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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr.

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Das Petroleum

Geestemünde wandelten, herabbengte, bückt er sich vor niemand mehr. In
Hamburg hat er den Guanopalast "der von Ohlendorff" gekauft, und als
Kriegsflagge führt er die stolze Telegrammadresse >'Var: die Initialen von
Wilh. A. Niedemcmn. Ein ganz kleiner, aber hübscher Zug: man sieht, die
Herren fühlen sich bereits als eine Art "kriegführende Macht," sie beginnen
etwas von Alexander dem Großen in sich zu ahnen. Wäre das alte Europa
nicht so ungläubig und so boshaft, vielleicht lasen wir nächstens im Berliner
Tageblatt, neue Ausgrabungen am Nil machten es immer wahrscheinlicher,
daß die Nachkömmlinge des Jupiter Ammon nach dem nördlichen Germanien
gewandert seien.

Doch Scherz beiseite. Wie weit die Macht und der Einfluß "erfolg¬
reicher" Leute unter Umstünden reicht, wie sie Presse und Parlament, Ver¬
waltung und Justiz in die Hand bekommen, das kann man an Amerika und
an Frankreich lernen. Glücklicherweise haben wir keine Republik -- wenigstens
nur in Bremen und Hamburg, und das will nichts bedeuten --, und es kann
also bei uns so weit nicht kommen, aber es wird Zeit, daß wir uns rühren!
Schon ist das Brodmesser in der Hand sehr weniger, und unheimlich schwillt
ihre Macht an. Doch die Abkömmlinge tausendjähriger Geschlechter, unsre an¬
gestammten Herrscher werden sich dem internationalen Gesinde! vom ganz
großen Geldsack nicht fügen, sondern uns auch gegen diesen Feind, der uns
Haus und Herd bedroht, wie kein andrer zuvor, zum Siege führen. Ein
stolzes Ziel dieser Sieg für das edelste der Geschlechter: wer ihn gewinnt,
dessen Thron steht sür Jahrtausende fest, ein Heiligtum seinem Volke und die
Verehrung des Menschengeschlechts.

Plutokraten sind zwar feig, und die Macht der modernen Kapitalisten
entbehrt noch jeder thatsächlichen eignen Stütze, sie beruht lediglich auf einer
Einbildung, auf der Suggestion, daß ihr Interesse und das der Regierenden
dasselbe sei. Es ist also selbstverständlich, daß die Geldherrscher ihr Regiment
heute noch ungefähr so führen, wie eine schlaue Frau den Pantoffel schwingt.
Aber jeden Tag fühlen einige Hunderttausend mehr, daß ihnen Staat und
Kirche, König und Fürst nicht helfe", und so glauben sie, daß sie keine Macht
wehr haben, sie zu schützen. Jeden Tag machen Tausende und Tausende ihren
Frieden mit der wirklichen Macht, die nicht des Königs ist, und andre
Tausende und Tausende verwandeln sich aus Feinden der neuen Herren zu
Feinden derer, die zulassen, daß sie die Herren werden.

Es giebt wohl hie und da unter denen, die regieren helfen, Leute, die
klug genug sind, zu sehen, von wo in Wahrheit die Gefahr für die Mon¬
archie kommt. Diese Herren dürfen aber die Wahrheit nicht sagen, nach innen
nicht und nicht nach anßen, nach oben nicht und nicht nach unter, und müssen
sich deshalb mit Bruchteilen von Halbheiten begnügen. Aber damit schafft
man kein Volk wieder, das sich in seiner großen Masse als Mitbesitzer des


Das Petroleum

Geestemünde wandelten, herabbengte, bückt er sich vor niemand mehr. In
Hamburg hat er den Guanopalast „der von Ohlendorff" gekauft, und als
Kriegsflagge führt er die stolze Telegrammadresse >'Var: die Initialen von
Wilh. A. Niedemcmn. Ein ganz kleiner, aber hübscher Zug: man sieht, die
Herren fühlen sich bereits als eine Art „kriegführende Macht," sie beginnen
etwas von Alexander dem Großen in sich zu ahnen. Wäre das alte Europa
nicht so ungläubig und so boshaft, vielleicht lasen wir nächstens im Berliner
Tageblatt, neue Ausgrabungen am Nil machten es immer wahrscheinlicher,
daß die Nachkömmlinge des Jupiter Ammon nach dem nördlichen Germanien
gewandert seien.

Doch Scherz beiseite. Wie weit die Macht und der Einfluß „erfolg¬
reicher" Leute unter Umstünden reicht, wie sie Presse und Parlament, Ver¬
waltung und Justiz in die Hand bekommen, das kann man an Amerika und
an Frankreich lernen. Glücklicherweise haben wir keine Republik — wenigstens
nur in Bremen und Hamburg, und das will nichts bedeuten —, und es kann
also bei uns so weit nicht kommen, aber es wird Zeit, daß wir uns rühren!
Schon ist das Brodmesser in der Hand sehr weniger, und unheimlich schwillt
ihre Macht an. Doch die Abkömmlinge tausendjähriger Geschlechter, unsre an¬
gestammten Herrscher werden sich dem internationalen Gesinde! vom ganz
großen Geldsack nicht fügen, sondern uns auch gegen diesen Feind, der uns
Haus und Herd bedroht, wie kein andrer zuvor, zum Siege führen. Ein
stolzes Ziel dieser Sieg für das edelste der Geschlechter: wer ihn gewinnt,
dessen Thron steht sür Jahrtausende fest, ein Heiligtum seinem Volke und die
Verehrung des Menschengeschlechts.

Plutokraten sind zwar feig, und die Macht der modernen Kapitalisten
entbehrt noch jeder thatsächlichen eignen Stütze, sie beruht lediglich auf einer
Einbildung, auf der Suggestion, daß ihr Interesse und das der Regierenden
dasselbe sei. Es ist also selbstverständlich, daß die Geldherrscher ihr Regiment
heute noch ungefähr so führen, wie eine schlaue Frau den Pantoffel schwingt.
Aber jeden Tag fühlen einige Hunderttausend mehr, daß ihnen Staat und
Kirche, König und Fürst nicht helfe», und so glauben sie, daß sie keine Macht
wehr haben, sie zu schützen. Jeden Tag machen Tausende und Tausende ihren
Frieden mit der wirklichen Macht, die nicht des Königs ist, und andre
Tausende und Tausende verwandeln sich aus Feinden der neuen Herren zu
Feinden derer, die zulassen, daß sie die Herren werden.

Es giebt wohl hie und da unter denen, die regieren helfen, Leute, die
klug genug sind, zu sehen, von wo in Wahrheit die Gefahr für die Mon¬
archie kommt. Diese Herren dürfen aber die Wahrheit nicht sagen, nach innen
nicht und nicht nach anßen, nach oben nicht und nicht nach unter, und müssen
sich deshalb mit Bruchteilen von Halbheiten begnügen. Aber damit schafft
man kein Volk wieder, das sich in seiner großen Masse als Mitbesitzer des


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220975/321>, abgerufen am 15.06.2024.