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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr.

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Zur Kenntnis der englischen Meltpolitik

englische Besitz in Südafrika so gewachsen, daß er nun auch im Norden die
Burengebiete umringt und nur noch kleine Ländchen zwischen ihnen und der
Küste freiläßt, von denen das eine, das Swasiland (etwa von der Größe
Württembergs), den Buren durch Landerwerb ohnehin schon gehörte, als nach
langen Verhandlungen die Südafrikanische Republik es jüngst übernahm.
Das Übereinkommen wegen dieses Swasilandes zwischen der südafrikanischen
Republik und England enthält die oben erwähnte Klausel über Eisenbahnen,
bestimmt die Gleichberechtigung der englischen und der holländischen Sprache
und die Erteilung des Stimmrechts an alle Weißen des Swasilandes und
verbietet die Erhebung höherer Zölle, als sie in der südafrikanischen Re¬
publik oder im Kapzollverein erhoben werden, sowie den Verkauf geistiger
Getränke an die Schwarzen. Daß sich die Leute in Pretoria zu diesen Ein¬
räumungen herbeigelassen haben, bezeichnet zur Genüge die Schwierigkeit
der Lage der Burenrepubliken. Übrigens ist die Übernahme durch die Trans-
vaalrcgiernng durch zwei Offiziere mit kleiner Eskorte geschehen, ganz friedlich
und ohne das in den englischen Blättern fast aufreizend verkündete Blut¬
vergießen. Etwas andres ist es mit dem meisten östlich an der Küste ge¬
legnen Tongaland, dem letzten Rest des 1387 von England annektirten Sulu-
landes. Dies war in der ersten Jugendzeit unsrer Kolonialpolitik auch dem
deutschen Reiche angeboten, aber kurzsichtig abgelehnt worden, obwohl es
mindestens als Äquivalent gegen die Walfischbai und ähnliches vorübergehenden
Wert hätte haben können. Vorüber! 1891 siel durch den englisch-portu¬
giesischen Vertrag auch dieser Küstenstrich in das englische Einflußgebiet. Aber
die Buren haben sich, ebenso wie im Swcisilande, dort Rechte gesichert, die
1890 von England bedingt anerkannt worden sind. Daher nun die kräftigen
Proteste diesesmal auch Vonseiten des lange passiv gewesenen Oranjefreistaats
gegen die Annexion von Tongaland, durch dessen Gebiet der südafrikanischen
Republik drei Landstreifen in dem ersten Swasilandvertrage von 1890 zuerkannt
worden waren, zwei für Eisenbahnlinien zur Küste, einer zur Schifffnhrt auf
dem Pongolo. Allerdings hat dieser Vertrag an die Überlassung verschiedne
Bedingungen geknüpft, vorzüglich die Zollvereinigung der südafrikanischen
Republik mit den englischen Kolonien in Südafrika. An diesen Vertrag mochte
Lord Salisbury denken, als er letzten Winter im Oberhause die lehrreichen
Worte sprach: "Selbst die Regierung von Transvaal, so feindlich sie uns ge¬
sinnt war, findet allmählich den Druck der Thätigkeit der Engländer rings
umher so stark, daß sie langsam nachgiebt, und wir zweifeln nicht, daß durch
freundliche und friedliche, wenn auch unwiderstehliche Mittel Transvaal ge¬
zwungen werden wird, sich der Konföderation anzuschließen, die eigentlich
schon fertig ist." --

Angesichts der thatsächlichen Schwierigkeiten, die das englische Weltreich
umgeben, macht es den Eindruck einer krampfhaften Begeisterung, die sich selbst


Zur Kenntnis der englischen Meltpolitik

englische Besitz in Südafrika so gewachsen, daß er nun auch im Norden die
Burengebiete umringt und nur noch kleine Ländchen zwischen ihnen und der
Küste freiläßt, von denen das eine, das Swasiland (etwa von der Größe
Württembergs), den Buren durch Landerwerb ohnehin schon gehörte, als nach
langen Verhandlungen die Südafrikanische Republik es jüngst übernahm.
Das Übereinkommen wegen dieses Swasilandes zwischen der südafrikanischen
Republik und England enthält die oben erwähnte Klausel über Eisenbahnen,
bestimmt die Gleichberechtigung der englischen und der holländischen Sprache
und die Erteilung des Stimmrechts an alle Weißen des Swasilandes und
verbietet die Erhebung höherer Zölle, als sie in der südafrikanischen Re¬
publik oder im Kapzollverein erhoben werden, sowie den Verkauf geistiger
Getränke an die Schwarzen. Daß sich die Leute in Pretoria zu diesen Ein¬
räumungen herbeigelassen haben, bezeichnet zur Genüge die Schwierigkeit
der Lage der Burenrepubliken. Übrigens ist die Übernahme durch die Trans-
vaalrcgiernng durch zwei Offiziere mit kleiner Eskorte geschehen, ganz friedlich
und ohne das in den englischen Blättern fast aufreizend verkündete Blut¬
vergießen. Etwas andres ist es mit dem meisten östlich an der Küste ge¬
legnen Tongaland, dem letzten Rest des 1387 von England annektirten Sulu-
landes. Dies war in der ersten Jugendzeit unsrer Kolonialpolitik auch dem
deutschen Reiche angeboten, aber kurzsichtig abgelehnt worden, obwohl es
mindestens als Äquivalent gegen die Walfischbai und ähnliches vorübergehenden
Wert hätte haben können. Vorüber! 1891 siel durch den englisch-portu¬
giesischen Vertrag auch dieser Küstenstrich in das englische Einflußgebiet. Aber
die Buren haben sich, ebenso wie im Swcisilande, dort Rechte gesichert, die
1890 von England bedingt anerkannt worden sind. Daher nun die kräftigen
Proteste diesesmal auch Vonseiten des lange passiv gewesenen Oranjefreistaats
gegen die Annexion von Tongaland, durch dessen Gebiet der südafrikanischen
Republik drei Landstreifen in dem ersten Swasilandvertrage von 1890 zuerkannt
worden waren, zwei für Eisenbahnlinien zur Küste, einer zur Schifffnhrt auf
dem Pongolo. Allerdings hat dieser Vertrag an die Überlassung verschiedne
Bedingungen geknüpft, vorzüglich die Zollvereinigung der südafrikanischen
Republik mit den englischen Kolonien in Südafrika. An diesen Vertrag mochte
Lord Salisbury denken, als er letzten Winter im Oberhause die lehrreichen
Worte sprach: „Selbst die Regierung von Transvaal, so feindlich sie uns ge¬
sinnt war, findet allmählich den Druck der Thätigkeit der Engländer rings
umher so stark, daß sie langsam nachgiebt, und wir zweifeln nicht, daß durch
freundliche und friedliche, wenn auch unwiderstehliche Mittel Transvaal ge¬
zwungen werden wird, sich der Konföderation anzuschließen, die eigentlich
schon fertig ist." —

Angesichts der thatsächlichen Schwierigkeiten, die das englische Weltreich
umgeben, macht es den Eindruck einer krampfhaften Begeisterung, die sich selbst


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[0028] Zur Kenntnis der englischen Meltpolitik englische Besitz in Südafrika so gewachsen, daß er nun auch im Norden die Burengebiete umringt und nur noch kleine Ländchen zwischen ihnen und der Küste freiläßt, von denen das eine, das Swasiland (etwa von der Größe Württembergs), den Buren durch Landerwerb ohnehin schon gehörte, als nach langen Verhandlungen die Südafrikanische Republik es jüngst übernahm. Das Übereinkommen wegen dieses Swasilandes zwischen der südafrikanischen Republik und England enthält die oben erwähnte Klausel über Eisenbahnen, bestimmt die Gleichberechtigung der englischen und der holländischen Sprache und die Erteilung des Stimmrechts an alle Weißen des Swasilandes und verbietet die Erhebung höherer Zölle, als sie in der südafrikanischen Re¬ publik oder im Kapzollverein erhoben werden, sowie den Verkauf geistiger Getränke an die Schwarzen. Daß sich die Leute in Pretoria zu diesen Ein¬ räumungen herbeigelassen haben, bezeichnet zur Genüge die Schwierigkeit der Lage der Burenrepubliken. Übrigens ist die Übernahme durch die Trans- vaalrcgiernng durch zwei Offiziere mit kleiner Eskorte geschehen, ganz friedlich und ohne das in den englischen Blättern fast aufreizend verkündete Blut¬ vergießen. Etwas andres ist es mit dem meisten östlich an der Küste ge¬ legnen Tongaland, dem letzten Rest des 1387 von England annektirten Sulu- landes. Dies war in der ersten Jugendzeit unsrer Kolonialpolitik auch dem deutschen Reiche angeboten, aber kurzsichtig abgelehnt worden, obwohl es mindestens als Äquivalent gegen die Walfischbai und ähnliches vorübergehenden Wert hätte haben können. Vorüber! 1891 siel durch den englisch-portu¬ giesischen Vertrag auch dieser Küstenstrich in das englische Einflußgebiet. Aber die Buren haben sich, ebenso wie im Swcisilande, dort Rechte gesichert, die 1890 von England bedingt anerkannt worden sind. Daher nun die kräftigen Proteste diesesmal auch Vonseiten des lange passiv gewesenen Oranjefreistaats gegen die Annexion von Tongaland, durch dessen Gebiet der südafrikanischen Republik drei Landstreifen in dem ersten Swasilandvertrage von 1890 zuerkannt worden waren, zwei für Eisenbahnlinien zur Küste, einer zur Schifffnhrt auf dem Pongolo. Allerdings hat dieser Vertrag an die Überlassung verschiedne Bedingungen geknüpft, vorzüglich die Zollvereinigung der südafrikanischen Republik mit den englischen Kolonien in Südafrika. An diesen Vertrag mochte Lord Salisbury denken, als er letzten Winter im Oberhause die lehrreichen Worte sprach: „Selbst die Regierung von Transvaal, so feindlich sie uns ge¬ sinnt war, findet allmählich den Druck der Thätigkeit der Engländer rings umher so stark, daß sie langsam nachgiebt, und wir zweifeln nicht, daß durch freundliche und friedliche, wenn auch unwiderstehliche Mittel Transvaal ge¬ zwungen werden wird, sich der Konföderation anzuschließen, die eigentlich schon fertig ist." — Angesichts der thatsächlichen Schwierigkeiten, die das englische Weltreich umgeben, macht es den Eindruck einer krampfhaften Begeisterung, die sich selbst

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220325/28>, abgerufen am 12.05.2024.