Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Heinrich Heine und die Kleinen von den Seinen

ermöglichen. Aber Heine die Reverenz versagen, der mit Rothschild und Sir
Moses Montefiore zu den großen Propheten gehört, das ist "eine Schmach
für alles, was der deutsche Genius einst ruhmvoll hervorgebracht hat," das
"heftet dem deutschen Volke einen unaustilgbaren Makel an," das ist "Ent¬
artung" u. s. f. Denn Heine ist "der berühmteste Sohn Düsseldorfs." Armer
Peter Cornelius! Aber es geschieht dir ganz Recht, weshalb mußtest du von
Ariern abstammen? Heine "wurde im Exil von der Sehnsucht nach der deutschen
Heimat verzehrt." Merkwürdig, in das "Exil" war er freiwillig gegangen,
weil ihm, wie so vielen Juden, nur in Paris wohl war, und als er zu Anfang
der vierziger Jahre Deutschland die Ehre eines Besuches erwies, legte ihm
keiner etwas in den Weg; er hätte also seine Sehnsucht recht gut befriedigen
können.

Wir kennen den Wortlaut des Beschlusses der Düsseldorfer Stadtverord¬
neten nicht, wissen nicht, ob überhaupt das Judentum Heines als Grund an¬
gegeben worden ist, ob man keinen Platz hatte für den Juden oder für den
Juden. Sollte das letztere der Fall sein, so könnte kein Deutscher dagegen
etwas einwenden. Denn die Zeit ist glücklicherweise vorüber, wo es die
Deutschen kitzelte, wenn der Pensionär des Königs der Franzosen alles Deutsche
schmähte, und sie es demütig hinnahmen, daß der "Heitere" aus Palästina
sie Nazarener und Menschenkehricht schimpfte. Wenn es den Juden unan¬
genehm ist, daß man Heine als charakterlosen, verlotterten Menschen kennt, so
mögen sie dafür weniger "die Pamphlete eines Julian Schmidt und eines
Treitschke mit ihren elenden Argumenten" verantwortlich machen, als seine
Stammesgenossen und Bewunderer, die alle seine Briefe, jeden Papierfetzen
aus feinem Nachlaß ans Licht gezogen haben. So frech er war, er hätte
sich wohl gehütet, alle die Bekenntnisse einer unsaubern Seele zu ver¬
öffentlichen.

Daß Heine der talentvollste von den in deutscher Sprache dichtenden Juden
ist, kann unbedingt zugegeben werden, aber weiter braucht man nicht zu gehen.
Sollte jedem Dichter, der einmal der Liebling seiner Zeit war, ein Standbild
errichtet werden, wo wollte man den Platz dazu hernehmen? Auch Hölty ist
vergessen und war mehr als er, wenn er auch keinen Witz hatte. Die Juden
halten allerdings Heines Schriften für unsterbliche Werke. "Schafft sie fort,
wenn ihr könnt, aus dem nationalen Geistesschatze des deutschen Volkes, die
Lieder Heines, die Reisebilder, das Wintermärchen und den Atta Troll, ver¬
schüttet, wenn ihr könnt, die Melodien, zu welchen die besten deutschen Ton¬
setzer durch Heines Verse begeistert worden sind, entfernt aus der deutschen
Sprache die leuchtenden Spuren, welche in derselben (!) die Prosa Heinrich
Heines hinterlassen hat!" Darauf ist zu antworten, daß die meisten dieser
Forderungen zu spät kommen. Denn wer kümmert sich noch um die Mehr¬
zahl der genannten 'Erzeugnisse? Was die Lyrik anlangt, hat Xcmthippus


Grenzboten I 1893 S0
Heinrich Heine und die Kleinen von den Seinen

ermöglichen. Aber Heine die Reverenz versagen, der mit Rothschild und Sir
Moses Montefiore zu den großen Propheten gehört, das ist „eine Schmach
für alles, was der deutsche Genius einst ruhmvoll hervorgebracht hat," das
„heftet dem deutschen Volke einen unaustilgbaren Makel an," das ist „Ent¬
artung" u. s. f. Denn Heine ist „der berühmteste Sohn Düsseldorfs." Armer
Peter Cornelius! Aber es geschieht dir ganz Recht, weshalb mußtest du von
Ariern abstammen? Heine „wurde im Exil von der Sehnsucht nach der deutschen
Heimat verzehrt." Merkwürdig, in das „Exil" war er freiwillig gegangen,
weil ihm, wie so vielen Juden, nur in Paris wohl war, und als er zu Anfang
der vierziger Jahre Deutschland die Ehre eines Besuches erwies, legte ihm
keiner etwas in den Weg; er hätte also seine Sehnsucht recht gut befriedigen
können.

Wir kennen den Wortlaut des Beschlusses der Düsseldorfer Stadtverord¬
neten nicht, wissen nicht, ob überhaupt das Judentum Heines als Grund an¬
gegeben worden ist, ob man keinen Platz hatte für den Juden oder für den
Juden. Sollte das letztere der Fall sein, so könnte kein Deutscher dagegen
etwas einwenden. Denn die Zeit ist glücklicherweise vorüber, wo es die
Deutschen kitzelte, wenn der Pensionär des Königs der Franzosen alles Deutsche
schmähte, und sie es demütig hinnahmen, daß der „Heitere" aus Palästina
sie Nazarener und Menschenkehricht schimpfte. Wenn es den Juden unan¬
genehm ist, daß man Heine als charakterlosen, verlotterten Menschen kennt, so
mögen sie dafür weniger „die Pamphlete eines Julian Schmidt und eines
Treitschke mit ihren elenden Argumenten" verantwortlich machen, als seine
Stammesgenossen und Bewunderer, die alle seine Briefe, jeden Papierfetzen
aus feinem Nachlaß ans Licht gezogen haben. So frech er war, er hätte
sich wohl gehütet, alle die Bekenntnisse einer unsaubern Seele zu ver¬
öffentlichen.

Daß Heine der talentvollste von den in deutscher Sprache dichtenden Juden
ist, kann unbedingt zugegeben werden, aber weiter braucht man nicht zu gehen.
Sollte jedem Dichter, der einmal der Liebling seiner Zeit war, ein Standbild
errichtet werden, wo wollte man den Platz dazu hernehmen? Auch Hölty ist
vergessen und war mehr als er, wenn er auch keinen Witz hatte. Die Juden
halten allerdings Heines Schriften für unsterbliche Werke. „Schafft sie fort,
wenn ihr könnt, aus dem nationalen Geistesschatze des deutschen Volkes, die
Lieder Heines, die Reisebilder, das Wintermärchen und den Atta Troll, ver¬
schüttet, wenn ihr könnt, die Melodien, zu welchen die besten deutschen Ton¬
setzer durch Heines Verse begeistert worden sind, entfernt aus der deutschen
Sprache die leuchtenden Spuren, welche in derselben (!) die Prosa Heinrich
Heines hinterlassen hat!" Darauf ist zu antworten, daß die meisten dieser
Forderungen zu spät kommen. Denn wer kümmert sich noch um die Mehr¬
zahl der genannten 'Erzeugnisse? Was die Lyrik anlangt, hat Xcmthippus


Grenzboten I 1893 S0
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0403" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/214195"/>
          <fw type="header" place="top"> Heinrich Heine und die Kleinen von den Seinen</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1338" prev="#ID_1337"> ermöglichen. Aber Heine die Reverenz versagen, der mit Rothschild und Sir<lb/>
Moses Montefiore zu den großen Propheten gehört, das ist &#x201E;eine Schmach<lb/>
für alles, was der deutsche Genius einst ruhmvoll hervorgebracht hat," das<lb/>
&#x201E;heftet dem deutschen Volke einen unaustilgbaren Makel an," das ist &#x201E;Ent¬<lb/>
artung" u. s. f. Denn Heine ist &#x201E;der berühmteste Sohn Düsseldorfs." Armer<lb/>
Peter Cornelius! Aber es geschieht dir ganz Recht, weshalb mußtest du von<lb/>
Ariern abstammen? Heine &#x201E;wurde im Exil von der Sehnsucht nach der deutschen<lb/>
Heimat verzehrt." Merkwürdig, in das &#x201E;Exil" war er freiwillig gegangen,<lb/>
weil ihm, wie so vielen Juden, nur in Paris wohl war, und als er zu Anfang<lb/>
der vierziger Jahre Deutschland die Ehre eines Besuches erwies, legte ihm<lb/>
keiner etwas in den Weg; er hätte also seine Sehnsucht recht gut befriedigen<lb/>
können.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1339"> Wir kennen den Wortlaut des Beschlusses der Düsseldorfer Stadtverord¬<lb/>
neten nicht, wissen nicht, ob überhaupt das Judentum Heines als Grund an¬<lb/>
gegeben worden ist, ob man keinen Platz hatte für den Juden oder für den<lb/>
Juden. Sollte das letztere der Fall sein, so könnte kein Deutscher dagegen<lb/>
etwas einwenden. Denn die Zeit ist glücklicherweise vorüber, wo es die<lb/>
Deutschen kitzelte, wenn der Pensionär des Königs der Franzosen alles Deutsche<lb/>
schmähte, und sie es demütig hinnahmen, daß der &#x201E;Heitere" aus Palästina<lb/>
sie Nazarener und Menschenkehricht schimpfte. Wenn es den Juden unan¬<lb/>
genehm ist, daß man Heine als charakterlosen, verlotterten Menschen kennt, so<lb/>
mögen sie dafür weniger &#x201E;die Pamphlete eines Julian Schmidt und eines<lb/>
Treitschke mit ihren elenden Argumenten" verantwortlich machen, als seine<lb/>
Stammesgenossen und Bewunderer, die alle seine Briefe, jeden Papierfetzen<lb/>
aus feinem Nachlaß ans Licht gezogen haben. So frech er war, er hätte<lb/>
sich wohl gehütet, alle die Bekenntnisse einer unsaubern Seele zu ver¬<lb/>
öffentlichen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1340" next="#ID_1341"> Daß Heine der talentvollste von den in deutscher Sprache dichtenden Juden<lb/>
ist, kann unbedingt zugegeben werden, aber weiter braucht man nicht zu gehen.<lb/>
Sollte jedem Dichter, der einmal der Liebling seiner Zeit war, ein Standbild<lb/>
errichtet werden, wo wollte man den Platz dazu hernehmen? Auch Hölty ist<lb/>
vergessen und war mehr als er, wenn er auch keinen Witz hatte. Die Juden<lb/>
halten allerdings Heines Schriften für unsterbliche Werke. &#x201E;Schafft sie fort,<lb/>
wenn ihr könnt, aus dem nationalen Geistesschatze des deutschen Volkes, die<lb/>
Lieder Heines, die Reisebilder, das Wintermärchen und den Atta Troll, ver¬<lb/>
schüttet, wenn ihr könnt, die Melodien, zu welchen die besten deutschen Ton¬<lb/>
setzer durch Heines Verse begeistert worden sind, entfernt aus der deutschen<lb/>
Sprache die leuchtenden Spuren, welche in derselben (!) die Prosa Heinrich<lb/>
Heines hinterlassen hat!" Darauf ist zu antworten, daß die meisten dieser<lb/>
Forderungen zu spät kommen. Denn wer kümmert sich noch um die Mehr¬<lb/>
zahl der genannten 'Erzeugnisse? Was die Lyrik anlangt, hat Xcmthippus</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten I 1893 S0</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0403] Heinrich Heine und die Kleinen von den Seinen ermöglichen. Aber Heine die Reverenz versagen, der mit Rothschild und Sir Moses Montefiore zu den großen Propheten gehört, das ist „eine Schmach für alles, was der deutsche Genius einst ruhmvoll hervorgebracht hat," das „heftet dem deutschen Volke einen unaustilgbaren Makel an," das ist „Ent¬ artung" u. s. f. Denn Heine ist „der berühmteste Sohn Düsseldorfs." Armer Peter Cornelius! Aber es geschieht dir ganz Recht, weshalb mußtest du von Ariern abstammen? Heine „wurde im Exil von der Sehnsucht nach der deutschen Heimat verzehrt." Merkwürdig, in das „Exil" war er freiwillig gegangen, weil ihm, wie so vielen Juden, nur in Paris wohl war, und als er zu Anfang der vierziger Jahre Deutschland die Ehre eines Besuches erwies, legte ihm keiner etwas in den Weg; er hätte also seine Sehnsucht recht gut befriedigen können. Wir kennen den Wortlaut des Beschlusses der Düsseldorfer Stadtverord¬ neten nicht, wissen nicht, ob überhaupt das Judentum Heines als Grund an¬ gegeben worden ist, ob man keinen Platz hatte für den Juden oder für den Juden. Sollte das letztere der Fall sein, so könnte kein Deutscher dagegen etwas einwenden. Denn die Zeit ist glücklicherweise vorüber, wo es die Deutschen kitzelte, wenn der Pensionär des Königs der Franzosen alles Deutsche schmähte, und sie es demütig hinnahmen, daß der „Heitere" aus Palästina sie Nazarener und Menschenkehricht schimpfte. Wenn es den Juden unan¬ genehm ist, daß man Heine als charakterlosen, verlotterten Menschen kennt, so mögen sie dafür weniger „die Pamphlete eines Julian Schmidt und eines Treitschke mit ihren elenden Argumenten" verantwortlich machen, als seine Stammesgenossen und Bewunderer, die alle seine Briefe, jeden Papierfetzen aus feinem Nachlaß ans Licht gezogen haben. So frech er war, er hätte sich wohl gehütet, alle die Bekenntnisse einer unsaubern Seele zu ver¬ öffentlichen. Daß Heine der talentvollste von den in deutscher Sprache dichtenden Juden ist, kann unbedingt zugegeben werden, aber weiter braucht man nicht zu gehen. Sollte jedem Dichter, der einmal der Liebling seiner Zeit war, ein Standbild errichtet werden, wo wollte man den Platz dazu hernehmen? Auch Hölty ist vergessen und war mehr als er, wenn er auch keinen Witz hatte. Die Juden halten allerdings Heines Schriften für unsterbliche Werke. „Schafft sie fort, wenn ihr könnt, aus dem nationalen Geistesschatze des deutschen Volkes, die Lieder Heines, die Reisebilder, das Wintermärchen und den Atta Troll, ver¬ schüttet, wenn ihr könnt, die Melodien, zu welchen die besten deutschen Ton¬ setzer durch Heines Verse begeistert worden sind, entfernt aus der deutschen Sprache die leuchtenden Spuren, welche in derselben (!) die Prosa Heinrich Heines hinterlassen hat!" Darauf ist zu antworten, daß die meisten dieser Forderungen zu spät kommen. Denn wer kümmert sich noch um die Mehr¬ zahl der genannten 'Erzeugnisse? Was die Lyrik anlangt, hat Xcmthippus Grenzboten I 1893 S0

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791/403
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791/403>, abgerufen am 11.05.2024.