohne Provision ausgehen kann. Die Kommissionssirma glaubt ge¬
nügende Sicherheit zu haben, wenn sie bei einem Auskunftsbureau aufragt,
in welcher Höhe der von dem Agenten aufgegebne neue Kunde "gut" sei, und
ihm dann in dieser Höhe Spekulatiouskredit einräumt. Sie vergißt dabei,
mit der Findigkeit des ehrenwerten Agenten zu rechnen, der, nachdem der
Kunde bei dem einen Hause mit seinem "volle" Quantum belegt" ist, ihn nun
einfach einem weitern Hause aufgiebt.

Einzelne .Kommissionshüuser beginnen denn auch schon, in der richtigen
Einsicht, daß das schrankenlose Treiben der Agenten in erster Linie dem Kom¬
missionshandel selbst Abbruch thut, den Agenten ein, wenn auch mir beschränktes,
Risiko für die von ihnen vermittelten Geschäfte aufzuerlegen. Sie treten da¬
durch allerdings in der Konkurrenz sehr zurück, aber während der Umfang ab¬
nimmt, erhöht sich die Güte der Spekulativ", sodaß die schließliche Wirkung
keineswegs so empfindlich ist, wie es den Anschein haben könnte. Der Privat¬
mann aber steht nach wie vor schutzlos da. Hier können wir die Abhilfe nicht


rechtlichen Teil lediglich der Bankier getroffen. Welche Gefahr aber für diesen
ans einer so allgemeinen Fassung wie der obigen erwachsen würde, braucht
nicht gesagt zu werden. Nicht nur, daß er unschuldigerweise für die gemeine
Handlungsweise feiner Agenten zu büßen Hütte, er würde auch genötigt sein,
bei jedem der ihm von seinen Agenten ausgegebnen .Kunden die genauesten Er¬
kundigungen über seine wirtschaftliche Lage, über die Folgen eines etwaigen
Verlustes u. f. w. einzuziehen.

Es ist zu hoffen, daß durch eine vernünftigere Form der richtige Ge¬
danke, der in der erwähnten Vorschrift liegt, auch zur richtigen Entwicklung
kommei? werde. Aber selbst dann wäre die Aufgabe der Gesetzgebung nicht er¬
füllt. Der weitere Weg wird sich nur finden lassen, wenn man die Ursachen,
die gerade auf diesem Gebiete der Vermittlungsthätigkeit solche Ausartungen
gezüchtet haben, näher ins Auge faßt. Und welche sind diese?

Die Hauptursache liegt ohne Zweifel darin, daß der Agent bei der Ver¬
mittlung seiner Geschäfte in der Regel nicht im geringsten Gefahr läuft, da
nur die wenigsten Kommissionshäuser von ihren Agenten eine Bürgschaft für
Zahlungsfähigkeit der von ihnen herangeschleppten Kunden verlangen. Dagegen
erhält der Agent etwa ein Viertel oder ein Drittel der berechneten Provision,
nachdem das Geschäft ordnungsmäßig durch Zahlung von der eiuen oder der
andern Seite geregelt worden ist, und zwar auch bei solchen Geschäften, bei
denen sein Haus durch das Anstelluugsrisito vielleicht Hunderte und Tausende
eingebüßt hat. Der Agent läuft also, auch bei deu wagehalsigsten Spekula¬
tionen, niemals Gefahr, einen Verlust zu erleiden. Im Gegenteil, je gewagter
die von ihm eingeleitete Spekulation ist, desto größer sind die dabei in Frage
kommenden Umsätze, desto höher also die ihm in Aussicht stehende Provision.
Das einzige, was der Agent riskirt, ist, daß er, wenn die Regulirung nicht
erfolgt, ohne Provision ausgehen kann. Die Kommissionssirma glaubt ge¬
nügende Sicherheit zu haben, wenn sie bei einem Auskunftsbureau aufragt,
in welcher Höhe der von dem Agenten aufgegebne neue Kunde „gut" sei, und
ihm dann in dieser Höhe Spekulatiouskredit einräumt. Sie vergißt dabei,
mit der Findigkeit des ehrenwerten Agenten zu rechnen, der, nachdem der
Kunde bei dem einen Hause mit seinem „volle» Quantum belegt" ist, ihn nun
einfach einem weitern Hause aufgiebt.

Einzelne .Kommissionshüuser beginnen denn auch schon, in der richtigen
Einsicht, daß das schrankenlose Treiben der Agenten in erster Linie dem Kom¬
missionshandel selbst Abbruch thut, den Agenten ein, wenn auch mir beschränktes,
Risiko für die von ihnen vermittelten Geschäfte aufzuerlegen. Sie treten da¬
durch allerdings in der Konkurrenz sehr zurück, aber während der Umfang ab¬
nimmt, erhöht sich die Güte der Spekulativ», sodaß die schließliche Wirkung
keineswegs so empfindlich ist, wie es den Anschein haben könnte. Der Privat¬
mann aber steht nach wie vor schutzlos da. Hier können wir die Abhilfe nicht


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791/222>, abgerufen am 11.05.2024.