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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr.

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Zum Währungskampfe

glauben, der Seltenheitspreis eines Edelmetalls solle dadurch nicht geringer
werden, daß es reichlicher gewonnen und dadurch eben weniger selten wird.

Um aber nicht den Anschein zu crmecken, als ob wir über das Ziel hinaus¬
schießen wollten, so geben wir unumwunden zu, daß die Demonetisirung des
Silbers, wenn sie auch bei weitem nicht die einzige Ursache seines Preissturzes
gewesen ist, dennoch hierzu beigetragen hat, und umgekehrt ein unbeschränkter
Bedarf des Silbers zu Geldzwecken dessen Tauschwert heben müßte. Man
braucht auch die verkehrte Ansicht, daß durch internationale Übereinkunft jedes
Wertverhältnis zwischen Gold und Silber bestimmt werden könne, in keiner
Weise anzuerkennen und kann doch zugeben, daß die Verwendbarkeit von Silber
und Gold ^als Geld in einem bestimmten, der jeweiligen Wertschätzung ent¬
sprechenden Verhältnis für die Beständigkeit dieses Wertverhültnisses wirkt,
sodaß mutmaßlich nur größere Veränderungen in den Gewinnungsbedingungen
der Edelmetalle Schwankungen in dem vereinbarten Wertverhältnis zur Folge
haben würden.

Die Bimetallisten hätten sich zu der ungeheuerlichen Ansicht, daß das
Wcrtverhültuis zwischen Gold und Silber lediglich auf menschlicher Willkür
beruhe, daß der Mensch in seiner Macht über das Geld ganz schrankenlos sei,
wohl nie verstiegen, wenn nicht von der Gegenseite in dem Gelde nur ob¬
jektiver Wert gesehen und jede Macht des Menschen über das Geld geleugnet
worden wäre. Erkeuntnistheoretisch stehen wir freilich vor einem erstaunlichen
Problem, wenn wir der Wahrheit die Ehre geben und anerkennen, daß das
Geld seine materielle Macht nicht ganz, aber zu einem bedeutenden Teil der
Illusion verdankt. Es ist recht merkwürdig, daß ein Gegenstand, der die
Herzen der Menschen so bewegt, wie das Geld, so wenig erkenntnistheoretische
Beachtung gefunden hat, namentlich auch bei unsern Philosophen, die bis zu
den entlegensten Gebieten vorzudringen bemüht gewesen sind. In kommenden
Zeiten wird man es vielleicht kaum begreifen, daß in einer geistig so hoch
stehenden Zeit, wie der unsrigen, huben und drüben so handgreiflich verworrne
Theorien über das Wesen des Geldes aufgestellt werden konnten. Man wird
aber dann bewußt und unbewußt zu der Erkenntnis durchgedrungen sein, daß
in den menschlichen Vorstellungen Illusion und Thatsachen keinen Gegensatz,
sondern eine Einheit bilden und es das Gebrechen unsrer Geldtheorien war,
daß die einen den illusorischen, die andern den thatsächlichen Inhalt des Geld¬
begriffs leugnen wollten.^)



Edelmetallen zu Geldzwecken gebraucht werden, im Verhältnis zu ihrer Gewichtsmenge ihrem
Preise nach an der Spitze der Edelmetalle stehen, während doch thatsächlich sogar das Gold
eine ziemlich tiefe Stufe, wenn wir nicht irren, die siebzehnte, einnimmt.
*) Der Verfasser ist in feiner Schrift: "Was ist Geld? Ein Beitrag zur Lösung der
sozialen Frage" (Leipzig, Fr. Wilh. Grunow) aus das erkenntnistheoretische Problem näher
eingegangen, als es hier möglich ist.
Zum Währungskampfe

glauben, der Seltenheitspreis eines Edelmetalls solle dadurch nicht geringer
werden, daß es reichlicher gewonnen und dadurch eben weniger selten wird.

Um aber nicht den Anschein zu crmecken, als ob wir über das Ziel hinaus¬
schießen wollten, so geben wir unumwunden zu, daß die Demonetisirung des
Silbers, wenn sie auch bei weitem nicht die einzige Ursache seines Preissturzes
gewesen ist, dennoch hierzu beigetragen hat, und umgekehrt ein unbeschränkter
Bedarf des Silbers zu Geldzwecken dessen Tauschwert heben müßte. Man
braucht auch die verkehrte Ansicht, daß durch internationale Übereinkunft jedes
Wertverhältnis zwischen Gold und Silber bestimmt werden könne, in keiner
Weise anzuerkennen und kann doch zugeben, daß die Verwendbarkeit von Silber
und Gold ^als Geld in einem bestimmten, der jeweiligen Wertschätzung ent¬
sprechenden Verhältnis für die Beständigkeit dieses Wertverhültnisses wirkt,
sodaß mutmaßlich nur größere Veränderungen in den Gewinnungsbedingungen
der Edelmetalle Schwankungen in dem vereinbarten Wertverhältnis zur Folge
haben würden.

Die Bimetallisten hätten sich zu der ungeheuerlichen Ansicht, daß das
Wcrtverhültuis zwischen Gold und Silber lediglich auf menschlicher Willkür
beruhe, daß der Mensch in seiner Macht über das Geld ganz schrankenlos sei,
wohl nie verstiegen, wenn nicht von der Gegenseite in dem Gelde nur ob¬
jektiver Wert gesehen und jede Macht des Menschen über das Geld geleugnet
worden wäre. Erkeuntnistheoretisch stehen wir freilich vor einem erstaunlichen
Problem, wenn wir der Wahrheit die Ehre geben und anerkennen, daß das
Geld seine materielle Macht nicht ganz, aber zu einem bedeutenden Teil der
Illusion verdankt. Es ist recht merkwürdig, daß ein Gegenstand, der die
Herzen der Menschen so bewegt, wie das Geld, so wenig erkenntnistheoretische
Beachtung gefunden hat, namentlich auch bei unsern Philosophen, die bis zu
den entlegensten Gebieten vorzudringen bemüht gewesen sind. In kommenden
Zeiten wird man es vielleicht kaum begreifen, daß in einer geistig so hoch
stehenden Zeit, wie der unsrigen, huben und drüben so handgreiflich verworrne
Theorien über das Wesen des Geldes aufgestellt werden konnten. Man wird
aber dann bewußt und unbewußt zu der Erkenntnis durchgedrungen sein, daß
in den menschlichen Vorstellungen Illusion und Thatsachen keinen Gegensatz,
sondern eine Einheit bilden und es das Gebrechen unsrer Geldtheorien war,
daß die einen den illusorischen, die andern den thatsächlichen Inhalt des Geld¬
begriffs leugnen wollten.^)



Edelmetallen zu Geldzwecken gebraucht werden, im Verhältnis zu ihrer Gewichtsmenge ihrem
Preise nach an der Spitze der Edelmetalle stehen, während doch thatsächlich sogar das Gold
eine ziemlich tiefe Stufe, wenn wir nicht irren, die siebzehnte, einnimmt.
*) Der Verfasser ist in feiner Schrift: „Was ist Geld? Ein Beitrag zur Lösung der
sozialen Frage" (Leipzig, Fr. Wilh. Grunow) aus das erkenntnistheoretische Problem näher
eingegangen, als es hier möglich ist.
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[0598] Zum Währungskampfe glauben, der Seltenheitspreis eines Edelmetalls solle dadurch nicht geringer werden, daß es reichlicher gewonnen und dadurch eben weniger selten wird. Um aber nicht den Anschein zu crmecken, als ob wir über das Ziel hinaus¬ schießen wollten, so geben wir unumwunden zu, daß die Demonetisirung des Silbers, wenn sie auch bei weitem nicht die einzige Ursache seines Preissturzes gewesen ist, dennoch hierzu beigetragen hat, und umgekehrt ein unbeschränkter Bedarf des Silbers zu Geldzwecken dessen Tauschwert heben müßte. Man braucht auch die verkehrte Ansicht, daß durch internationale Übereinkunft jedes Wertverhältnis zwischen Gold und Silber bestimmt werden könne, in keiner Weise anzuerkennen und kann doch zugeben, daß die Verwendbarkeit von Silber und Gold ^als Geld in einem bestimmten, der jeweiligen Wertschätzung ent¬ sprechenden Verhältnis für die Beständigkeit dieses Wertverhültnisses wirkt, sodaß mutmaßlich nur größere Veränderungen in den Gewinnungsbedingungen der Edelmetalle Schwankungen in dem vereinbarten Wertverhältnis zur Folge haben würden. Die Bimetallisten hätten sich zu der ungeheuerlichen Ansicht, daß das Wcrtverhültuis zwischen Gold und Silber lediglich auf menschlicher Willkür beruhe, daß der Mensch in seiner Macht über das Geld ganz schrankenlos sei, wohl nie verstiegen, wenn nicht von der Gegenseite in dem Gelde nur ob¬ jektiver Wert gesehen und jede Macht des Menschen über das Geld geleugnet worden wäre. Erkeuntnistheoretisch stehen wir freilich vor einem erstaunlichen Problem, wenn wir der Wahrheit die Ehre geben und anerkennen, daß das Geld seine materielle Macht nicht ganz, aber zu einem bedeutenden Teil der Illusion verdankt. Es ist recht merkwürdig, daß ein Gegenstand, der die Herzen der Menschen so bewegt, wie das Geld, so wenig erkenntnistheoretische Beachtung gefunden hat, namentlich auch bei unsern Philosophen, die bis zu den entlegensten Gebieten vorzudringen bemüht gewesen sind. In kommenden Zeiten wird man es vielleicht kaum begreifen, daß in einer geistig so hoch stehenden Zeit, wie der unsrigen, huben und drüben so handgreiflich verworrne Theorien über das Wesen des Geldes aufgestellt werden konnten. Man wird aber dann bewußt und unbewußt zu der Erkenntnis durchgedrungen sein, daß in den menschlichen Vorstellungen Illusion und Thatsachen keinen Gegensatz, sondern eine Einheit bilden und es das Gebrechen unsrer Geldtheorien war, daß die einen den illusorischen, die andern den thatsächlichen Inhalt des Geld¬ begriffs leugnen wollten.^) Edelmetallen zu Geldzwecken gebraucht werden, im Verhältnis zu ihrer Gewichtsmenge ihrem Preise nach an der Spitze der Edelmetalle stehen, während doch thatsächlich sogar das Gold eine ziemlich tiefe Stufe, wenn wir nicht irren, die siebzehnte, einnimmt. *) Der Verfasser ist in feiner Schrift: „Was ist Geld? Ein Beitrag zur Lösung der sozialen Frage" (Leipzig, Fr. Wilh. Grunow) aus das erkenntnistheoretische Problem näher eingegangen, als es hier möglich ist.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220325/598>, abgerufen am 11.05.2024.