Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Soldat und Schulmeister

Schule unterrichtet, in den Klassen Quinta bis Prima; und als Soldaten-
pastor vollends galt es Soldat zu sein, gegenüber dem Soldaten hoch an Rang
und Stellung nicht minder, als dem Unteroffizier und dem gemeinen Soldaten
gegenüber. Vielleicht ist es mir darum erlaubt, in einer Sache mitzusprechen,
die aus mancherlei unten näher bezeichneten Gründen der eingehenden Erörterung
durchaus wert ist.

Soldat und Schulmeister haben sehr viele Berührungspunkte. Ja in
manchen Punkten wird es schwierig sein, zu sagen, wo der eine aufhört utid
der andre anfängt. Man darf natürlich ihre Aufgaben nicht zu eng fassen.
Der Soldat in seiner Stellung als Vorgesetzter soll doch nicht bloß ein ge¬
wisses Maß von Fertigkeiten in die Truppe hineinarbeiten, sondern er soll
sie für Leben und Dulden und Kämpfen erziehen. Und der Schulmeister soll
doch nicht bloß eine gewisse Menge von Kenntnissen in die Köpfe bringen,
sondern er soll für das Leben und seine Arbeiten und Kämpfe erziehen. Darin
liegt das Gemeinsame von beiden. Wenn ein Schulmeister, der seine Klasse
von sechzig Jungen in bester Ordnung hat, unsre Achtung in hohem Maße
verdient, sollen wir sie etwa dem Hauptmann, der hundertundfunfzig Männer
im Alter von zwanzig bis fünfundzwanzig Jahren ebenfalls in guter Zucht
und Ordnung hält, nicht auch zu teil werden lassen? Wenn vorher der Schul¬
meister seine Pflicht gethan hat, so merkt das der Hauptmann, und stehen
die Schützenlinien des Offiziers im feindlichen Feuer, ohne zu wanken, so ist
das auch mit ein Verdienst des Schulmeisters, der den Geist der Vaterlands¬
liebe, des Gehorsams und der Pflichttreue seinen Jungen einzupflanzen gewußt
hat. Wo davon der Hauptmann gar nichts in den Rekruten vorfindet, da
sieht es traurig aus um seine Kompagnie; er steht vor einer unerfüllbaren
Aufgabe. Diese einfache Erwägung legte dem Fürsten Bismarck die berühmte
Äußerung in den Mund: Der preußische Schulmeister war es, der die Schlacht
bei Königgrätz gewonnen hat, ein Wort, das unheilvoll gewirkt hat, weil es
nicht richtig verstanden wurde. Auf der einen Seite schien es den Ruhm denen
zu nehmen, die ihn mit ihrem Blut erkämpft, auf der andern Seite schien es
ihn denen zu geben, die ihn nicht verdient hatten; dort regte sich Unzufrieden¬
heit, hier Dünkel, eins so schlimm wie das andre. So wahr das Wort ist,
vielleicht wäre es besser im Busen tief begraben geblieben. Sollte doch alles
vermieden werden, was irgend dazu beiträgt, zwei so wichtige Stunde wie
den des Soldaten und des Lehrers gegen einander einzunehmen.

Was ist vor dem Ausland unser größter Ruhm? Die Tüchtigkeit unsers
Heeres und unsrer Schule, die Schärfe unsrer Waffen, wie sie Soldaten und
Männer der Wissenschaft führen; und die Männer der Wissenschaft sind zum
größten Teile Schulmeister, da zu ihnen im weitern Sinne eben auch die Pro¬
fessoren gehören, die vor der akademischen Jugend lehren. Zum Ruhme dieser
Männer, einschließlich -- es sei das noch besonders gesagt! -- der Bolksschnllehrer


Soldat und Schulmeister

Schule unterrichtet, in den Klassen Quinta bis Prima; und als Soldaten-
pastor vollends galt es Soldat zu sein, gegenüber dem Soldaten hoch an Rang
und Stellung nicht minder, als dem Unteroffizier und dem gemeinen Soldaten
gegenüber. Vielleicht ist es mir darum erlaubt, in einer Sache mitzusprechen,
die aus mancherlei unten näher bezeichneten Gründen der eingehenden Erörterung
durchaus wert ist.

Soldat und Schulmeister haben sehr viele Berührungspunkte. Ja in
manchen Punkten wird es schwierig sein, zu sagen, wo der eine aufhört utid
der andre anfängt. Man darf natürlich ihre Aufgaben nicht zu eng fassen.
Der Soldat in seiner Stellung als Vorgesetzter soll doch nicht bloß ein ge¬
wisses Maß von Fertigkeiten in die Truppe hineinarbeiten, sondern er soll
sie für Leben und Dulden und Kämpfen erziehen. Und der Schulmeister soll
doch nicht bloß eine gewisse Menge von Kenntnissen in die Köpfe bringen,
sondern er soll für das Leben und seine Arbeiten und Kämpfe erziehen. Darin
liegt das Gemeinsame von beiden. Wenn ein Schulmeister, der seine Klasse
von sechzig Jungen in bester Ordnung hat, unsre Achtung in hohem Maße
verdient, sollen wir sie etwa dem Hauptmann, der hundertundfunfzig Männer
im Alter von zwanzig bis fünfundzwanzig Jahren ebenfalls in guter Zucht
und Ordnung hält, nicht auch zu teil werden lassen? Wenn vorher der Schul¬
meister seine Pflicht gethan hat, so merkt das der Hauptmann, und stehen
die Schützenlinien des Offiziers im feindlichen Feuer, ohne zu wanken, so ist
das auch mit ein Verdienst des Schulmeisters, der den Geist der Vaterlands¬
liebe, des Gehorsams und der Pflichttreue seinen Jungen einzupflanzen gewußt
hat. Wo davon der Hauptmann gar nichts in den Rekruten vorfindet, da
sieht es traurig aus um seine Kompagnie; er steht vor einer unerfüllbaren
Aufgabe. Diese einfache Erwägung legte dem Fürsten Bismarck die berühmte
Äußerung in den Mund: Der preußische Schulmeister war es, der die Schlacht
bei Königgrätz gewonnen hat, ein Wort, das unheilvoll gewirkt hat, weil es
nicht richtig verstanden wurde. Auf der einen Seite schien es den Ruhm denen
zu nehmen, die ihn mit ihrem Blut erkämpft, auf der andern Seite schien es
ihn denen zu geben, die ihn nicht verdient hatten; dort regte sich Unzufrieden¬
heit, hier Dünkel, eins so schlimm wie das andre. So wahr das Wort ist,
vielleicht wäre es besser im Busen tief begraben geblieben. Sollte doch alles
vermieden werden, was irgend dazu beiträgt, zwei so wichtige Stunde wie
den des Soldaten und des Lehrers gegen einander einzunehmen.

Was ist vor dem Ausland unser größter Ruhm? Die Tüchtigkeit unsers
Heeres und unsrer Schule, die Schärfe unsrer Waffen, wie sie Soldaten und
Männer der Wissenschaft führen; und die Männer der Wissenschaft sind zum
größten Teile Schulmeister, da zu ihnen im weitern Sinne eben auch die Pro¬
fessoren gehören, die vor der akademischen Jugend lehren. Zum Ruhme dieser
Männer, einschließlich — es sei das noch besonders gesagt! — der Bolksschnllehrer


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0420" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/214212"/>
          <fw type="header" place="top"> Soldat und Schulmeister</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1394" prev="#ID_1393"> Schule unterrichtet, in den Klassen Quinta bis Prima; und als Soldaten-<lb/>
pastor vollends galt es Soldat zu sein, gegenüber dem Soldaten hoch an Rang<lb/>
und Stellung nicht minder, als dem Unteroffizier und dem gemeinen Soldaten<lb/>
gegenüber. Vielleicht ist es mir darum erlaubt, in einer Sache mitzusprechen,<lb/>
die aus mancherlei unten näher bezeichneten Gründen der eingehenden Erörterung<lb/>
durchaus wert ist.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1395"> Soldat und Schulmeister haben sehr viele Berührungspunkte. Ja in<lb/>
manchen Punkten wird es schwierig sein, zu sagen, wo der eine aufhört utid<lb/>
der andre anfängt. Man darf natürlich ihre Aufgaben nicht zu eng fassen.<lb/>
Der Soldat in seiner Stellung als Vorgesetzter soll doch nicht bloß ein ge¬<lb/>
wisses Maß von Fertigkeiten in die Truppe hineinarbeiten, sondern er soll<lb/>
sie für Leben und Dulden und Kämpfen erziehen. Und der Schulmeister soll<lb/>
doch nicht bloß eine gewisse Menge von Kenntnissen in die Köpfe bringen,<lb/>
sondern er soll für das Leben und seine Arbeiten und Kämpfe erziehen. Darin<lb/>
liegt das Gemeinsame von beiden. Wenn ein Schulmeister, der seine Klasse<lb/>
von sechzig Jungen in bester Ordnung hat, unsre Achtung in hohem Maße<lb/>
verdient, sollen wir sie etwa dem Hauptmann, der hundertundfunfzig Männer<lb/>
im Alter von zwanzig bis fünfundzwanzig Jahren ebenfalls in guter Zucht<lb/>
und Ordnung hält, nicht auch zu teil werden lassen? Wenn vorher der Schul¬<lb/>
meister seine Pflicht gethan hat, so merkt das der Hauptmann, und stehen<lb/>
die Schützenlinien des Offiziers im feindlichen Feuer, ohne zu wanken, so ist<lb/>
das auch mit ein Verdienst des Schulmeisters, der den Geist der Vaterlands¬<lb/>
liebe, des Gehorsams und der Pflichttreue seinen Jungen einzupflanzen gewußt<lb/>
hat. Wo davon der Hauptmann gar nichts in den Rekruten vorfindet, da<lb/>
sieht es traurig aus um seine Kompagnie; er steht vor einer unerfüllbaren<lb/>
Aufgabe. Diese einfache Erwägung legte dem Fürsten Bismarck die berühmte<lb/>
Äußerung in den Mund: Der preußische Schulmeister war es, der die Schlacht<lb/>
bei Königgrätz gewonnen hat, ein Wort, das unheilvoll gewirkt hat, weil es<lb/>
nicht richtig verstanden wurde. Auf der einen Seite schien es den Ruhm denen<lb/>
zu nehmen, die ihn mit ihrem Blut erkämpft, auf der andern Seite schien es<lb/>
ihn denen zu geben, die ihn nicht verdient hatten; dort regte sich Unzufrieden¬<lb/>
heit, hier Dünkel, eins so schlimm wie das andre. So wahr das Wort ist,<lb/>
vielleicht wäre es besser im Busen tief begraben geblieben. Sollte doch alles<lb/>
vermieden werden, was irgend dazu beiträgt, zwei so wichtige Stunde wie<lb/>
den des Soldaten und des Lehrers gegen einander einzunehmen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1396" next="#ID_1397"> Was ist vor dem Ausland unser größter Ruhm? Die Tüchtigkeit unsers<lb/>
Heeres und unsrer Schule, die Schärfe unsrer Waffen, wie sie Soldaten und<lb/>
Männer der Wissenschaft führen; und die Männer der Wissenschaft sind zum<lb/>
größten Teile Schulmeister, da zu ihnen im weitern Sinne eben auch die Pro¬<lb/>
fessoren gehören, die vor der akademischen Jugend lehren. Zum Ruhme dieser<lb/>
Männer, einschließlich &#x2014; es sei das noch besonders gesagt! &#x2014; der Bolksschnllehrer</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0420] Soldat und Schulmeister Schule unterrichtet, in den Klassen Quinta bis Prima; und als Soldaten- pastor vollends galt es Soldat zu sein, gegenüber dem Soldaten hoch an Rang und Stellung nicht minder, als dem Unteroffizier und dem gemeinen Soldaten gegenüber. Vielleicht ist es mir darum erlaubt, in einer Sache mitzusprechen, die aus mancherlei unten näher bezeichneten Gründen der eingehenden Erörterung durchaus wert ist. Soldat und Schulmeister haben sehr viele Berührungspunkte. Ja in manchen Punkten wird es schwierig sein, zu sagen, wo der eine aufhört utid der andre anfängt. Man darf natürlich ihre Aufgaben nicht zu eng fassen. Der Soldat in seiner Stellung als Vorgesetzter soll doch nicht bloß ein ge¬ wisses Maß von Fertigkeiten in die Truppe hineinarbeiten, sondern er soll sie für Leben und Dulden und Kämpfen erziehen. Und der Schulmeister soll doch nicht bloß eine gewisse Menge von Kenntnissen in die Köpfe bringen, sondern er soll für das Leben und seine Arbeiten und Kämpfe erziehen. Darin liegt das Gemeinsame von beiden. Wenn ein Schulmeister, der seine Klasse von sechzig Jungen in bester Ordnung hat, unsre Achtung in hohem Maße verdient, sollen wir sie etwa dem Hauptmann, der hundertundfunfzig Männer im Alter von zwanzig bis fünfundzwanzig Jahren ebenfalls in guter Zucht und Ordnung hält, nicht auch zu teil werden lassen? Wenn vorher der Schul¬ meister seine Pflicht gethan hat, so merkt das der Hauptmann, und stehen die Schützenlinien des Offiziers im feindlichen Feuer, ohne zu wanken, so ist das auch mit ein Verdienst des Schulmeisters, der den Geist der Vaterlands¬ liebe, des Gehorsams und der Pflichttreue seinen Jungen einzupflanzen gewußt hat. Wo davon der Hauptmann gar nichts in den Rekruten vorfindet, da sieht es traurig aus um seine Kompagnie; er steht vor einer unerfüllbaren Aufgabe. Diese einfache Erwägung legte dem Fürsten Bismarck die berühmte Äußerung in den Mund: Der preußische Schulmeister war es, der die Schlacht bei Königgrätz gewonnen hat, ein Wort, das unheilvoll gewirkt hat, weil es nicht richtig verstanden wurde. Auf der einen Seite schien es den Ruhm denen zu nehmen, die ihn mit ihrem Blut erkämpft, auf der andern Seite schien es ihn denen zu geben, die ihn nicht verdient hatten; dort regte sich Unzufrieden¬ heit, hier Dünkel, eins so schlimm wie das andre. So wahr das Wort ist, vielleicht wäre es besser im Busen tief begraben geblieben. Sollte doch alles vermieden werden, was irgend dazu beiträgt, zwei so wichtige Stunde wie den des Soldaten und des Lehrers gegen einander einzunehmen. Was ist vor dem Ausland unser größter Ruhm? Die Tüchtigkeit unsers Heeres und unsrer Schule, die Schärfe unsrer Waffen, wie sie Soldaten und Männer der Wissenschaft führen; und die Männer der Wissenschaft sind zum größten Teile Schulmeister, da zu ihnen im weitern Sinne eben auch die Pro¬ fessoren gehören, die vor der akademischen Jugend lehren. Zum Ruhme dieser Männer, einschließlich — es sei das noch besonders gesagt! — der Bolksschnllehrer

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791/420
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791/420>, abgerufen am 10.05.2024.