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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr.

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Die Genossenschaft Pan und die allermodernste Kunst

Kunst" gethan habe, daß mir ein Artikel der Zukunft zugesendet wurde, der
sich ausführlich über die Ziele der Genossenschaft aussprach. Da hierbei be¬
sonders der unparteiische und selbständige Charakter des Unternehmens hervor¬
gehoben wurde, bat ich um Zusendung der Statuten, worauf ich eine Auf¬
forderung zum Beitritt erhielt, der ich auch Folge leistete.

Wenn man die im ersten Heft der Zeitschrift veröffentlichte Liste der Mit¬
glieder und des Aufsichtsrats mustert, so sollte man denken, daß eine sach¬
gemäße Form der Veröffentlichung schon durch sie verbürgt wäre. An der
Spitze des Verzeichnisses stehen drei gekrönte Häupter, die Könige von Sachsen
und Württemberg und der Prinzregent Luitpold von Baiern. Im Aufsichtsrat
sitzen N. Begas. Böcklin, Grisebach. L. v. Hofmann, Graf Kalckreuth, A. Keller,
Klinger, Koepping, Kühl, Liebermann, Maison. Max, Skarbina, Stuck, v. Abbe
und Unger, also Künstler, die, wenn auch nicht alle in gleicher Weise, doch
im Ganzen zu den bedeutendsten unsrer Zeit gerechnet werden. Dazu
kommen Kunsthistoriker wie Bahersdorffer, Bode, Graul, Lichtwark, Mulder,
v. Seidlitz, H. W. Singer und Woermann, also Männer, deren Namen ebenfalls
einen guten Klang haben. Endlich eine Reihe von Dichtern des "jüngsten
Deutschlands" wie Dehmel, Halbe, Hartleben, Liliencron, Ompteda u. f. w.,
die ich zwar zum Teil für sehr begabt, zum Teil aber auch für bloße Dilet¬
tanten halte. Aber das mag eine persönliche Anschauung sein, die vielleicht
von andern nicht geteilt wird. Soviel ist sicher, daß sich diese jungen Dichter
bis jetzt in viel geringerm Grade als die zuerst erwähnten Künstler der all¬
gemeinen Anerkennung erfreuen, und daß man schon aus diesem Grunde in litte¬
rarischer Beziehung von der Zeitschrift weniger Gutes erwarten konnte als in
künstlerischer. Hatten doch diese Dichter vor einigen Jahren eine künstlerisch aus¬
gestattete Sammlung unter dem Namen eines "modernen Musenalmanachs"
herausgegeben, die neben einigen guten Sachen auch sehr viel Mittelmäßiges
enthielt und deshalb nur eine sehr geteilte Aufnahme gefunden hatte. Ich bin
nicht genug in die Vorgeschichte des "Pan" eingeweiht, um bestimmt sagen zu
können, von wem die Idee der Gründung dieser Genossenschaft ausgegangen
ist. Jetzt, wo die zwei ersten Hefte der Zeitschrift vorliegen, ist es mir voll¬
kommen klar, daß die zuletzt genannte Gruppe als die eigentliche Seele des
Unternehmens betrachtet werden muß. Man erhält geradezu den Eindruck, als
ob es unserm jüngsten Deutschland in erster Linie darum zu thun gewesen
wäre, in dieser Form eine neue und monumentalere Auflage des "Musen¬
almanachs" zu schaffen, und als ob die Kunsthistoriker und ältern Künstler,
die dem Ausschuß angehören, gewissermaßen nur als Ornament, wenn ich so
sagen darf, als werdendes Aushängeschild zur Gewinnung weiterer Kreise
herangezogen worden sind.

Leider muß ich meinen Freunden im Aufsichtsrat das Bekenntnis ablegen,
daß schon das erste Heft des "Pan," das im April dieses Jahres erschienen


Die Genossenschaft Pan und die allermodernste Kunst

Kunst" gethan habe, daß mir ein Artikel der Zukunft zugesendet wurde, der
sich ausführlich über die Ziele der Genossenschaft aussprach. Da hierbei be¬
sonders der unparteiische und selbständige Charakter des Unternehmens hervor¬
gehoben wurde, bat ich um Zusendung der Statuten, worauf ich eine Auf¬
forderung zum Beitritt erhielt, der ich auch Folge leistete.

Wenn man die im ersten Heft der Zeitschrift veröffentlichte Liste der Mit¬
glieder und des Aufsichtsrats mustert, so sollte man denken, daß eine sach¬
gemäße Form der Veröffentlichung schon durch sie verbürgt wäre. An der
Spitze des Verzeichnisses stehen drei gekrönte Häupter, die Könige von Sachsen
und Württemberg und der Prinzregent Luitpold von Baiern. Im Aufsichtsrat
sitzen N. Begas. Böcklin, Grisebach. L. v. Hofmann, Graf Kalckreuth, A. Keller,
Klinger, Koepping, Kühl, Liebermann, Maison. Max, Skarbina, Stuck, v. Abbe
und Unger, also Künstler, die, wenn auch nicht alle in gleicher Weise, doch
im Ganzen zu den bedeutendsten unsrer Zeit gerechnet werden. Dazu
kommen Kunsthistoriker wie Bahersdorffer, Bode, Graul, Lichtwark, Mulder,
v. Seidlitz, H. W. Singer und Woermann, also Männer, deren Namen ebenfalls
einen guten Klang haben. Endlich eine Reihe von Dichtern des „jüngsten
Deutschlands" wie Dehmel, Halbe, Hartleben, Liliencron, Ompteda u. f. w.,
die ich zwar zum Teil für sehr begabt, zum Teil aber auch für bloße Dilet¬
tanten halte. Aber das mag eine persönliche Anschauung sein, die vielleicht
von andern nicht geteilt wird. Soviel ist sicher, daß sich diese jungen Dichter
bis jetzt in viel geringerm Grade als die zuerst erwähnten Künstler der all¬
gemeinen Anerkennung erfreuen, und daß man schon aus diesem Grunde in litte¬
rarischer Beziehung von der Zeitschrift weniger Gutes erwarten konnte als in
künstlerischer. Hatten doch diese Dichter vor einigen Jahren eine künstlerisch aus¬
gestattete Sammlung unter dem Namen eines „modernen Musenalmanachs"
herausgegeben, die neben einigen guten Sachen auch sehr viel Mittelmäßiges
enthielt und deshalb nur eine sehr geteilte Aufnahme gefunden hatte. Ich bin
nicht genug in die Vorgeschichte des „Pan" eingeweiht, um bestimmt sagen zu
können, von wem die Idee der Gründung dieser Genossenschaft ausgegangen
ist. Jetzt, wo die zwei ersten Hefte der Zeitschrift vorliegen, ist es mir voll¬
kommen klar, daß die zuletzt genannte Gruppe als die eigentliche Seele des
Unternehmens betrachtet werden muß. Man erhält geradezu den Eindruck, als
ob es unserm jüngsten Deutschland in erster Linie darum zu thun gewesen
wäre, in dieser Form eine neue und monumentalere Auflage des „Musen¬
almanachs" zu schaffen, und als ob die Kunsthistoriker und ältern Künstler,
die dem Ausschuß angehören, gewissermaßen nur als Ornament, wenn ich so
sagen darf, als werdendes Aushängeschild zur Gewinnung weiterer Kreise
herangezogen worden sind.

Leider muß ich meinen Freunden im Aufsichtsrat das Bekenntnis ablegen,
daß schon das erste Heft des „Pan," das im April dieses Jahres erschienen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220325/188>, abgerufen am 13.05.2024.