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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr.

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Die Zustände in der Verwaltung in Preußen

wieviel Referendare jeder Regierungspräsident der Größe seiner Regierung
entsprechend anstellen darf. Bei dieser Feststellung wird man doch nicht völlig
planlos verfahren sein, man kann nur annehmen, daß der Bedarf an Ver¬
waltungsbeamten berechnet worden ist, und daß darnach die erwähnten An¬
ordnungen getroffen worden sind. Die notwendige Schlußfolgerung wäre doch
nun, daß man Beamten, die man braucht, eine wenn auch noch so bescheidne
Entschädigung für ihre Dienste gewährte. Das geschieht aber nicht. Der
Minister des Innern verteilt an die ältern Assessoren nach bestimmten Grund¬
sätzen Diäten, soweit der ihm zur Verfügung stehende Fonds reicht; der nie¬
drigste Satz dieser Diäten beträgt 1500 Mark. Nun giebt es in der all¬
gemeinen Verwaltung nach dem im September 1894 erschienenen Kalender für
Verwaltungsbeamte 562 Regierungsasfessoren, von denen zur Zeit etwa 240
keine Diäten beziehen. Der Abgang an Assessoren durch Beförderung oder
durch Übertritt zu andern Verwaltungen beträgt im Jahre durchschnittlich 45,
der jüngste Assessor wird, wenn der Fonds des Ministers nicht erhöht wird,
ungefähr fünf Jahre ohne Diäten arbeiten müssen. Man hat also die
Zahl der Assessoren dem Bedarf entsprechend vermehrt, ohne die Mittel zu
ihrer Besoldung zu vermehren; nicht einmal Umzugskosten gewährt man den
u "besoldeten Assessoren.

Und wie werden nun diese Assessoren verwendet? Zunächst werden so
viel den Regierungen überwiesen, als dort zur Bewältigung der Geschäfte
nötig sind, die übrigen schickt man an die größern Landratsümter, bei denen die
Arbeitskräfte nicht mehr ausreichen. Nun glaube man aber nicht, daß die
Assessoren, oder wenigstens die unbesoldeten unter ihnen, bei den Regierungen
etwa nur die weniger wesentlichen Dezernate bearbeiteten. Im Gegenteil, die
ältern und alten Herren ziehen sich oft recht gern auf ein bescheidnes Dezernat
zurück und überlassen die Arbeit der Jugend. Wie sich aber auch abgesehen
davon die Geschüftsverteilung bei den Regierungen gestalten muß, zeigen am
besten einige Zahlen. Es sind beschäftigt bei der Negierung in

Regierungsräte Regierungsassessoreu
Danzig 4 12
Stettin 4 8
Stralsund 1 4
Posen 7 15
Bromberg 5 17
Oppeln 7 14
Schleswig 8 18
Hannover 2 1V
Arnsberg L Is
Aurich 1 5

Bei den meisten übrigen Regierungen sind die Verhältnisse nicht besser, nur
bei ganz wenigen erreicht oder übersteigt die Zahl der Regierungsräte die der


Die Zustände in der Verwaltung in Preußen

wieviel Referendare jeder Regierungspräsident der Größe seiner Regierung
entsprechend anstellen darf. Bei dieser Feststellung wird man doch nicht völlig
planlos verfahren sein, man kann nur annehmen, daß der Bedarf an Ver¬
waltungsbeamten berechnet worden ist, und daß darnach die erwähnten An¬
ordnungen getroffen worden sind. Die notwendige Schlußfolgerung wäre doch
nun, daß man Beamten, die man braucht, eine wenn auch noch so bescheidne
Entschädigung für ihre Dienste gewährte. Das geschieht aber nicht. Der
Minister des Innern verteilt an die ältern Assessoren nach bestimmten Grund¬
sätzen Diäten, soweit der ihm zur Verfügung stehende Fonds reicht; der nie¬
drigste Satz dieser Diäten beträgt 1500 Mark. Nun giebt es in der all¬
gemeinen Verwaltung nach dem im September 1894 erschienenen Kalender für
Verwaltungsbeamte 562 Regierungsasfessoren, von denen zur Zeit etwa 240
keine Diäten beziehen. Der Abgang an Assessoren durch Beförderung oder
durch Übertritt zu andern Verwaltungen beträgt im Jahre durchschnittlich 45,
der jüngste Assessor wird, wenn der Fonds des Ministers nicht erhöht wird,
ungefähr fünf Jahre ohne Diäten arbeiten müssen. Man hat also die
Zahl der Assessoren dem Bedarf entsprechend vermehrt, ohne die Mittel zu
ihrer Besoldung zu vermehren; nicht einmal Umzugskosten gewährt man den
u »besoldeten Assessoren.

Und wie werden nun diese Assessoren verwendet? Zunächst werden so
viel den Regierungen überwiesen, als dort zur Bewältigung der Geschäfte
nötig sind, die übrigen schickt man an die größern Landratsümter, bei denen die
Arbeitskräfte nicht mehr ausreichen. Nun glaube man aber nicht, daß die
Assessoren, oder wenigstens die unbesoldeten unter ihnen, bei den Regierungen
etwa nur die weniger wesentlichen Dezernate bearbeiteten. Im Gegenteil, die
ältern und alten Herren ziehen sich oft recht gern auf ein bescheidnes Dezernat
zurück und überlassen die Arbeit der Jugend. Wie sich aber auch abgesehen
davon die Geschüftsverteilung bei den Regierungen gestalten muß, zeigen am
besten einige Zahlen. Es sind beschäftigt bei der Negierung in

Regierungsräte Regierungsassessoreu
Danzig 4 12
Stettin 4 8
Stralsund 1 4
Posen 7 15
Bromberg 5 17
Oppeln 7 14
Schleswig 8 18
Hannover 2 1V
Arnsberg L Is
Aurich 1 5

Bei den meisten übrigen Regierungen sind die Verhältnisse nicht besser, nur
bei ganz wenigen erreicht oder übersteigt die Zahl der Regierungsräte die der


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[0172] Die Zustände in der Verwaltung in Preußen wieviel Referendare jeder Regierungspräsident der Größe seiner Regierung entsprechend anstellen darf. Bei dieser Feststellung wird man doch nicht völlig planlos verfahren sein, man kann nur annehmen, daß der Bedarf an Ver¬ waltungsbeamten berechnet worden ist, und daß darnach die erwähnten An¬ ordnungen getroffen worden sind. Die notwendige Schlußfolgerung wäre doch nun, daß man Beamten, die man braucht, eine wenn auch noch so bescheidne Entschädigung für ihre Dienste gewährte. Das geschieht aber nicht. Der Minister des Innern verteilt an die ältern Assessoren nach bestimmten Grund¬ sätzen Diäten, soweit der ihm zur Verfügung stehende Fonds reicht; der nie¬ drigste Satz dieser Diäten beträgt 1500 Mark. Nun giebt es in der all¬ gemeinen Verwaltung nach dem im September 1894 erschienenen Kalender für Verwaltungsbeamte 562 Regierungsasfessoren, von denen zur Zeit etwa 240 keine Diäten beziehen. Der Abgang an Assessoren durch Beförderung oder durch Übertritt zu andern Verwaltungen beträgt im Jahre durchschnittlich 45, der jüngste Assessor wird, wenn der Fonds des Ministers nicht erhöht wird, ungefähr fünf Jahre ohne Diäten arbeiten müssen. Man hat also die Zahl der Assessoren dem Bedarf entsprechend vermehrt, ohne die Mittel zu ihrer Besoldung zu vermehren; nicht einmal Umzugskosten gewährt man den u »besoldeten Assessoren. Und wie werden nun diese Assessoren verwendet? Zunächst werden so viel den Regierungen überwiesen, als dort zur Bewältigung der Geschäfte nötig sind, die übrigen schickt man an die größern Landratsümter, bei denen die Arbeitskräfte nicht mehr ausreichen. Nun glaube man aber nicht, daß die Assessoren, oder wenigstens die unbesoldeten unter ihnen, bei den Regierungen etwa nur die weniger wesentlichen Dezernate bearbeiteten. Im Gegenteil, die ältern und alten Herren ziehen sich oft recht gern auf ein bescheidnes Dezernat zurück und überlassen die Arbeit der Jugend. Wie sich aber auch abgesehen davon die Geschüftsverteilung bei den Regierungen gestalten muß, zeigen am besten einige Zahlen. Es sind beschäftigt bei der Negierung in Regierungsräte Regierungsassessoreu Danzig 4 12 Stettin 4 8 Stralsund 1 4 Posen 7 15 Bromberg 5 17 Oppeln 7 14 Schleswig 8 18 Hannover 2 1V Arnsberg L Is Aurich 1 5 Bei den meisten übrigen Regierungen sind die Verhältnisse nicht besser, nur bei ganz wenigen erreicht oder übersteigt die Zahl der Regierungsräte die der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219001/172>, abgerufen am 12.05.2024.