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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr.

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Gin Wort zum deutsch-dänischen Streit

schlechten Eigenschaften an. Wer von dort herkommt, wird mit Mißtrauen be¬
trachtet, nicht bloß weil er als Eindringling gilt, der die Dünen aus ihren
angestammten Sitzen verdrängen will, sondern auch weil man zu einer schärfern
Beurteilung seines Verhaltens neigt. Es ist vielleicht nicht genügend beachtet
worden, wie sehr dieser Umstand zur Verstärkung der Abneigung gegen das
Deutschtum beiträgt. Von dem Standpunkt aus freilich, daß die Dänen einfach
zu gehorchen haben und ihre Anschauungen keine Beachtung verdienen, sind
solche Sorgen überflüssig.

Bei der oben bezeichneten Stimmung der deutschen Nordschleswiger nun
scheint es mir bedenklich, wenn die von dieser Seite kommenden Urteile als
Autorität hingestellt werden, und wenn man daraus eine zutreffende Kenntnis
von den nordschleswigschen Verhältnissen zu schöpfen sucht. In der letzten
Zeit ist in mehreren deutschen Blättern, allerdings nur solchen von einer be¬
stimmten Parteirichtung, ein Buch anerkennend und wohlwollend besprochen
worden, das in der erwähnten Weise zur Aufklärung über die nordschleswig¬
schen Verhältnisse dienen will. Herr Strackerjahn in Flensburg scheint in der
That das von ihm herausgegebne Buch: "Dänische Umtriebe in deutschem
Lande" hauptsächlich zu dem Zwecke geschrieben zu haben, das deutsche Publikum
darüber zu belehren, welche widerspenstige und bösartige Nasse die nordschles¬
wigschen Dänen sind, und daß sie nur mit Strenge regiert werden können. Ich
weiß nicht, ob das Buch viel Leser findet. Für Kenner der dortigen Zustände
enthält es nichts neues; für das deutsche Publikum im ganzen aber dürfte es
zu ausführlich und deshalb ermüdend sein. Mit großem Sammelfleiß sind
die Beweise für die deutschfeindliche Gesinnung der Dänen, für ihre Befangen¬
heit in der Beurteilung deutscher Zustände zusammengetragen. Wenn man
aber bedenkt, daß der Verfasser des Büchleins jahrelang als Redakteur einer
deutschen Zeitung im Kampfe mit den Dänen gelebt hat, so ist wohl der Zweifel
berechtigt, ob seine Auffassung unbefangen sei. Die Anführungen aus der
Presse mögen wortgetreu, die thatsächlichen Angaben der verschiednen Vorfälle
mögen richtig sein, und doch macht die ganze Zusammenstellung den Eindruck,
daß es im Norden viel schlimmer hergehe, als wirklich der Fall ist. Wenn
z. B. vereinzelt einmal eine Schlügerei stattfindet, so ist es doch ganz ver¬
kehrt, daraus auf eine besondre Bösartigkeit des dänischen Volkscharakters zu
schließen. Auch die angeführten Beispiele deutschfeindlicher Gesinnung berech¬
tigen nicht zu dem Schluß, daß der Deutsche bestündigen Belästigungen aus¬
gesetzt sei. Ich habe während meines mehrjährigen Aufenthalts in Nord¬
schleswig, in den siebziger Jahren bis in die achtziger Jahre hin"n, bei den
Dänischgesinnten eher vorsichtige Zurückhaltung bemerkt, als Neigung zum
Streit um politische Fragen mit den Gegnern ihrer Anschauungen. Ja ich
muß gestehen, daß ich bei der einfachen bäuerlichen Bevölkerung in dortiger
Gegend mehr Takt gefunden habe als bei manchem Partcikampfhahu im lieben


Gin Wort zum deutsch-dänischen Streit

schlechten Eigenschaften an. Wer von dort herkommt, wird mit Mißtrauen be¬
trachtet, nicht bloß weil er als Eindringling gilt, der die Dünen aus ihren
angestammten Sitzen verdrängen will, sondern auch weil man zu einer schärfern
Beurteilung seines Verhaltens neigt. Es ist vielleicht nicht genügend beachtet
worden, wie sehr dieser Umstand zur Verstärkung der Abneigung gegen das
Deutschtum beiträgt. Von dem Standpunkt aus freilich, daß die Dänen einfach
zu gehorchen haben und ihre Anschauungen keine Beachtung verdienen, sind
solche Sorgen überflüssig.

Bei der oben bezeichneten Stimmung der deutschen Nordschleswiger nun
scheint es mir bedenklich, wenn die von dieser Seite kommenden Urteile als
Autorität hingestellt werden, und wenn man daraus eine zutreffende Kenntnis
von den nordschleswigschen Verhältnissen zu schöpfen sucht. In der letzten
Zeit ist in mehreren deutschen Blättern, allerdings nur solchen von einer be¬
stimmten Parteirichtung, ein Buch anerkennend und wohlwollend besprochen
worden, das in der erwähnten Weise zur Aufklärung über die nordschleswig¬
schen Verhältnisse dienen will. Herr Strackerjahn in Flensburg scheint in der
That das von ihm herausgegebne Buch: „Dänische Umtriebe in deutschem
Lande" hauptsächlich zu dem Zwecke geschrieben zu haben, das deutsche Publikum
darüber zu belehren, welche widerspenstige und bösartige Nasse die nordschles¬
wigschen Dänen sind, und daß sie nur mit Strenge regiert werden können. Ich
weiß nicht, ob das Buch viel Leser findet. Für Kenner der dortigen Zustände
enthält es nichts neues; für das deutsche Publikum im ganzen aber dürfte es
zu ausführlich und deshalb ermüdend sein. Mit großem Sammelfleiß sind
die Beweise für die deutschfeindliche Gesinnung der Dänen, für ihre Befangen¬
heit in der Beurteilung deutscher Zustände zusammengetragen. Wenn man
aber bedenkt, daß der Verfasser des Büchleins jahrelang als Redakteur einer
deutschen Zeitung im Kampfe mit den Dänen gelebt hat, so ist wohl der Zweifel
berechtigt, ob seine Auffassung unbefangen sei. Die Anführungen aus der
Presse mögen wortgetreu, die thatsächlichen Angaben der verschiednen Vorfälle
mögen richtig sein, und doch macht die ganze Zusammenstellung den Eindruck,
daß es im Norden viel schlimmer hergehe, als wirklich der Fall ist. Wenn
z. B. vereinzelt einmal eine Schlügerei stattfindet, so ist es doch ganz ver¬
kehrt, daraus auf eine besondre Bösartigkeit des dänischen Volkscharakters zu
schließen. Auch die angeführten Beispiele deutschfeindlicher Gesinnung berech¬
tigen nicht zu dem Schluß, daß der Deutsche bestündigen Belästigungen aus¬
gesetzt sei. Ich habe während meines mehrjährigen Aufenthalts in Nord¬
schleswig, in den siebziger Jahren bis in die achtziger Jahre hin«n, bei den
Dänischgesinnten eher vorsichtige Zurückhaltung bemerkt, als Neigung zum
Streit um politische Fragen mit den Gegnern ihrer Anschauungen. Ja ich
muß gestehen, daß ich bei der einfachen bäuerlichen Bevölkerung in dortiger
Gegend mehr Takt gefunden habe als bei manchem Partcikampfhahu im lieben


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[0550] Gin Wort zum deutsch-dänischen Streit schlechten Eigenschaften an. Wer von dort herkommt, wird mit Mißtrauen be¬ trachtet, nicht bloß weil er als Eindringling gilt, der die Dünen aus ihren angestammten Sitzen verdrängen will, sondern auch weil man zu einer schärfern Beurteilung seines Verhaltens neigt. Es ist vielleicht nicht genügend beachtet worden, wie sehr dieser Umstand zur Verstärkung der Abneigung gegen das Deutschtum beiträgt. Von dem Standpunkt aus freilich, daß die Dänen einfach zu gehorchen haben und ihre Anschauungen keine Beachtung verdienen, sind solche Sorgen überflüssig. Bei der oben bezeichneten Stimmung der deutschen Nordschleswiger nun scheint es mir bedenklich, wenn die von dieser Seite kommenden Urteile als Autorität hingestellt werden, und wenn man daraus eine zutreffende Kenntnis von den nordschleswigschen Verhältnissen zu schöpfen sucht. In der letzten Zeit ist in mehreren deutschen Blättern, allerdings nur solchen von einer be¬ stimmten Parteirichtung, ein Buch anerkennend und wohlwollend besprochen worden, das in der erwähnten Weise zur Aufklärung über die nordschleswig¬ schen Verhältnisse dienen will. Herr Strackerjahn in Flensburg scheint in der That das von ihm herausgegebne Buch: „Dänische Umtriebe in deutschem Lande" hauptsächlich zu dem Zwecke geschrieben zu haben, das deutsche Publikum darüber zu belehren, welche widerspenstige und bösartige Nasse die nordschles¬ wigschen Dänen sind, und daß sie nur mit Strenge regiert werden können. Ich weiß nicht, ob das Buch viel Leser findet. Für Kenner der dortigen Zustände enthält es nichts neues; für das deutsche Publikum im ganzen aber dürfte es zu ausführlich und deshalb ermüdend sein. Mit großem Sammelfleiß sind die Beweise für die deutschfeindliche Gesinnung der Dänen, für ihre Befangen¬ heit in der Beurteilung deutscher Zustände zusammengetragen. Wenn man aber bedenkt, daß der Verfasser des Büchleins jahrelang als Redakteur einer deutschen Zeitung im Kampfe mit den Dänen gelebt hat, so ist wohl der Zweifel berechtigt, ob seine Auffassung unbefangen sei. Die Anführungen aus der Presse mögen wortgetreu, die thatsächlichen Angaben der verschiednen Vorfälle mögen richtig sein, und doch macht die ganze Zusammenstellung den Eindruck, daß es im Norden viel schlimmer hergehe, als wirklich der Fall ist. Wenn z. B. vereinzelt einmal eine Schlügerei stattfindet, so ist es doch ganz ver¬ kehrt, daraus auf eine besondre Bösartigkeit des dänischen Volkscharakters zu schließen. Auch die angeführten Beispiele deutschfeindlicher Gesinnung berech¬ tigen nicht zu dem Schluß, daß der Deutsche bestündigen Belästigungen aus¬ gesetzt sei. Ich habe während meines mehrjährigen Aufenthalts in Nord¬ schleswig, in den siebziger Jahren bis in die achtziger Jahre hin«n, bei den Dänischgesinnten eher vorsichtige Zurückhaltung bemerkt, als Neigung zum Streit um politische Fragen mit den Gegnern ihrer Anschauungen. Ja ich muß gestehen, daß ich bei der einfachen bäuerlichen Bevölkerung in dortiger Gegend mehr Takt gefunden habe als bei manchem Partcikampfhahu im lieben

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222303/550>, abgerufen am 16.06.2024.