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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr.

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Wer schlägt aber nun die Brücke zwischen der alten und der neuen Be¬
deutung des Wortes Fuchs, zwischen dem Vaganten und dem "ersten Semester"?
Nun, es ist nicht schwer, sich vorzustellen, daß der seßhaftere ältere Student
die Bezeichnung des schweifenden Vachauteu, des Bruders des Artisten, auf
jeden neuen Ankömmling an seiner Universität/") und dann auf den Neuling
im Studium überhaupt, übertrug: deutet nicht noch heute der Anfang des
Fuchsliedes auf diesen Weg der Entwicklung?

Vou dem hohen Alter des Philisters und des Pereat ist schon die
Rede gewesen; bis jetzt hatte man beides nur aus dem achtzehnten und neun-
zehnten Jahrhundert belegen können und wohl auch dem Anekdotenkrämer
Schmeitzel Glauben geschenkt, der ganz genau weiß, daß das Pereatrufeu am
4. August 1712 in Jena entstanden ist, demselben Schmeitzel, der auch über
die Geburtsstunde des Ausdrucks Philister ausführlich geschwindelt hat. Un¬
mittelbar vor dem Ausdruck porou.t in Kluges Studentenwörterbuch stehen
einige Beispiele für ein studentisches per, darunter als ältestes ein bei Grim-
melshausen belegtes x<zr Spaß. Noch heute sind xsr Läpsch und xer Jux
im Schwange. Wo stammt dieses per her? Es bedeutet in alleu drei Wen¬
dungen etwa soviel wie "um -- willen," "xsr Spaß" deckt sich ungefähr mit
"Spaßes halber." Hat das aber je das altlateinische xsr bedeutet? Das
heißt doch durch! Auch hier bringt das dunkle Mittelalter Licht. In Frei¬
danks Bescheidenheit steht die seltsame, hübsche Etymologie: cwrelr trLv.<t"z
tramvsn sint Minne, d. h. der Freude halber, die wir an ihnen haben,
heißen die Frauen Frauen. Dieses dnroll hätte ein lateinisch redender Va¬
gant damals fröhlich mit por wiedergegeben; aber auch nur zu einer Zeit,
wo die deutsche Präposition diesen eigentümlichen Sinn hatte, ist eine solche
Übersetzung denkbar, nur aus dieser Zeit begreift sich also auch die Entstehung
des Typus "per Spaß." Wir müßten sie so weit zurückverlegen, auch wenn
wir das feuchtfröhliche Preislied eines fahrenden Klerikers auf die Moselstadt
Trier nicht mehr in Händen hätten, wo jede Strophe schließt: xsr eint-for!

Während so sich manches lateinische und biblische bereits als viel länger
in der Burscheusprache heimisch nachweise" läßt, als es nach den Hauptquellen



und doch spielt die Liebe in beider Leben eine große Rolle. Sehr bezeichnend sind auch fol¬
gende beiden Etymologien, die W, Marshall in seinen hübschen "Plaudereien und Vorträgen"
aus Breidensteins "Naturgeschichte des Sperlings teutscher Nation" mitteilt: Sperling kommt
von Sparen, weil er niemals spart; Spatz dürfte von Spcissen herkommen, weil dieser Vogel
unser nur spottet und gleichsam seinen Spaß, seinen Scherz mit uns treibt. Am Ende ist
auch bei dem grimmigen Bauernwort des funfzehnten Jahrhunderts: "Jungen Sperlinge"
und jungen Edelleuten soll man beizeiten die Kopfe eindrücken" mit an die junge Brut der
Vaganten gedacht worden.
*) Daß dabei zunächst an eine niederdeutsche Universität zu denken ist, darauf läßt
allerdings, wie schon Kluge bemerkt hat, das auf hochdeutschen Sprachgebiet wohl kaum anders
zu erklärende Boß schließen.

Wer schlägt aber nun die Brücke zwischen der alten und der neuen Be¬
deutung des Wortes Fuchs, zwischen dem Vaganten und dem „ersten Semester"?
Nun, es ist nicht schwer, sich vorzustellen, daß der seßhaftere ältere Student
die Bezeichnung des schweifenden Vachauteu, des Bruders des Artisten, auf
jeden neuen Ankömmling an seiner Universität/") und dann auf den Neuling
im Studium überhaupt, übertrug: deutet nicht noch heute der Anfang des
Fuchsliedes auf diesen Weg der Entwicklung?

Vou dem hohen Alter des Philisters und des Pereat ist schon die
Rede gewesen; bis jetzt hatte man beides nur aus dem achtzehnten und neun-
zehnten Jahrhundert belegen können und wohl auch dem Anekdotenkrämer
Schmeitzel Glauben geschenkt, der ganz genau weiß, daß das Pereatrufeu am
4. August 1712 in Jena entstanden ist, demselben Schmeitzel, der auch über
die Geburtsstunde des Ausdrucks Philister ausführlich geschwindelt hat. Un¬
mittelbar vor dem Ausdruck porou.t in Kluges Studentenwörterbuch stehen
einige Beispiele für ein studentisches per, darunter als ältestes ein bei Grim-
melshausen belegtes x<zr Spaß. Noch heute sind xsr Läpsch und xer Jux
im Schwange. Wo stammt dieses per her? Es bedeutet in alleu drei Wen¬
dungen etwa soviel wie „um — willen," „xsr Spaß" deckt sich ungefähr mit
„Spaßes halber." Hat das aber je das altlateinische xsr bedeutet? Das
heißt doch durch! Auch hier bringt das dunkle Mittelalter Licht. In Frei¬
danks Bescheidenheit steht die seltsame, hübsche Etymologie: cwrelr trLv.<t«z
tramvsn sint Minne, d. h. der Freude halber, die wir an ihnen haben,
heißen die Frauen Frauen. Dieses dnroll hätte ein lateinisch redender Va¬
gant damals fröhlich mit por wiedergegeben; aber auch nur zu einer Zeit,
wo die deutsche Präposition diesen eigentümlichen Sinn hatte, ist eine solche
Übersetzung denkbar, nur aus dieser Zeit begreift sich also auch die Entstehung
des Typus „per Spaß." Wir müßten sie so weit zurückverlegen, auch wenn
wir das feuchtfröhliche Preislied eines fahrenden Klerikers auf die Moselstadt
Trier nicht mehr in Händen hätten, wo jede Strophe schließt: xsr eint-for!

Während so sich manches lateinische und biblische bereits als viel länger
in der Burscheusprache heimisch nachweise» läßt, als es nach den Hauptquellen



und doch spielt die Liebe in beider Leben eine große Rolle. Sehr bezeichnend sind auch fol¬
gende beiden Etymologien, die W, Marshall in seinen hübschen „Plaudereien und Vorträgen"
aus Breidensteins „Naturgeschichte des Sperlings teutscher Nation" mitteilt: Sperling kommt
von Sparen, weil er niemals spart; Spatz dürfte von Spcissen herkommen, weil dieser Vogel
unser nur spottet und gleichsam seinen Spaß, seinen Scherz mit uns treibt. Am Ende ist
auch bei dem grimmigen Bauernwort des funfzehnten Jahrhunderts: „Jungen Sperlinge»
und jungen Edelleuten soll man beizeiten die Kopfe eindrücken" mit an die junge Brut der
Vaganten gedacht worden.
*) Daß dabei zunächst an eine niederdeutsche Universität zu denken ist, darauf läßt
allerdings, wie schon Kluge bemerkt hat, das auf hochdeutschen Sprachgebiet wohl kaum anders
zu erklärende Boß schließen.
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[0594] Wer schlägt aber nun die Brücke zwischen der alten und der neuen Be¬ deutung des Wortes Fuchs, zwischen dem Vaganten und dem „ersten Semester"? Nun, es ist nicht schwer, sich vorzustellen, daß der seßhaftere ältere Student die Bezeichnung des schweifenden Vachauteu, des Bruders des Artisten, auf jeden neuen Ankömmling an seiner Universität/") und dann auf den Neuling im Studium überhaupt, übertrug: deutet nicht noch heute der Anfang des Fuchsliedes auf diesen Weg der Entwicklung? Vou dem hohen Alter des Philisters und des Pereat ist schon die Rede gewesen; bis jetzt hatte man beides nur aus dem achtzehnten und neun- zehnten Jahrhundert belegen können und wohl auch dem Anekdotenkrämer Schmeitzel Glauben geschenkt, der ganz genau weiß, daß das Pereatrufeu am 4. August 1712 in Jena entstanden ist, demselben Schmeitzel, der auch über die Geburtsstunde des Ausdrucks Philister ausführlich geschwindelt hat. Un¬ mittelbar vor dem Ausdruck porou.t in Kluges Studentenwörterbuch stehen einige Beispiele für ein studentisches per, darunter als ältestes ein bei Grim- melshausen belegtes x<zr Spaß. Noch heute sind xsr Läpsch und xer Jux im Schwange. Wo stammt dieses per her? Es bedeutet in alleu drei Wen¬ dungen etwa soviel wie „um — willen," „xsr Spaß" deckt sich ungefähr mit „Spaßes halber." Hat das aber je das altlateinische xsr bedeutet? Das heißt doch durch! Auch hier bringt das dunkle Mittelalter Licht. In Frei¬ danks Bescheidenheit steht die seltsame, hübsche Etymologie: cwrelr trLv.<t«z tramvsn sint Minne, d. h. der Freude halber, die wir an ihnen haben, heißen die Frauen Frauen. Dieses dnroll hätte ein lateinisch redender Va¬ gant damals fröhlich mit por wiedergegeben; aber auch nur zu einer Zeit, wo die deutsche Präposition diesen eigentümlichen Sinn hatte, ist eine solche Übersetzung denkbar, nur aus dieser Zeit begreift sich also auch die Entstehung des Typus „per Spaß." Wir müßten sie so weit zurückverlegen, auch wenn wir das feuchtfröhliche Preislied eines fahrenden Klerikers auf die Moselstadt Trier nicht mehr in Händen hätten, wo jede Strophe schließt: xsr eint-for! Während so sich manches lateinische und biblische bereits als viel länger in der Burscheusprache heimisch nachweise» läßt, als es nach den Hauptquellen und doch spielt die Liebe in beider Leben eine große Rolle. Sehr bezeichnend sind auch fol¬ gende beiden Etymologien, die W, Marshall in seinen hübschen „Plaudereien und Vorträgen" aus Breidensteins „Naturgeschichte des Sperlings teutscher Nation" mitteilt: Sperling kommt von Sparen, weil er niemals spart; Spatz dürfte von Spcissen herkommen, weil dieser Vogel unser nur spottet und gleichsam seinen Spaß, seinen Scherz mit uns treibt. Am Ende ist auch bei dem grimmigen Bauernwort des funfzehnten Jahrhunderts: „Jungen Sperlinge» und jungen Edelleuten soll man beizeiten die Kopfe eindrücken" mit an die junge Brut der Vaganten gedacht worden. *) Daß dabei zunächst an eine niederdeutsche Universität zu denken ist, darauf läßt allerdings, wie schon Kluge bemerkt hat, das auf hochdeutschen Sprachgebiet wohl kaum anders zu erklärende Boß schließen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219001/594>, abgerufen am 14.05.2024.