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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr.

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Am heiligen Damm

des rechtwinklig nach der See angebauten mehrstöckigen neuen "Logirhauses"
eine recht gute Musik aufführt. Gegenüber dem großen, geschmackvollen "Logir-
hause" erhebt sich ein andrer schöner Bau, der den Namen "Großfürstin Marie"
trägt, ein Besitz der Großherzogin-Witwe von Mecklenburg; er eröffnet die
Reihe der Villen, die sich unweit des Strandes nach Osten hinziehen, während
das Kurhaus und das Logirhans den Blick auf die dahinterliegenden fürstlichen
Besitzungen: "Burg Hohenzollern" und "Krone," dem Großherzog gehörig,
"Marieneottage" und "Alexandrineneottage" verdecken. Alle diese schönen
Ruhesitze umfaßt der wohlgepflegte, von Wegen durchzogne Wald.

Auf dem genannten freien Platze vor der Villa der Großfürstin Marie
liegt auf einem Erdhügel, von alten Bäume" beschattet, ein riesiger Granit¬
block mit der Inschrift: "Friedrich Franz I. gründete hier Deutschlands erstes
Seebad 1793." Und wahrhaftig, der gute Herzog hätte keinen schönern Fleck
seines an Reizen nicht armen Landes finden können zu seiner und seiner Ge¬
treuen Erholung. Lange Zeit blieb auch der heilige Damm die beliebte Sammel¬
stätte des mecklenburgischen Adels, bis der Urenkel des Gründers, der verstorbne
Großherzog Friedrich Franz II. das Bad an eine Gesellschaft verkaufte. Da
änderte das vornehme Adelsbad bald seine Eigentümlichkeit. Es kamen die
reichen Kaufleute von Hcunbnrg und Berlin, und besonders die Leute vom
Stamme Sein. Der Adel zog sich mehr und mehr zurück, aber auch den andern
Gästen behagte das Alleinsein nicht, sie blieben auch weg. So war lange Zeit
die Zahl der Besucher ziemlich gering. Erst in den letzten Jahren ist sie wieder
gestiegen, und in einer Zusammenstellung der Zahlen für den Besuch der mecklen¬
burgischen Seebäder sunt ich den heiligen Damm mit mehr als 1200 Bade¬
gästen angegeben. Leider kommt ein gutes Teil davon auf die Besucher des
Rennens und -- die Tanbenschützen. Ja, Rennen und Taubenschicßen bilden
die Hauptanziehung auf diesem friedlichen Fleck Erde, der von Natur wie ge¬
schaffen ist zu ruhiger und beschaulicher Erholung!

Die Reunbcchn liegt in der Mitte zwischen dem Walde des heiligen Dammes
und dem eine kleine Meile landeinwärts liegenden Städtchen Doberan. Auch
dieser freundliche Ort, der allsommerlich viele Besucher anzieht, verdankt seinen
Aufschwung dem lebenslustigen Herzog Friedrich Franz I., der sich hier, als
der Ort noch ein Dorf war, in geziemender Entfernung von der alten gotischen
Kirche einen Spieltempel bauen ließ. Da spielte er jeden Sommer im Kreise
seiner getreuen Unterthanen, nahm ihnen ihr Geld ab oder verlor das seine.
Als er eines Tags an der Seite eines ehrsamen Töpfers all sein bares Geld
verjnchhet und auch den armen Teufel mit ins Unglück gerissen hatte, fragte
er ihn: "Wat maken wi nu, Meister Potter?" Und ruhig antwortete der
wackre Potter: "Dat will ickSeiseggen; ick mal wedder Pott, un Sei -- schriewen
ne nige Kontributschon ut." Und so wirds wohl geworden sein, doch sollen
die "lieben, getreuen Landstände" schon damals, wenn es sich um Geldbewil-


Am heiligen Damm

des rechtwinklig nach der See angebauten mehrstöckigen neuen „Logirhauses"
eine recht gute Musik aufführt. Gegenüber dem großen, geschmackvollen „Logir-
hause" erhebt sich ein andrer schöner Bau, der den Namen „Großfürstin Marie"
trägt, ein Besitz der Großherzogin-Witwe von Mecklenburg; er eröffnet die
Reihe der Villen, die sich unweit des Strandes nach Osten hinziehen, während
das Kurhaus und das Logirhans den Blick auf die dahinterliegenden fürstlichen
Besitzungen: „Burg Hohenzollern" und „Krone," dem Großherzog gehörig,
„Marieneottage" und „Alexandrineneottage" verdecken. Alle diese schönen
Ruhesitze umfaßt der wohlgepflegte, von Wegen durchzogne Wald.

Auf dem genannten freien Platze vor der Villa der Großfürstin Marie
liegt auf einem Erdhügel, von alten Bäume» beschattet, ein riesiger Granit¬
block mit der Inschrift: „Friedrich Franz I. gründete hier Deutschlands erstes
Seebad 1793." Und wahrhaftig, der gute Herzog hätte keinen schönern Fleck
seines an Reizen nicht armen Landes finden können zu seiner und seiner Ge¬
treuen Erholung. Lange Zeit blieb auch der heilige Damm die beliebte Sammel¬
stätte des mecklenburgischen Adels, bis der Urenkel des Gründers, der verstorbne
Großherzog Friedrich Franz II. das Bad an eine Gesellschaft verkaufte. Da
änderte das vornehme Adelsbad bald seine Eigentümlichkeit. Es kamen die
reichen Kaufleute von Hcunbnrg und Berlin, und besonders die Leute vom
Stamme Sein. Der Adel zog sich mehr und mehr zurück, aber auch den andern
Gästen behagte das Alleinsein nicht, sie blieben auch weg. So war lange Zeit
die Zahl der Besucher ziemlich gering. Erst in den letzten Jahren ist sie wieder
gestiegen, und in einer Zusammenstellung der Zahlen für den Besuch der mecklen¬
burgischen Seebäder sunt ich den heiligen Damm mit mehr als 1200 Bade¬
gästen angegeben. Leider kommt ein gutes Teil davon auf die Besucher des
Rennens und — die Tanbenschützen. Ja, Rennen und Taubenschicßen bilden
die Hauptanziehung auf diesem friedlichen Fleck Erde, der von Natur wie ge¬
schaffen ist zu ruhiger und beschaulicher Erholung!

Die Reunbcchn liegt in der Mitte zwischen dem Walde des heiligen Dammes
und dem eine kleine Meile landeinwärts liegenden Städtchen Doberan. Auch
dieser freundliche Ort, der allsommerlich viele Besucher anzieht, verdankt seinen
Aufschwung dem lebenslustigen Herzog Friedrich Franz I., der sich hier, als
der Ort noch ein Dorf war, in geziemender Entfernung von der alten gotischen
Kirche einen Spieltempel bauen ließ. Da spielte er jeden Sommer im Kreise
seiner getreuen Unterthanen, nahm ihnen ihr Geld ab oder verlor das seine.
Als er eines Tags an der Seite eines ehrsamen Töpfers all sein bares Geld
verjnchhet und auch den armen Teufel mit ins Unglück gerissen hatte, fragte
er ihn: „Wat maken wi nu, Meister Potter?" Und ruhig antwortete der
wackre Potter: „Dat will ickSeiseggen; ick mal wedder Pott, un Sei — schriewen
ne nige Kontributschon ut." Und so wirds wohl geworden sein, doch sollen
die „lieben, getreuen Landstände" schon damals, wenn es sich um Geldbewil-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220325/239>, abgerufen am 12.05.2024.