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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

ein andrer Gendarm, ein Polizeikommissar und elf Mitglieder des Vereins christlicher
Bergleute die andre. Der Redakteur wird verurteilt, Schröder und seine Ent¬
lastungszeugen werden wegen des Verdachts des Meineids in Haft genommen. In
der Verhandlung gegen sie werden Schröder und fünf andre wegen wissentlichen
Meineids zu Zuchthaus verurteilt, während der siebente, dessen vermeintlichen
Meineid man als einen bloß fahrlässigen auffaßt, mit Gefängnis wegkommt.

War es notwendig, mit Anwendung des modernen Folterinstruments, das
mau Zeugcneid nennt, herauszubekommen, ob Schröder von Munter gestoßen worden
sei? Nein, es war nicht notwendig. Wenn man den Redakteur verurteilen wollte,
so konnte man das thun, wie es ja so oft geschieht, mit der Begründung, daß aus
der Fassung des Artikels die Absicht hervorleuchte, deu Gendarmen zu beleidigen und
die Arbeiterbevölkerung gegen die Behörden aufzuhetzen. Qualifizirt sich etwa die
Behauptung, Munter habe Schröder" am Kragen gefaßt und ihm einen Stoß
versetzt, wenn sie unwahr ist, als Verleumdung? Bewahre! In den Augen der
Behörden und der herrschenden Klassen -- und diese, nicht die Arbeiter, kommen
bei der Feststellung des Ehrenpunktes vor Gericht in Betracht -- bringt es einem
Polizeibeamten durchaus keine Schande, wenn man erfährt/ daß er einen Sozial¬
demokraten "geschuppst" habe oder sonst forsch gegen ihn vorgegangen sei; viel¬
leicht verhilft ihm sogar der Ruf der Schneidigkeit zu Beförderung und Auszeich¬
nungen. Münter selbst hat auch in der Verhandlung einmal geäußert, er habe ja
das Recht gehabt, den Mann am Kragen zu fassen, aber er habe es nun einmal
nicht gethan. Also es war nicht nötig, zur Herstellung der gar nicht angetasteten
Ehre des Gendarmen einundzwanzig Zeugen eidlich zu vernehmen, und dadurch die
Gefahr von vielen Dutzend Meineiden herbeizuführen, das heißt von vielen Dutzend
Verbrechen. Die Notwendigkeit des Zeugeneides im allgemeinen, die wir bestreiten,
einmal zugegeben, kann man diesen Eid, den Zwang zu einer Handlung, bei der
eine Verfehlung als schweres Verbrechen mit Zuchthaus bestraft wird, vernünftiger¬
weise doch nur auflegen, wo es sich um eine hochwichtige Angelegenheit handelt.
Der richtige Deutsche zieht deu Tod dem Zuchthaus vor, Zuchthausgefahr ist also
ärger als Todesgefahr. Mau kann nun ejuen Pflichtfeuerwehrmmm wohl zwingen,
sein eignes Leben zur Rettung andrer Menschenleben aufs Spiel zu setzen, nicht
aber, um ein Taschentuch aus den Flammen zu holen. Selbst wenn die Ehre
Münters auf dem Spiele gestanden hätte, was, wie gesagt, nicht der Fall war,
wäre immer noch zu erwägen gewesen, ob die Ehre eines Gendarmen ein hin¬
reichender Grund sei, beinahe zwei Dutzend Männer in die Gefahr des Zucht¬
hauses zu bringen. Die Ansichten über die Aufgaben der Strafjustiz mögen noch
so weit auseinandergehen, darin werden hoffentlich alle übereinstimmen, daß es
nicht ihre Aufgabe sei, Verbrechen und Verbrecher zu machen. Das thut sie
aber beim Zeugeueid in einer dreifachen Weise. Sie erklärt eine Handlung (eine
Lüge), die an sich zwar Sunde, aber kein Verbrechen ist, für ein Verbrechen.
(Eine Lüge kann ein Verbrechen sein, z. B. ist sie es, wenn sie einen Unschul¬
digen zum Mörder stempelt oder die Entdeckung eines Mörders verhindert; und
deswegen muß eine derartige Zeugeulüge schwer bestraft werden. Eine Zeugenlüge
bei Bagatellprozessen, zu denen fast alle Preßprozesse gehören, mag man, wenn sie
entdeckt wird, anch bestrafen, aber doch nicht mit Znchthnns, sondern mit ein paar
Mark oder allenfalls ein paar hundert Mark. Jede Zeugenlüge zu einem zucht¬
hauswürdigen Verbrechen zu stempeln, ist den Juristen mit Hilfe des theologischen
Eidbegrisfs gelungen. Dabei ist ihnen nnr ein doppeltes kleines Malheur zuge¬
stoßen. Sie haben übersehen, daß im Munde des Atheisten die Berufung auf Gott


Maßgebliches und Unmaßgebliches

ein andrer Gendarm, ein Polizeikommissar und elf Mitglieder des Vereins christlicher
Bergleute die andre. Der Redakteur wird verurteilt, Schröder und seine Ent¬
lastungszeugen werden wegen des Verdachts des Meineids in Haft genommen. In
der Verhandlung gegen sie werden Schröder und fünf andre wegen wissentlichen
Meineids zu Zuchthaus verurteilt, während der siebente, dessen vermeintlichen
Meineid man als einen bloß fahrlässigen auffaßt, mit Gefängnis wegkommt.

War es notwendig, mit Anwendung des modernen Folterinstruments, das
mau Zeugcneid nennt, herauszubekommen, ob Schröder von Munter gestoßen worden
sei? Nein, es war nicht notwendig. Wenn man den Redakteur verurteilen wollte,
so konnte man das thun, wie es ja so oft geschieht, mit der Begründung, daß aus
der Fassung des Artikels die Absicht hervorleuchte, deu Gendarmen zu beleidigen und
die Arbeiterbevölkerung gegen die Behörden aufzuhetzen. Qualifizirt sich etwa die
Behauptung, Munter habe Schröder» am Kragen gefaßt und ihm einen Stoß
versetzt, wenn sie unwahr ist, als Verleumdung? Bewahre! In den Augen der
Behörden und der herrschenden Klassen — und diese, nicht die Arbeiter, kommen
bei der Feststellung des Ehrenpunktes vor Gericht in Betracht — bringt es einem
Polizeibeamten durchaus keine Schande, wenn man erfährt/ daß er einen Sozial¬
demokraten „geschuppst" habe oder sonst forsch gegen ihn vorgegangen sei; viel¬
leicht verhilft ihm sogar der Ruf der Schneidigkeit zu Beförderung und Auszeich¬
nungen. Münter selbst hat auch in der Verhandlung einmal geäußert, er habe ja
das Recht gehabt, den Mann am Kragen zu fassen, aber er habe es nun einmal
nicht gethan. Also es war nicht nötig, zur Herstellung der gar nicht angetasteten
Ehre des Gendarmen einundzwanzig Zeugen eidlich zu vernehmen, und dadurch die
Gefahr von vielen Dutzend Meineiden herbeizuführen, das heißt von vielen Dutzend
Verbrechen. Die Notwendigkeit des Zeugeneides im allgemeinen, die wir bestreiten,
einmal zugegeben, kann man diesen Eid, den Zwang zu einer Handlung, bei der
eine Verfehlung als schweres Verbrechen mit Zuchthaus bestraft wird, vernünftiger¬
weise doch nur auflegen, wo es sich um eine hochwichtige Angelegenheit handelt.
Der richtige Deutsche zieht deu Tod dem Zuchthaus vor, Zuchthausgefahr ist also
ärger als Todesgefahr. Mau kann nun ejuen Pflichtfeuerwehrmmm wohl zwingen,
sein eignes Leben zur Rettung andrer Menschenleben aufs Spiel zu setzen, nicht
aber, um ein Taschentuch aus den Flammen zu holen. Selbst wenn die Ehre
Münters auf dem Spiele gestanden hätte, was, wie gesagt, nicht der Fall war,
wäre immer noch zu erwägen gewesen, ob die Ehre eines Gendarmen ein hin¬
reichender Grund sei, beinahe zwei Dutzend Männer in die Gefahr des Zucht¬
hauses zu bringen. Die Ansichten über die Aufgaben der Strafjustiz mögen noch
so weit auseinandergehen, darin werden hoffentlich alle übereinstimmen, daß es
nicht ihre Aufgabe sei, Verbrechen und Verbrecher zu machen. Das thut sie
aber beim Zeugeueid in einer dreifachen Weise. Sie erklärt eine Handlung (eine
Lüge), die an sich zwar Sunde, aber kein Verbrechen ist, für ein Verbrechen.
(Eine Lüge kann ein Verbrechen sein, z. B. ist sie es, wenn sie einen Unschul¬
digen zum Mörder stempelt oder die Entdeckung eines Mörders verhindert; und
deswegen muß eine derartige Zeugeulüge schwer bestraft werden. Eine Zeugenlüge
bei Bagatellprozessen, zu denen fast alle Preßprozesse gehören, mag man, wenn sie
entdeckt wird, anch bestrafen, aber doch nicht mit Znchthnns, sondern mit ein paar
Mark oder allenfalls ein paar hundert Mark. Jede Zeugenlüge zu einem zucht¬
hauswürdigen Verbrechen zu stempeln, ist den Juristen mit Hilfe des theologischen
Eidbegrisfs gelungen. Dabei ist ihnen nnr ein doppeltes kleines Malheur zuge¬
stoßen. Sie haben übersehen, daß im Munde des Atheisten die Berufung auf Gott


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[0446] Maßgebliches und Unmaßgebliches ein andrer Gendarm, ein Polizeikommissar und elf Mitglieder des Vereins christlicher Bergleute die andre. Der Redakteur wird verurteilt, Schröder und seine Ent¬ lastungszeugen werden wegen des Verdachts des Meineids in Haft genommen. In der Verhandlung gegen sie werden Schröder und fünf andre wegen wissentlichen Meineids zu Zuchthaus verurteilt, während der siebente, dessen vermeintlichen Meineid man als einen bloß fahrlässigen auffaßt, mit Gefängnis wegkommt. War es notwendig, mit Anwendung des modernen Folterinstruments, das mau Zeugcneid nennt, herauszubekommen, ob Schröder von Munter gestoßen worden sei? Nein, es war nicht notwendig. Wenn man den Redakteur verurteilen wollte, so konnte man das thun, wie es ja so oft geschieht, mit der Begründung, daß aus der Fassung des Artikels die Absicht hervorleuchte, deu Gendarmen zu beleidigen und die Arbeiterbevölkerung gegen die Behörden aufzuhetzen. Qualifizirt sich etwa die Behauptung, Munter habe Schröder» am Kragen gefaßt und ihm einen Stoß versetzt, wenn sie unwahr ist, als Verleumdung? Bewahre! In den Augen der Behörden und der herrschenden Klassen — und diese, nicht die Arbeiter, kommen bei der Feststellung des Ehrenpunktes vor Gericht in Betracht — bringt es einem Polizeibeamten durchaus keine Schande, wenn man erfährt/ daß er einen Sozial¬ demokraten „geschuppst" habe oder sonst forsch gegen ihn vorgegangen sei; viel¬ leicht verhilft ihm sogar der Ruf der Schneidigkeit zu Beförderung und Auszeich¬ nungen. Münter selbst hat auch in der Verhandlung einmal geäußert, er habe ja das Recht gehabt, den Mann am Kragen zu fassen, aber er habe es nun einmal nicht gethan. Also es war nicht nötig, zur Herstellung der gar nicht angetasteten Ehre des Gendarmen einundzwanzig Zeugen eidlich zu vernehmen, und dadurch die Gefahr von vielen Dutzend Meineiden herbeizuführen, das heißt von vielen Dutzend Verbrechen. Die Notwendigkeit des Zeugeneides im allgemeinen, die wir bestreiten, einmal zugegeben, kann man diesen Eid, den Zwang zu einer Handlung, bei der eine Verfehlung als schweres Verbrechen mit Zuchthaus bestraft wird, vernünftiger¬ weise doch nur auflegen, wo es sich um eine hochwichtige Angelegenheit handelt. Der richtige Deutsche zieht deu Tod dem Zuchthaus vor, Zuchthausgefahr ist also ärger als Todesgefahr. Mau kann nun ejuen Pflichtfeuerwehrmmm wohl zwingen, sein eignes Leben zur Rettung andrer Menschenleben aufs Spiel zu setzen, nicht aber, um ein Taschentuch aus den Flammen zu holen. Selbst wenn die Ehre Münters auf dem Spiele gestanden hätte, was, wie gesagt, nicht der Fall war, wäre immer noch zu erwägen gewesen, ob die Ehre eines Gendarmen ein hin¬ reichender Grund sei, beinahe zwei Dutzend Männer in die Gefahr des Zucht¬ hauses zu bringen. Die Ansichten über die Aufgaben der Strafjustiz mögen noch so weit auseinandergehen, darin werden hoffentlich alle übereinstimmen, daß es nicht ihre Aufgabe sei, Verbrechen und Verbrecher zu machen. Das thut sie aber beim Zeugeueid in einer dreifachen Weise. Sie erklärt eine Handlung (eine Lüge), die an sich zwar Sunde, aber kein Verbrechen ist, für ein Verbrechen. (Eine Lüge kann ein Verbrechen sein, z. B. ist sie es, wenn sie einen Unschul¬ digen zum Mörder stempelt oder die Entdeckung eines Mörders verhindert; und deswegen muß eine derartige Zeugeulüge schwer bestraft werden. Eine Zeugenlüge bei Bagatellprozessen, zu denen fast alle Preßprozesse gehören, mag man, wenn sie entdeckt wird, anch bestrafen, aber doch nicht mit Znchthnns, sondern mit ein paar Mark oder allenfalls ein paar hundert Mark. Jede Zeugenlüge zu einem zucht¬ hauswürdigen Verbrechen zu stempeln, ist den Juristen mit Hilfe des theologischen Eidbegrisfs gelungen. Dabei ist ihnen nnr ein doppeltes kleines Malheur zuge¬ stoßen. Sie haben übersehen, daß im Munde des Atheisten die Berufung auf Gott

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220325/446>, abgerufen am 19.05.2024.