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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr.

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garde Antwort erteilt worden, die wir weniger um ihres Inhalts willen, als weil sie eine
ganz hervorragende stilistische "Darbietung" ist, unsern Lesern nicht vorenthalten dürfen. Die
Antwort lautet (nach dem Hamburgischen Korrespondenten vom 19. August): "Der Senat erteilt
ans das Gesuch den Bescheid: Da die thatsächlichen Angaben, welche die Bittsteller zur Be¬
gründung ihres Gesundes vortragen, keineswegs zutreffend sind, insbesondre auch die Anfüh¬
rung, daß die Sterblichkeit der bei der vorjährigen Lholeracpidemie nach der Wasserheil¬
methode behandelten Kranken nur eine günz geringe gewesen sei, mit den in den hiesigen
Krankenhäusern gemachten Erfahrungen nicht übereinstimmt, da übrigens die von den Bitt¬
stellern empfohlene Heilmethode, sofern die betreffenden Fälle sich für dieselben eignen, in den
hiesigen öffentlichen Krankenanstalten jedoch jederzeit Berücksichtigung findet, wogegen aller¬
dings die Errichtung von Abteilungen, in denen alle Kranken nach demselben Verfahren be¬
handelt werden, nicht zulässig erscheint, indem es die Pflicht der vom Staate angestellten Ärzte
ist, die Wiederherstellung der ihnen anvertrauten Kranken mit allen Mitteln der Heilkunde zu
erstreben, daß aus das Gesuch nicht einzugehen sei."




Einem dringenden Bedürfnis hat Johannes Walther, außerordentlicher Professor an der
Universität Jena, in seiner kürzlich erschienenen "Allgemeinen Meereskunde" abgeholfen durch
Erfindung der volapükmttßig anmutenden Wörter Atlantik, Pazifik nud Jndik für das
Atlantische, Stille und Indische Weltmeer, offenbar "eingedeutscht" nach berühmten Mustern ans
dem englischen ^et-alio, ?"plin- und InÄio (?) Ovsan. Auch der Urteil und der Anta rktik
treten bereits ans. Zu wünschen wäre nur, daß auch die gute, liebe alte Ostsee bald als
Bnltik nachfolgte; für die Nordsee empföhle sich vielleicht Nordik oder Germanik.
Wie instit!

Die gerügten Geschmacklosigkeiten sind umsomehr zu bedauern, als die Darstellung in
dem Buche sonst recht hübsch und ansprechend ist.




Die Kölnische Zeitung veröffentlicht in ihrer Morgenausgabe vom 19. August eine Skizze
von Xiarl Prvll: "Heldensterne," die eine reizende Spracherrnngenschast ausweist. "Das
Grün war in den letzten Tagen schon so dicht geworden, daß man sich dahinter verstecken
konnte, und die Erstblüten dufteten süß." Es muß wirklich ein Erstschrislsteller sein,
der die berühmten Erstaufsührnngen dnrch diese sprachliche Letztblüte übertrumpft. Zur
Erst liebe ist jetzt mir noch ein Schritt; hoffentlich kann sich Deutschland auch daran bald
erfreue"!"

Sehr geschmackvoll sind in derselben Skizze auch die "hollunderumbuschten Bosguets.
Die Wortstellung ist ebensalls durchweg "modern"; ausfallen kann daran nnr, daß die Per¬
sonen sogar im alltäglichen Sprechen das Reflexionen hinten aufsitzen lassen. "Kannst du
nicht anderswo im Garten dich herumtreiben?" ist ein wundervolles Beispiel dafür; ebenso
die Rede eines Leutnants: "So, noch einen ordentlichen Kuß unter vier Angen, bevor wir
angesichts der Eltern uns wieder sittsam bezeugen (bezeigen ist gemeint!) müssen." Ein
elfjähriges Kind spricht folgenden Satz: "Das bleibt schließlich eine Belohnung dafür,
daß ich der Anna allerlei geheime Botschaft überbrachte, von der ich nie etwas der Mutter
verriet. Ja, fein hast dn es eingefädelt und mir jetzt das Nachsehen gelassen. Schäme dich,
das thut kein rechter Mann!"

Ja, fein hast du es eingefädelt und der deutschen Sprache das Nachsehen gelassen, Erst-
blütenerzenger! Schäme dich, das thut kein Erstschriftstcller!




Die Sprachverrvhung greift immer weiter um sich. Mit Vorliebe bemächtigt sie sich
jetzt der Apposition. Die Apposition soll bekanntlich -- so haben wir es noch in der Quinta
gelernt -- stets in demselben Kasus stehen wie das Hauptwort, zu dem sie tritt; aber diese
Regel wird schon längst nicht mehr beachtet. Die Deutsche Verlagsanstalt in Stuttgart z. B.,
die sich Union nennt, druckt ans alle ihre Erzeugnisse: "Druck der Union, Deutsche Verlags¬
anstalt in Stuttgart." So ist z. B. zu lesen ans jedem Hefte der "Deutschen Zeitschrift für
Geschichtswissenschaft," deren Herausgeber ans die Sprachdiktatnr der Union keinen Einfluß
zu haben scheint. Man muß wohl auch ans die Hoffnung, daß die Leitung der Union für
Vorstellungen zugänglich sein werde, verzichten. sieht doch die Anstalt in Pcrsonalvcrbindung
mit dem Sprachmvnstrum, genannt: "Verlag der I. G. Cottaschen Buchhandlung Nachfolger"!




Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig -- Druck vou Carl Marquart in Leipzig
Schwarzes Bret

garde Antwort erteilt worden, die wir weniger um ihres Inhalts willen, als weil sie eine
ganz hervorragende stilistische „Darbietung" ist, unsern Lesern nicht vorenthalten dürfen. Die
Antwort lautet (nach dem Hamburgischen Korrespondenten vom 19. August): „Der Senat erteilt
ans das Gesuch den Bescheid: Da die thatsächlichen Angaben, welche die Bittsteller zur Be¬
gründung ihres Gesundes vortragen, keineswegs zutreffend sind, insbesondre auch die Anfüh¬
rung, daß die Sterblichkeit der bei der vorjährigen Lholeracpidemie nach der Wasserheil¬
methode behandelten Kranken nur eine günz geringe gewesen sei, mit den in den hiesigen
Krankenhäusern gemachten Erfahrungen nicht übereinstimmt, da übrigens die von den Bitt¬
stellern empfohlene Heilmethode, sofern die betreffenden Fälle sich für dieselben eignen, in den
hiesigen öffentlichen Krankenanstalten jedoch jederzeit Berücksichtigung findet, wogegen aller¬
dings die Errichtung von Abteilungen, in denen alle Kranken nach demselben Verfahren be¬
handelt werden, nicht zulässig erscheint, indem es die Pflicht der vom Staate angestellten Ärzte
ist, die Wiederherstellung der ihnen anvertrauten Kranken mit allen Mitteln der Heilkunde zu
erstreben, daß aus das Gesuch nicht einzugehen sei."




Einem dringenden Bedürfnis hat Johannes Walther, außerordentlicher Professor an der
Universität Jena, in seiner kürzlich erschienenen „Allgemeinen Meereskunde" abgeholfen durch
Erfindung der volapükmttßig anmutenden Wörter Atlantik, Pazifik nud Jndik für das
Atlantische, Stille und Indische Weltmeer, offenbar „eingedeutscht" nach berühmten Mustern ans
dem englischen ^et-alio, ?»plin- und InÄio (?) Ovsan. Auch der Urteil und der Anta rktik
treten bereits ans. Zu wünschen wäre nur, daß auch die gute, liebe alte Ostsee bald als
Bnltik nachfolgte; für die Nordsee empföhle sich vielleicht Nordik oder Germanik.
Wie instit!

Die gerügten Geschmacklosigkeiten sind umsomehr zu bedauern, als die Darstellung in
dem Buche sonst recht hübsch und ansprechend ist.




Die Kölnische Zeitung veröffentlicht in ihrer Morgenausgabe vom 19. August eine Skizze
von Xiarl Prvll: „Heldensterne," die eine reizende Spracherrnngenschast ausweist. „Das
Grün war in den letzten Tagen schon so dicht geworden, daß man sich dahinter verstecken
konnte, und die Erstblüten dufteten süß." Es muß wirklich ein Erstschrislsteller sein,
der die berühmten Erstaufsührnngen dnrch diese sprachliche Letztblüte übertrumpft. Zur
Erst liebe ist jetzt mir noch ein Schritt; hoffentlich kann sich Deutschland auch daran bald
erfreue»!"

Sehr geschmackvoll sind in derselben Skizze auch die „hollunderumbuschten Bosguets.
Die Wortstellung ist ebensalls durchweg „modern"; ausfallen kann daran nnr, daß die Per¬
sonen sogar im alltäglichen Sprechen das Reflexionen hinten aufsitzen lassen. „Kannst du
nicht anderswo im Garten dich herumtreiben?" ist ein wundervolles Beispiel dafür; ebenso
die Rede eines Leutnants: „So, noch einen ordentlichen Kuß unter vier Angen, bevor wir
angesichts der Eltern uns wieder sittsam bezeugen (bezeigen ist gemeint!) müssen." Ein
elfjähriges Kind spricht folgenden Satz: „Das bleibt schließlich eine Belohnung dafür,
daß ich der Anna allerlei geheime Botschaft überbrachte, von der ich nie etwas der Mutter
verriet. Ja, fein hast dn es eingefädelt und mir jetzt das Nachsehen gelassen. Schäme dich,
das thut kein rechter Mann!"

Ja, fein hast du es eingefädelt und der deutschen Sprache das Nachsehen gelassen, Erst-
blütenerzenger! Schäme dich, das thut kein Erstschriftstcller!




Die Sprachverrvhung greift immer weiter um sich. Mit Vorliebe bemächtigt sie sich
jetzt der Apposition. Die Apposition soll bekanntlich — so haben wir es noch in der Quinta
gelernt — stets in demselben Kasus stehen wie das Hauptwort, zu dem sie tritt; aber diese
Regel wird schon längst nicht mehr beachtet. Die Deutsche Verlagsanstalt in Stuttgart z. B.,
die sich Union nennt, druckt ans alle ihre Erzeugnisse: „Druck der Union, Deutsche Verlags¬
anstalt in Stuttgart." So ist z. B. zu lesen ans jedem Hefte der „Deutschen Zeitschrift für
Geschichtswissenschaft," deren Herausgeber ans die Sprachdiktatnr der Union keinen Einfluß
zu haben scheint. Man muß wohl auch ans die Hoffnung, daß die Leitung der Union für
Vorstellungen zugänglich sein werde, verzichten. sieht doch die Anstalt in Pcrsonalvcrbindung
mit dem Sprachmvnstrum, genannt: „Verlag der I. G. Cottaschen Buchhandlung Nachfolger"!




Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig — Druck vou Carl Marquart in Leipzig
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[0440] Schwarzes Bret garde Antwort erteilt worden, die wir weniger um ihres Inhalts willen, als weil sie eine ganz hervorragende stilistische „Darbietung" ist, unsern Lesern nicht vorenthalten dürfen. Die Antwort lautet (nach dem Hamburgischen Korrespondenten vom 19. August): „Der Senat erteilt ans das Gesuch den Bescheid: Da die thatsächlichen Angaben, welche die Bittsteller zur Be¬ gründung ihres Gesundes vortragen, keineswegs zutreffend sind, insbesondre auch die Anfüh¬ rung, daß die Sterblichkeit der bei der vorjährigen Lholeracpidemie nach der Wasserheil¬ methode behandelten Kranken nur eine günz geringe gewesen sei, mit den in den hiesigen Krankenhäusern gemachten Erfahrungen nicht übereinstimmt, da übrigens die von den Bitt¬ stellern empfohlene Heilmethode, sofern die betreffenden Fälle sich für dieselben eignen, in den hiesigen öffentlichen Krankenanstalten jedoch jederzeit Berücksichtigung findet, wogegen aller¬ dings die Errichtung von Abteilungen, in denen alle Kranken nach demselben Verfahren be¬ handelt werden, nicht zulässig erscheint, indem es die Pflicht der vom Staate angestellten Ärzte ist, die Wiederherstellung der ihnen anvertrauten Kranken mit allen Mitteln der Heilkunde zu erstreben, daß aus das Gesuch nicht einzugehen sei." Einem dringenden Bedürfnis hat Johannes Walther, außerordentlicher Professor an der Universität Jena, in seiner kürzlich erschienenen „Allgemeinen Meereskunde" abgeholfen durch Erfindung der volapükmttßig anmutenden Wörter Atlantik, Pazifik nud Jndik für das Atlantische, Stille und Indische Weltmeer, offenbar „eingedeutscht" nach berühmten Mustern ans dem englischen ^et-alio, ?»plin- und InÄio (?) Ovsan. Auch der Urteil und der Anta rktik treten bereits ans. Zu wünschen wäre nur, daß auch die gute, liebe alte Ostsee bald als Bnltik nachfolgte; für die Nordsee empföhle sich vielleicht Nordik oder Germanik. Wie instit! Die gerügten Geschmacklosigkeiten sind umsomehr zu bedauern, als die Darstellung in dem Buche sonst recht hübsch und ansprechend ist. Die Kölnische Zeitung veröffentlicht in ihrer Morgenausgabe vom 19. August eine Skizze von Xiarl Prvll: „Heldensterne," die eine reizende Spracherrnngenschast ausweist. „Das Grün war in den letzten Tagen schon so dicht geworden, daß man sich dahinter verstecken konnte, und die Erstblüten dufteten süß." Es muß wirklich ein Erstschrislsteller sein, der die berühmten Erstaufsührnngen dnrch diese sprachliche Letztblüte übertrumpft. Zur Erst liebe ist jetzt mir noch ein Schritt; hoffentlich kann sich Deutschland auch daran bald erfreue»!" Sehr geschmackvoll sind in derselben Skizze auch die „hollunderumbuschten Bosguets. Die Wortstellung ist ebensalls durchweg „modern"; ausfallen kann daran nnr, daß die Per¬ sonen sogar im alltäglichen Sprechen das Reflexionen hinten aufsitzen lassen. „Kannst du nicht anderswo im Garten dich herumtreiben?" ist ein wundervolles Beispiel dafür; ebenso die Rede eines Leutnants: „So, noch einen ordentlichen Kuß unter vier Angen, bevor wir angesichts der Eltern uns wieder sittsam bezeugen (bezeigen ist gemeint!) müssen." Ein elfjähriges Kind spricht folgenden Satz: „Das bleibt schließlich eine Belohnung dafür, daß ich der Anna allerlei geheime Botschaft überbrachte, von der ich nie etwas der Mutter verriet. Ja, fein hast dn es eingefädelt und mir jetzt das Nachsehen gelassen. Schäme dich, das thut kein rechter Mann!" Ja, fein hast du es eingefädelt und der deutschen Sprache das Nachsehen gelassen, Erst- blütenerzenger! Schäme dich, das thut kein Erstschriftstcller! Die Sprachverrvhung greift immer weiter um sich. Mit Vorliebe bemächtigt sie sich jetzt der Apposition. Die Apposition soll bekanntlich — so haben wir es noch in der Quinta gelernt — stets in demselben Kasus stehen wie das Hauptwort, zu dem sie tritt; aber diese Regel wird schon längst nicht mehr beachtet. Die Deutsche Verlagsanstalt in Stuttgart z. B., die sich Union nennt, druckt ans alle ihre Erzeugnisse: „Druck der Union, Deutsche Verlags¬ anstalt in Stuttgart." So ist z. B. zu lesen ans jedem Hefte der „Deutschen Zeitschrift für Geschichtswissenschaft," deren Herausgeber ans die Sprachdiktatnr der Union keinen Einfluß zu haben scheint. Man muß wohl auch ans die Hoffnung, daß die Leitung der Union für Vorstellungen zugänglich sein werde, verzichten. sieht doch die Anstalt in Pcrsonalvcrbindung mit dem Sprachmvnstrum, genannt: „Verlag der I. G. Cottaschen Buchhandlung Nachfolger"! Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig — Druck vou Carl Marquart in Leipzig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215089/440>, abgerufen am 29.05.2024.