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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr.

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Der Zwischenhandel

Landstädten gleichfalls besuchen und beseitigte wieder den Grossisten. Dieser
behielt schließlich bloß noch die Dorfkrämer und die Hausirer in Stadt und
Land, die ihre kleinen Warenvorräte von Haus zu Haus tragen. Aber auch
das Hausirgewerbe wurde, ebenso wie das der Ausrufer auf den Jahrmärkten,
kapitalistisch eingerichtet, da oft ein Unternehmer sechs eigentliche Hausirer
hielt, die die unmittelbar vom Fabrikanten gekaufte Ware für ihn zu vertreiben
hatten.

Der beseitigte Grossist suchte nun aus seiner finanziellen Überlegenheit
dadurch Vorteil zu ziehen, daß er Engrossortimenter wurde. Da wir in
Deutschland noch nicht zu einer solchen Zentralisation der Industrie gekommen
sind, daß in einem Bezirk, und wäre es auch der industriereichste, die Artikel
auch nur eines Geschäftszweigs sämtlich hergestellt würden, hat zwar ein
kapitalkräftiger Grossist, der nur Berliner Lederware verkaufen wollte, keinen
Vorteil vor dem kapitallosen "Agenten." Ist er aber imstande, an einem
Platze alle irgendwie in den Geschäftszweig einschlagenden Artikel aus den ver¬
schiedensten Ursprungsorten aufzustapeln, so kommt er in die günstige Lage,
seinen Absatz bedeutend zu erhöhen, indem er nun allen kapitallosen Krämern
seiner Stadt und ihrer Umgegend durch Darbietung größerer Auswahl von
Handelsartikeln in kleinen Mengen Gelegenheit giebt, auch ihren Umsatz zu
vergrößern. Dabei läßt sich bevbochten, wie im Handel") Unternehmungen,
die einen höhern Grad wirtschaftlicher Entwicklung bezeichnen, zum Siege ge¬
langen. Am Anfange seiner Laufbahn ist der Engrossortimenter nicht imstande,
an die bereits bestehenden Detaillisten zu verkaufen, denn da diese sämtlich ihr
kleines Kapital auf den Handel mit ziemlich wenig Artikeln verwenden müssen,
werden sie vom Produzenten unmittelbar versorgt. Er schafft sich daher einen
ganz neuen Kundenkreis, indem er fast ganz kapitallosen Leuten, z. B. kleinen
Krämern, Waren in größter Auswahl, aber ganz kleinen Mengen zum Verkauf
übergiebt und sie so gegen die bereits bestehenden Detaillisten trotz deren
Kapitnlbesitz konkurrenzfähig macht. Da der Engrossortimenter die Waren
billiger einkauft als der Detaillist, und seine Kunden sich mit geringem Nutzen
begnügen, drückt er langsam, aber stetig den Verdienst und den Umsatz der
alten Detaillisten herab, bis es für diese unmöglich wird, noch vom Fabrikanten
unmittelbar zu kaufen, und sie sich gleichfalls an ihn wenden.

Warum ist der Zwischenhandel heute ein notwendiges Glied des Wirt¬
schaftslebens? Um diese Frage zu beantworten, müssen wir drei typische
Stufen der Produktion beachten. 1. Die Arbeitsteilung unter den einzelnen
Unternehmungen ist noch so wenig entwickelt, daß ein einziger Unternehmer
alle Sorten irgend eines Artikels herstellt, der von einer größern Gesellschafts-



Auch zum Teil in der Produktion, z, B, beim Beginn der Mattsetzung des Handwerks
durch den Verlag.
Der Zwischenhandel

Landstädten gleichfalls besuchen und beseitigte wieder den Grossisten. Dieser
behielt schließlich bloß noch die Dorfkrämer und die Hausirer in Stadt und
Land, die ihre kleinen Warenvorräte von Haus zu Haus tragen. Aber auch
das Hausirgewerbe wurde, ebenso wie das der Ausrufer auf den Jahrmärkten,
kapitalistisch eingerichtet, da oft ein Unternehmer sechs eigentliche Hausirer
hielt, die die unmittelbar vom Fabrikanten gekaufte Ware für ihn zu vertreiben
hatten.

Der beseitigte Grossist suchte nun aus seiner finanziellen Überlegenheit
dadurch Vorteil zu ziehen, daß er Engrossortimenter wurde. Da wir in
Deutschland noch nicht zu einer solchen Zentralisation der Industrie gekommen
sind, daß in einem Bezirk, und wäre es auch der industriereichste, die Artikel
auch nur eines Geschäftszweigs sämtlich hergestellt würden, hat zwar ein
kapitalkräftiger Grossist, der nur Berliner Lederware verkaufen wollte, keinen
Vorteil vor dem kapitallosen „Agenten." Ist er aber imstande, an einem
Platze alle irgendwie in den Geschäftszweig einschlagenden Artikel aus den ver¬
schiedensten Ursprungsorten aufzustapeln, so kommt er in die günstige Lage,
seinen Absatz bedeutend zu erhöhen, indem er nun allen kapitallosen Krämern
seiner Stadt und ihrer Umgegend durch Darbietung größerer Auswahl von
Handelsartikeln in kleinen Mengen Gelegenheit giebt, auch ihren Umsatz zu
vergrößern. Dabei läßt sich bevbochten, wie im Handel") Unternehmungen,
die einen höhern Grad wirtschaftlicher Entwicklung bezeichnen, zum Siege ge¬
langen. Am Anfange seiner Laufbahn ist der Engrossortimenter nicht imstande,
an die bereits bestehenden Detaillisten zu verkaufen, denn da diese sämtlich ihr
kleines Kapital auf den Handel mit ziemlich wenig Artikeln verwenden müssen,
werden sie vom Produzenten unmittelbar versorgt. Er schafft sich daher einen
ganz neuen Kundenkreis, indem er fast ganz kapitallosen Leuten, z. B. kleinen
Krämern, Waren in größter Auswahl, aber ganz kleinen Mengen zum Verkauf
übergiebt und sie so gegen die bereits bestehenden Detaillisten trotz deren
Kapitnlbesitz konkurrenzfähig macht. Da der Engrossortimenter die Waren
billiger einkauft als der Detaillist, und seine Kunden sich mit geringem Nutzen
begnügen, drückt er langsam, aber stetig den Verdienst und den Umsatz der
alten Detaillisten herab, bis es für diese unmöglich wird, noch vom Fabrikanten
unmittelbar zu kaufen, und sie sich gleichfalls an ihn wenden.

Warum ist der Zwischenhandel heute ein notwendiges Glied des Wirt¬
schaftslebens? Um diese Frage zu beantworten, müssen wir drei typische
Stufen der Produktion beachten. 1. Die Arbeitsteilung unter den einzelnen
Unternehmungen ist noch so wenig entwickelt, daß ein einziger Unternehmer
alle Sorten irgend eines Artikels herstellt, der von einer größern Gesellschafts-



Auch zum Teil in der Produktion, z, B, beim Beginn der Mattsetzung des Handwerks
durch den Verlag.
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[0018] Der Zwischenhandel Landstädten gleichfalls besuchen und beseitigte wieder den Grossisten. Dieser behielt schließlich bloß noch die Dorfkrämer und die Hausirer in Stadt und Land, die ihre kleinen Warenvorräte von Haus zu Haus tragen. Aber auch das Hausirgewerbe wurde, ebenso wie das der Ausrufer auf den Jahrmärkten, kapitalistisch eingerichtet, da oft ein Unternehmer sechs eigentliche Hausirer hielt, die die unmittelbar vom Fabrikanten gekaufte Ware für ihn zu vertreiben hatten. Der beseitigte Grossist suchte nun aus seiner finanziellen Überlegenheit dadurch Vorteil zu ziehen, daß er Engrossortimenter wurde. Da wir in Deutschland noch nicht zu einer solchen Zentralisation der Industrie gekommen sind, daß in einem Bezirk, und wäre es auch der industriereichste, die Artikel auch nur eines Geschäftszweigs sämtlich hergestellt würden, hat zwar ein kapitalkräftiger Grossist, der nur Berliner Lederware verkaufen wollte, keinen Vorteil vor dem kapitallosen „Agenten." Ist er aber imstande, an einem Platze alle irgendwie in den Geschäftszweig einschlagenden Artikel aus den ver¬ schiedensten Ursprungsorten aufzustapeln, so kommt er in die günstige Lage, seinen Absatz bedeutend zu erhöhen, indem er nun allen kapitallosen Krämern seiner Stadt und ihrer Umgegend durch Darbietung größerer Auswahl von Handelsartikeln in kleinen Mengen Gelegenheit giebt, auch ihren Umsatz zu vergrößern. Dabei läßt sich bevbochten, wie im Handel") Unternehmungen, die einen höhern Grad wirtschaftlicher Entwicklung bezeichnen, zum Siege ge¬ langen. Am Anfange seiner Laufbahn ist der Engrossortimenter nicht imstande, an die bereits bestehenden Detaillisten zu verkaufen, denn da diese sämtlich ihr kleines Kapital auf den Handel mit ziemlich wenig Artikeln verwenden müssen, werden sie vom Produzenten unmittelbar versorgt. Er schafft sich daher einen ganz neuen Kundenkreis, indem er fast ganz kapitallosen Leuten, z. B. kleinen Krämern, Waren in größter Auswahl, aber ganz kleinen Mengen zum Verkauf übergiebt und sie so gegen die bereits bestehenden Detaillisten trotz deren Kapitnlbesitz konkurrenzfähig macht. Da der Engrossortimenter die Waren billiger einkauft als der Detaillist, und seine Kunden sich mit geringem Nutzen begnügen, drückt er langsam, aber stetig den Verdienst und den Umsatz der alten Detaillisten herab, bis es für diese unmöglich wird, noch vom Fabrikanten unmittelbar zu kaufen, und sie sich gleichfalls an ihn wenden. Warum ist der Zwischenhandel heute ein notwendiges Glied des Wirt¬ schaftslebens? Um diese Frage zu beantworten, müssen wir drei typische Stufen der Produktion beachten. 1. Die Arbeitsteilung unter den einzelnen Unternehmungen ist noch so wenig entwickelt, daß ein einziger Unternehmer alle Sorten irgend eines Artikels herstellt, der von einer größern Gesellschafts- Auch zum Teil in der Produktion, z, B, beim Beginn der Mattsetzung des Handwerks durch den Verlag.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222303/18>, abgerufen am 13.05.2024.