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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr.

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Oas Kapital von Karl Marx

den Kritikern der Marxischen Werttheorie, Karl Knies. Wir wollen nnr zwei
hervorheben. S. 121 seines vortrefflichen Buches: "Das Geld" schreibt er:
"Wer wie Marx anerkennt, daß der Gebrauchswert des wild gewachsenen
Holzes, des Grases auf den natürlichen Wiesen, des jungfräulichen Bodens
ohne Mitwirkung menschlicher Arbeit vorhanden ist, der darf nicht erklären,
die menschliche Arbeit sei die maßgebende und ausschließliche Grundlage des
Tauschwertes." Gerade der darf nicht bloß, sondern muß, das ist doch sonnen¬
klar! Jene ohne Menschenarbeit gewordnen Güter haben ja gar keinen Tausch¬
wert, und eben daraus erkennt man, daß aller Tauschwert, wenn nicht aus¬
schließlich, so doch hauptsächlich aus der Arbeit entspringt. Unokknpirter
Boden und Urwaldholz gelten keinen Pfennig. Das Urwaldholz muß sogar
erst, wenigstens stellenweise, durch Feuer vernichtet werden, wenn man dein
Boden und dadurch dem noch stehengebliebnen Holze Wert verschaffen will.
Aus dem benachbarten Walde holt sich dann der Ansiedler Holz, soviel er
braucht, ohne dafür zu bezahlen. Überläßt er einen Stamm, den er geholt
hat, einem Nachbar, der vielleicht wegen andrer dringender Arbeiten keine Zeit
hat, selbst Holz zu fällen und herbeizuschaffen, so läßt er sich dafür allerdings
bezahlen. Aber was läßt er sich bezahlen? Seine Arbeit! Genauer: seine
Arbeitszeit, z. B. drei Tagewerke, wenn er mit zwei Söhnen oder Knechten
einen Tag lang gearbeitet hat. Was bezahlen wir in den wildgewachsenen
Beeren, die Frauen und Kinder zu Markte bringen? Die Arbeit des Sammelns,
und zwar die Arbeitsstunden. Stehen die Beeren so dicht, daß rasch ein
Töpfchen voll wird, und liegt der Beerenschlag nahe am Ort, so ist die Ware
natürlich billiger, als wenn jemand einen ganzen Tag braucht, um ein Tellerchen
voll zu sammeln. Gartenbeeren sind teurer, weil Gärtnerarbeit, außerdem freilich
auch noch Grundrente in ihnen steckt. Bekanntlich wird dieser natürliche Zu¬
sammenhang vielfach durch das Grundeigentum verdeckt. schenkt der Staat einen
vorher herrenlosen Wald einem Privatbesitzer, dann läßt sich dieser für die
Erlaubnis bezahlen, die man nachsuchen muß, wenn man Holz schlagen oder
Früchte sammeln will, und diese "Grundrente" erhöht den Preis über den
Arbeitslohn. Nealisirt kann sie erst werden, wenn kein freies Land, kein freier
Wald mehr vorhanden ist; solange es noch solchen giebt, fällt es natürlich
niemand ein, einem Grundbesitzer Tribut zu zahlen. Wuchse die Produktivität
der Arbeit und mit ihr die Güterfülle ins unendliche, so wäre aller Waren¬
wert gleich Null. Dadurch würden wir aber, die Zugänglichkeit der Güter
vorausgesetzt, nicht arm, sondern unendlich reich, während ein Volk dann
bettelarm wäre, wenn z. B. eine anstündige Wohnung sür alle Volksgenossen
einen so unerschwinglichen Wert hätte, wie heute für die Vagabunden. Es ist
sonderbar, daß sich die Nationalökonomen so heftig gegen die Arbeitswerttheorie
sträuben, da doch schon lange vor Marx alle Welt über die Entwertung der
Menschenarbeit durch die Maschine klagt.


Oas Kapital von Karl Marx

den Kritikern der Marxischen Werttheorie, Karl Knies. Wir wollen nnr zwei
hervorheben. S. 121 seines vortrefflichen Buches: „Das Geld" schreibt er:
„Wer wie Marx anerkennt, daß der Gebrauchswert des wild gewachsenen
Holzes, des Grases auf den natürlichen Wiesen, des jungfräulichen Bodens
ohne Mitwirkung menschlicher Arbeit vorhanden ist, der darf nicht erklären,
die menschliche Arbeit sei die maßgebende und ausschließliche Grundlage des
Tauschwertes." Gerade der darf nicht bloß, sondern muß, das ist doch sonnen¬
klar! Jene ohne Menschenarbeit gewordnen Güter haben ja gar keinen Tausch¬
wert, und eben daraus erkennt man, daß aller Tauschwert, wenn nicht aus¬
schließlich, so doch hauptsächlich aus der Arbeit entspringt. Unokknpirter
Boden und Urwaldholz gelten keinen Pfennig. Das Urwaldholz muß sogar
erst, wenigstens stellenweise, durch Feuer vernichtet werden, wenn man dein
Boden und dadurch dem noch stehengebliebnen Holze Wert verschaffen will.
Aus dem benachbarten Walde holt sich dann der Ansiedler Holz, soviel er
braucht, ohne dafür zu bezahlen. Überläßt er einen Stamm, den er geholt
hat, einem Nachbar, der vielleicht wegen andrer dringender Arbeiten keine Zeit
hat, selbst Holz zu fällen und herbeizuschaffen, so läßt er sich dafür allerdings
bezahlen. Aber was läßt er sich bezahlen? Seine Arbeit! Genauer: seine
Arbeitszeit, z. B. drei Tagewerke, wenn er mit zwei Söhnen oder Knechten
einen Tag lang gearbeitet hat. Was bezahlen wir in den wildgewachsenen
Beeren, die Frauen und Kinder zu Markte bringen? Die Arbeit des Sammelns,
und zwar die Arbeitsstunden. Stehen die Beeren so dicht, daß rasch ein
Töpfchen voll wird, und liegt der Beerenschlag nahe am Ort, so ist die Ware
natürlich billiger, als wenn jemand einen ganzen Tag braucht, um ein Tellerchen
voll zu sammeln. Gartenbeeren sind teurer, weil Gärtnerarbeit, außerdem freilich
auch noch Grundrente in ihnen steckt. Bekanntlich wird dieser natürliche Zu¬
sammenhang vielfach durch das Grundeigentum verdeckt. schenkt der Staat einen
vorher herrenlosen Wald einem Privatbesitzer, dann läßt sich dieser für die
Erlaubnis bezahlen, die man nachsuchen muß, wenn man Holz schlagen oder
Früchte sammeln will, und diese „Grundrente" erhöht den Preis über den
Arbeitslohn. Nealisirt kann sie erst werden, wenn kein freies Land, kein freier
Wald mehr vorhanden ist; solange es noch solchen giebt, fällt es natürlich
niemand ein, einem Grundbesitzer Tribut zu zahlen. Wuchse die Produktivität
der Arbeit und mit ihr die Güterfülle ins unendliche, so wäre aller Waren¬
wert gleich Null. Dadurch würden wir aber, die Zugänglichkeit der Güter
vorausgesetzt, nicht arm, sondern unendlich reich, während ein Volk dann
bettelarm wäre, wenn z. B. eine anstündige Wohnung sür alle Volksgenossen
einen so unerschwinglichen Wert hätte, wie heute für die Vagabunden. Es ist
sonderbar, daß sich die Nationalökonomen so heftig gegen die Arbeitswerttheorie
sträuben, da doch schon lange vor Marx alle Welt über die Entwertung der
Menschenarbeit durch die Maschine klagt.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220325/34>, abgerufen am 12.05.2024.