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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr.

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Die Börsenkrisis

hafte Folge gehabt hätte, den Krach des November 1895. Denn das und nur
das ist die eigentliche Ursache des österreichisch-ungarischen Krachs.

Ein großes Konsortium übernahm die Konvcrtirung 5- und 4'/zprozen-
tiger österreichischer Fonds in 4prozentige Kronenrente. Es hatte schon früher
unter der Hand und ehe der Konvertirungsplan bekannt war, große Summen
alter Fonds angekauft und wollte natürlich daran verdienen. Bei erniedrigtem
Zinsfuß ein höherer Kurs, das war ein Widerspruch. Dennoch trieb das
Konsortium den Kurs der neuen Krvnenrente, die Hauffe begann. Damals
war es mit den australischen und andern "exotischen" Fonds noch nicht zum
Krach gekommen, sie genossen noch Vertrauen und brachten mehr Zinsen als
die nur 4prozeutige österreichische Krvnenrente. Die alten österreichischen Fonds
waren meist im Auslande bei Rentiers fest als Aulagepapiere untergebracht,
wie man sagt "klassirt." Diese Rentiers verkauften nun die neukonvertirte
Kronenrente, deren gestiegner Kurs lockte, und kauften von dem Erlös höher
verzinsliche Argentinier, Mexikaner und dergleichen. Die kaum entstandne
Krvnenrente strömte also zu vielen Millionen nach Österreich zurück und mußte
größtenteils vom Konsortium übernommen und mit Gold bezahlt werden, das
ins Ausland abfloß. Nun wurde Gold gesucht, wurde also teuer, d. h. das
österreichische Geld oder die Valuta fiel im Kurs. Im Dezember 1892 hatte
man wieder ein Agio in Österreich, das allmählich bis auf 5 Prozent stieg --
so hoch wie damals in Italien. Das Vertrauen auf die neue österreichische
Valuta, die Goldwährung versprach, aber vorläufig noch in Papier oder in
50 bis 55 Prozent uuterwertigeu Silberguldeu oder Kronen bestand, war
erschüttert.

Das Konsortium aber war mächtig und ließ den Kronenrentenkurs nicht
sinken. Jetzt kamen ihr auch der österreichische und der ungarische Finanz¬
minister zu Hilfe. Das war nicht neu. Auch Dunajewski hatte der Börse
große Summen aus den Kassenbeständen zur Verfügung gestellt, um den Kurs
der von ihm ausgegebnen sogenannten Märzrcnte zu treiben. Dasselbe that
nun Steinbach und sein ungarischer Kollege, und es scheint diese Staatshilfe
für die Börse in Österreich wenigstens bis Ende des Kvalitionsministeriums
fortgedauert zu haben, in Ungarn geschieht es noch heute; im Mai 1893 be¬
reits sollen die Regierungen den Banken von Wien und Pest zusammen fünf-
undfünfzig Millionen Gulden zu sehr niedrigem Zins geliehen haben, im Juni
sogar die königlich preußische Seehandlung, und auch die österreichische Post¬
sparkasse kaufte Rente, "um den Markt zu erleichtern." Das Konsortium, ge¬
stützt auf die Hilfe der beiden Regierungen, kämpfte nun gegen das, was es
in der Börsenpresse die Kontremine oder organisirte Baissepartei nannte, und
was doch in der Hauptsache das Publikum kleiner und größerer deutscher
Rentiers war, die "Stücke abgaben" und Gold verlangten. Doch bestand da¬
mals wirklich eine Vaissepartei in Berlin, geschart, wenn ich recht berichtet


Grenzboten IV 1895 60
Die Börsenkrisis

hafte Folge gehabt hätte, den Krach des November 1895. Denn das und nur
das ist die eigentliche Ursache des österreichisch-ungarischen Krachs.

Ein großes Konsortium übernahm die Konvcrtirung 5- und 4'/zprozen-
tiger österreichischer Fonds in 4prozentige Kronenrente. Es hatte schon früher
unter der Hand und ehe der Konvertirungsplan bekannt war, große Summen
alter Fonds angekauft und wollte natürlich daran verdienen. Bei erniedrigtem
Zinsfuß ein höherer Kurs, das war ein Widerspruch. Dennoch trieb das
Konsortium den Kurs der neuen Krvnenrente, die Hauffe begann. Damals
war es mit den australischen und andern „exotischen" Fonds noch nicht zum
Krach gekommen, sie genossen noch Vertrauen und brachten mehr Zinsen als
die nur 4prozeutige österreichische Krvnenrente. Die alten österreichischen Fonds
waren meist im Auslande bei Rentiers fest als Aulagepapiere untergebracht,
wie man sagt „klassirt." Diese Rentiers verkauften nun die neukonvertirte
Kronenrente, deren gestiegner Kurs lockte, und kauften von dem Erlös höher
verzinsliche Argentinier, Mexikaner und dergleichen. Die kaum entstandne
Krvnenrente strömte also zu vielen Millionen nach Österreich zurück und mußte
größtenteils vom Konsortium übernommen und mit Gold bezahlt werden, das
ins Ausland abfloß. Nun wurde Gold gesucht, wurde also teuer, d. h. das
österreichische Geld oder die Valuta fiel im Kurs. Im Dezember 1892 hatte
man wieder ein Agio in Österreich, das allmählich bis auf 5 Prozent stieg —
so hoch wie damals in Italien. Das Vertrauen auf die neue österreichische
Valuta, die Goldwährung versprach, aber vorläufig noch in Papier oder in
50 bis 55 Prozent uuterwertigeu Silberguldeu oder Kronen bestand, war
erschüttert.

Das Konsortium aber war mächtig und ließ den Kronenrentenkurs nicht
sinken. Jetzt kamen ihr auch der österreichische und der ungarische Finanz¬
minister zu Hilfe. Das war nicht neu. Auch Dunajewski hatte der Börse
große Summen aus den Kassenbeständen zur Verfügung gestellt, um den Kurs
der von ihm ausgegebnen sogenannten Märzrcnte zu treiben. Dasselbe that
nun Steinbach und sein ungarischer Kollege, und es scheint diese Staatshilfe
für die Börse in Österreich wenigstens bis Ende des Kvalitionsministeriums
fortgedauert zu haben, in Ungarn geschieht es noch heute; im Mai 1893 be¬
reits sollen die Regierungen den Banken von Wien und Pest zusammen fünf-
undfünfzig Millionen Gulden zu sehr niedrigem Zins geliehen haben, im Juni
sogar die königlich preußische Seehandlung, und auch die österreichische Post¬
sparkasse kaufte Rente, „um den Markt zu erleichtern." Das Konsortium, ge¬
stützt auf die Hilfe der beiden Regierungen, kämpfte nun gegen das, was es
in der Börsenpresse die Kontremine oder organisirte Baissepartei nannte, und
was doch in der Hauptsache das Publikum kleiner und größerer deutscher
Rentiers war, die „Stücke abgaben" und Gold verlangten. Doch bestand da¬
mals wirklich eine Vaissepartei in Berlin, geschart, wenn ich recht berichtet


Grenzboten IV 1895 60
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[0475] Die Börsenkrisis hafte Folge gehabt hätte, den Krach des November 1895. Denn das und nur das ist die eigentliche Ursache des österreichisch-ungarischen Krachs. Ein großes Konsortium übernahm die Konvcrtirung 5- und 4'/zprozen- tiger österreichischer Fonds in 4prozentige Kronenrente. Es hatte schon früher unter der Hand und ehe der Konvertirungsplan bekannt war, große Summen alter Fonds angekauft und wollte natürlich daran verdienen. Bei erniedrigtem Zinsfuß ein höherer Kurs, das war ein Widerspruch. Dennoch trieb das Konsortium den Kurs der neuen Krvnenrente, die Hauffe begann. Damals war es mit den australischen und andern „exotischen" Fonds noch nicht zum Krach gekommen, sie genossen noch Vertrauen und brachten mehr Zinsen als die nur 4prozeutige österreichische Krvnenrente. Die alten österreichischen Fonds waren meist im Auslande bei Rentiers fest als Aulagepapiere untergebracht, wie man sagt „klassirt." Diese Rentiers verkauften nun die neukonvertirte Kronenrente, deren gestiegner Kurs lockte, und kauften von dem Erlös höher verzinsliche Argentinier, Mexikaner und dergleichen. Die kaum entstandne Krvnenrente strömte also zu vielen Millionen nach Österreich zurück und mußte größtenteils vom Konsortium übernommen und mit Gold bezahlt werden, das ins Ausland abfloß. Nun wurde Gold gesucht, wurde also teuer, d. h. das österreichische Geld oder die Valuta fiel im Kurs. Im Dezember 1892 hatte man wieder ein Agio in Österreich, das allmählich bis auf 5 Prozent stieg — so hoch wie damals in Italien. Das Vertrauen auf die neue österreichische Valuta, die Goldwährung versprach, aber vorläufig noch in Papier oder in 50 bis 55 Prozent uuterwertigeu Silberguldeu oder Kronen bestand, war erschüttert. Das Konsortium aber war mächtig und ließ den Kronenrentenkurs nicht sinken. Jetzt kamen ihr auch der österreichische und der ungarische Finanz¬ minister zu Hilfe. Das war nicht neu. Auch Dunajewski hatte der Börse große Summen aus den Kassenbeständen zur Verfügung gestellt, um den Kurs der von ihm ausgegebnen sogenannten Märzrcnte zu treiben. Dasselbe that nun Steinbach und sein ungarischer Kollege, und es scheint diese Staatshilfe für die Börse in Österreich wenigstens bis Ende des Kvalitionsministeriums fortgedauert zu haben, in Ungarn geschieht es noch heute; im Mai 1893 be¬ reits sollen die Regierungen den Banken von Wien und Pest zusammen fünf- undfünfzig Millionen Gulden zu sehr niedrigem Zins geliehen haben, im Juni sogar die königlich preußische Seehandlung, und auch die österreichische Post¬ sparkasse kaufte Rente, „um den Markt zu erleichtern." Das Konsortium, ge¬ stützt auf die Hilfe der beiden Regierungen, kämpfte nun gegen das, was es in der Börsenpresse die Kontremine oder organisirte Baissepartei nannte, und was doch in der Hauptsache das Publikum kleiner und größerer deutscher Rentiers war, die „Stücke abgaben" und Gold verlangten. Doch bestand da¬ mals wirklich eine Vaissepartei in Berlin, geschart, wenn ich recht berichtet Grenzboten IV 1895 60

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220975/475>, abgerufen am 15.06.2024.