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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr.

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Es ist aber auch gar kein Bedürfnis vorhanden, so weit zu gehen. Die
Praxis des Lebens hat längst ein Mittel gefunden, der eignen Verwertung
von Geschäftsgeheimnissen durch Gehilfen zu begegnen. Geschäftsherren, die
glauben, daß ihnen auf diese Weise geschadet werden könne, lassen sich von
ihren Gehilfen das Versprechen geben, nach ihrem Austritt aus dem Geschäft
innerhalb eines gewissen Umkreises und in gewisser Zeit kein gleiches oder ähn¬
liches Geschäft zu gründen oder in ein solches einzutreten, und lassen dieses
Versprechen dnrch Zusicherung einer Konventionalstrafe befestigen. Stets haben
die Gerichte solche Verträge, wenn sie nur nicht die gesamte Geschäftsthätig¬
keit eines Menschen lahm legen, für bindend erachtet. Hat sich der Geschäfts¬
herr so vorgesehen, so ist er dagegen gesichert, daß seine Gehilfen seine Ge¬
heimnisse selbst verwerten. Hat er es aber unterlassen, so kann er sich auch
uicht darüber beklagen, wenn seine Gehilfen das, was sie bei ihm gesehen und
gelernt haben, für sich selbst anwenden.

Beschränkt man auf diese Weise die Pflicht zur Geheimhaltung, und giebt
mau dieser Pflicht durch eine zu unterzeichnende Urkunde einen festen Halt, so
bedarf es auch nicht der im Entwurf vorgeschlagnen Schranke, daß diese Pflicht
nur zwei Jahre lang nach dem Dienstaustritte bestehen soll. Diese Zeit ist
zu kurz, die hier obwaltenden Interessen zu sichern. Ein Konkurrent braucht
nur einen Arbeiter, der die Geheimnisse seines Geschäfts kennt, zu veranlassen,
das Geschäft zu verlassen; dann kann ihm der Arbeiter nach Ablauf von zwei
Jahren alle Geheimnisse verraten. Der Inhaber des andern Geschäfts kann
dadurch sehr empfindlich berührt werden. Verstehen doch manche Geschäfte,
ihre Betriebsgeheimnisse lange Jahre für sich zu behalten. Will man über¬
haupt eine Zeitschranke, so müßte sie jedenfalls viel weiter (etwa auf zehn
Jahre) gegriffen werden.

Hiernach würde der Z 7 etwa in folgender Weise zu gestalten sein:

Der Inhaber eines Erwerbsgeschastes kann die bei ihm in Dienst stehenden
Angestellten, Arbeiter und Lehrlinge sich verpflichten lassen, die ihnen bekannt ge-
wordnen Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse nicht andern mitzuteilen. Die Ver¬
pflichtung hat zu geschehen durch Unterzeichnung einer Urkunde, in der die Gegen¬
stände der Geheimhaltung bestimmt angegeben sind. Dem Unterzeichner der Urkunde
ist eine Abschrift derselben zuzustellen. Wer im Widerspruch mit der übernommnen
Verpflichtung Geheimnisse des Geschäfts andern, die davon für den Wettbewerb
Gebrauch machen können, mitteilt, wird mit Geldstrafe bis zu 3000 Mark (u. s. w.
wie in Z 7).

K 8 des Entwurfs lautet:

Wer es unternimmt, einen andern zu einer Zuwiderhandlung gegen die Vor¬
schrift unter Z 7 zu verleiten, wird mit Geldstrafe bis zu 1S00 Mark oder mit
Gefängnis bis zu sechs Monaten bestraft.

Nach der Denkschrift soll hiermit nur die Strafbarkeit des Versuchs aus¬
gesprochen sein, während die Strafbarkeit der vollendeten Verleitung schon aus


Es ist aber auch gar kein Bedürfnis vorhanden, so weit zu gehen. Die
Praxis des Lebens hat längst ein Mittel gefunden, der eignen Verwertung
von Geschäftsgeheimnissen durch Gehilfen zu begegnen. Geschäftsherren, die
glauben, daß ihnen auf diese Weise geschadet werden könne, lassen sich von
ihren Gehilfen das Versprechen geben, nach ihrem Austritt aus dem Geschäft
innerhalb eines gewissen Umkreises und in gewisser Zeit kein gleiches oder ähn¬
liches Geschäft zu gründen oder in ein solches einzutreten, und lassen dieses
Versprechen dnrch Zusicherung einer Konventionalstrafe befestigen. Stets haben
die Gerichte solche Verträge, wenn sie nur nicht die gesamte Geschäftsthätig¬
keit eines Menschen lahm legen, für bindend erachtet. Hat sich der Geschäfts¬
herr so vorgesehen, so ist er dagegen gesichert, daß seine Gehilfen seine Ge¬
heimnisse selbst verwerten. Hat er es aber unterlassen, so kann er sich auch
uicht darüber beklagen, wenn seine Gehilfen das, was sie bei ihm gesehen und
gelernt haben, für sich selbst anwenden.

Beschränkt man auf diese Weise die Pflicht zur Geheimhaltung, und giebt
mau dieser Pflicht durch eine zu unterzeichnende Urkunde einen festen Halt, so
bedarf es auch nicht der im Entwurf vorgeschlagnen Schranke, daß diese Pflicht
nur zwei Jahre lang nach dem Dienstaustritte bestehen soll. Diese Zeit ist
zu kurz, die hier obwaltenden Interessen zu sichern. Ein Konkurrent braucht
nur einen Arbeiter, der die Geheimnisse seines Geschäfts kennt, zu veranlassen,
das Geschäft zu verlassen; dann kann ihm der Arbeiter nach Ablauf von zwei
Jahren alle Geheimnisse verraten. Der Inhaber des andern Geschäfts kann
dadurch sehr empfindlich berührt werden. Verstehen doch manche Geschäfte,
ihre Betriebsgeheimnisse lange Jahre für sich zu behalten. Will man über¬
haupt eine Zeitschranke, so müßte sie jedenfalls viel weiter (etwa auf zehn
Jahre) gegriffen werden.

Hiernach würde der Z 7 etwa in folgender Weise zu gestalten sein:

Der Inhaber eines Erwerbsgeschastes kann die bei ihm in Dienst stehenden
Angestellten, Arbeiter und Lehrlinge sich verpflichten lassen, die ihnen bekannt ge-
wordnen Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse nicht andern mitzuteilen. Die Ver¬
pflichtung hat zu geschehen durch Unterzeichnung einer Urkunde, in der die Gegen¬
stände der Geheimhaltung bestimmt angegeben sind. Dem Unterzeichner der Urkunde
ist eine Abschrift derselben zuzustellen. Wer im Widerspruch mit der übernommnen
Verpflichtung Geheimnisse des Geschäfts andern, die davon für den Wettbewerb
Gebrauch machen können, mitteilt, wird mit Geldstrafe bis zu 3000 Mark (u. s. w.
wie in Z 7).

K 8 des Entwurfs lautet:

Wer es unternimmt, einen andern zu einer Zuwiderhandlung gegen die Vor¬
schrift unter Z 7 zu verleiten, wird mit Geldstrafe bis zu 1S00 Mark oder mit
Gefängnis bis zu sechs Monaten bestraft.

Nach der Denkschrift soll hiermit nur die Strafbarkeit des Versuchs aus¬
gesprochen sein, während die Strafbarkeit der vollendeten Verleitung schon aus


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219001/170>, abgerufen am 13.05.2024.