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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

scheinende Freie Wort, unparteiische Besprechung und Nachrichten über Ereignisse
und Zustände in der Gegenwart, "will in den wirrenvvllen kirchlichen und sozialen
Kämpfen der Gegenwart die Anschauungen und Überzeugungen der unabhängigen,
positiv gläubigen Mitglieder der kirchlichen, sowie der bürgerlichen Gemeinschaft in
weitern Kreisen zur Geltung bringen" und außerdem "vor allem dem Laienstnnde
die ihm nach Gottes Ordnung in der christlichen Gemeinschaft zukommende Stel¬
lung zurückerobern." Das klingt sehr schön, aber da die übrigens sehr hübschen
und erbaulichen Artikel der vorliegenden Nummer 14, die den neuen Jahrgang
beginnt, ebenso gut in jedem andern Kirchenblntt stehn könnten, so bleibt uns der
besondre Zweck dieses neuen unklar. Wie es scheint, sollen der Pastorenschaft und
der Theologie ihre Sünden vorgerückt werden, was aber doch auch schon ander¬
wärts zur Genüge geschieht. -- Endlich die Ethische Kultur des Herrn Pro¬
fessor von Gizheli! Auf ethisch reimt sich ästhetisch und Theetisch. Für die rauhe
Luft des öffentlichen Lebens dürfte dieses in der Professorenretorte gebraute Pflänz-
lein zu zart sein, aber am Theetisch ästhetischer Damen, die gern in edeln Ge¬
fühlen schwelgen -- Frau Baronin Bertha von Suttner gehört natürlich zu den
Mitarbeitern --, wird es Wohl eine Zeit lang fortgepäppelt werden.

Nun, da nur mit der pflichtschuldigen Anzeige der uns übersandten Zeit¬
schriften fertig sind, bemerken wir erst, daß ihre Reihenfolge ein Bild der modernen
Entwicklung ergiebt: vom gesunden und natürlichen Landleben über die Industrie
und die Gelehrsamkeit hinweg zur Verschrobenheit einer künstlichen Existenz einer¬
seits, und andrerseits ins Elend. Das Elend ist diesmal zum Glück nicht ver¬
treten, denn eine neue sozinldemokratische Zeitschrift haben wir nicht anzuzeigen.






Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr, Wilh, Gruuow in Leipzig -- Druck von Carl Marqunrt in Leipzig
Maßgebliches und Unmaßgebliches

scheinende Freie Wort, unparteiische Besprechung und Nachrichten über Ereignisse
und Zustände in der Gegenwart, „will in den wirrenvvllen kirchlichen und sozialen
Kämpfen der Gegenwart die Anschauungen und Überzeugungen der unabhängigen,
positiv gläubigen Mitglieder der kirchlichen, sowie der bürgerlichen Gemeinschaft in
weitern Kreisen zur Geltung bringen" und außerdem „vor allem dem Laienstnnde
die ihm nach Gottes Ordnung in der christlichen Gemeinschaft zukommende Stel¬
lung zurückerobern." Das klingt sehr schön, aber da die übrigens sehr hübschen
und erbaulichen Artikel der vorliegenden Nummer 14, die den neuen Jahrgang
beginnt, ebenso gut in jedem andern Kirchenblntt stehn könnten, so bleibt uns der
besondre Zweck dieses neuen unklar. Wie es scheint, sollen der Pastorenschaft und
der Theologie ihre Sünden vorgerückt werden, was aber doch auch schon ander¬
wärts zur Genüge geschieht. — Endlich die Ethische Kultur des Herrn Pro¬
fessor von Gizheli! Auf ethisch reimt sich ästhetisch und Theetisch. Für die rauhe
Luft des öffentlichen Lebens dürfte dieses in der Professorenretorte gebraute Pflänz-
lein zu zart sein, aber am Theetisch ästhetischer Damen, die gern in edeln Ge¬
fühlen schwelgen — Frau Baronin Bertha von Suttner gehört natürlich zu den
Mitarbeitern —, wird es Wohl eine Zeit lang fortgepäppelt werden.

Nun, da nur mit der pflichtschuldigen Anzeige der uns übersandten Zeit¬
schriften fertig sind, bemerken wir erst, daß ihre Reihenfolge ein Bild der modernen
Entwicklung ergiebt: vom gesunden und natürlichen Landleben über die Industrie
und die Gelehrsamkeit hinweg zur Verschrobenheit einer künstlichen Existenz einer¬
seits, und andrerseits ins Elend. Das Elend ist diesmal zum Glück nicht ver¬
treten, denn eine neue sozinldemokratische Zeitschrift haben wir nicht anzuzeigen.






Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr, Wilh, Gruuow in Leipzig — Druck von Carl Marqunrt in Leipzig
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[0266] Maßgebliches und Unmaßgebliches scheinende Freie Wort, unparteiische Besprechung und Nachrichten über Ereignisse und Zustände in der Gegenwart, „will in den wirrenvvllen kirchlichen und sozialen Kämpfen der Gegenwart die Anschauungen und Überzeugungen der unabhängigen, positiv gläubigen Mitglieder der kirchlichen, sowie der bürgerlichen Gemeinschaft in weitern Kreisen zur Geltung bringen" und außerdem „vor allem dem Laienstnnde die ihm nach Gottes Ordnung in der christlichen Gemeinschaft zukommende Stel¬ lung zurückerobern." Das klingt sehr schön, aber da die übrigens sehr hübschen und erbaulichen Artikel der vorliegenden Nummer 14, die den neuen Jahrgang beginnt, ebenso gut in jedem andern Kirchenblntt stehn könnten, so bleibt uns der besondre Zweck dieses neuen unklar. Wie es scheint, sollen der Pastorenschaft und der Theologie ihre Sünden vorgerückt werden, was aber doch auch schon ander¬ wärts zur Genüge geschieht. — Endlich die Ethische Kultur des Herrn Pro¬ fessor von Gizheli! Auf ethisch reimt sich ästhetisch und Theetisch. Für die rauhe Luft des öffentlichen Lebens dürfte dieses in der Professorenretorte gebraute Pflänz- lein zu zart sein, aber am Theetisch ästhetischer Damen, die gern in edeln Ge¬ fühlen schwelgen — Frau Baronin Bertha von Suttner gehört natürlich zu den Mitarbeitern —, wird es Wohl eine Zeit lang fortgepäppelt werden. Nun, da nur mit der pflichtschuldigen Anzeige der uns übersandten Zeit¬ schriften fertig sind, bemerken wir erst, daß ihre Reihenfolge ein Bild der modernen Entwicklung ergiebt: vom gesunden und natürlichen Landleben über die Industrie und die Gelehrsamkeit hinweg zur Verschrobenheit einer künstlichen Existenz einer¬ seits, und andrerseits ins Elend. Das Elend ist diesmal zum Glück nicht ver¬ treten, denn eine neue sozinldemokratische Zeitschrift haben wir nicht anzuzeigen. Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig Verlag von Fr, Wilh, Gruuow in Leipzig — Druck von Carl Marqunrt in Leipzig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791/266>, abgerufen am 09.05.2024.