Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Leipziger Pasquillanten des achtzehnten Jahrhunderts

sei jederzeit als ein ,,^u6ioimn mixtum" anerkannt worden, "das juWu. vriuoipis
bei den in das Vücherwesen einschlagenden Sachen nicht bloß Aufsicht zu
führen, sondern auch die sich äußernden Mißbräuche abzustellen und die dabei
vorkommenden Rechtsstreitigkeiten zur Erörterung zu bringen" habe. Es sei
also kein Zweifel, daß ihr "die Cognition in dergleichen Sachen, wie über
andere, so auch über einzelne Universitütsverwandte zugleich mit übertragen
sei, höchstwahrscheinlicherweise um deswillen, damit diese über eine Lvoention
von ihrem Z?ore> sich nicht zu beschweren haben, und damit insonderheit die
erforderlichen schleunigen Verfügungen nicht aufgehalten und erschweret werden."
An einer ganzen Reihe von Fällen aus den Jahren 1709 bis 1787 sucht der
Rat nachzuweisen, daß die Vücherkommission jederzeit "den in Büchersachen
vernommenen ^o^äLmiois zum Teil Ermahnungen und Weisungen gegeben, teils
auch Strafen zugesprochen" habe, ohne daß jemals von der Universität etwas
dagegen eingewendet worden sei.

Die Universität beruhigte sich aber dabei nicht, sondern berichtete im Januar
1788 eingehend an die Regierung, wobei sie die ganze Frage, "ob der Bncher-
kommission überhaupt eine Gerichtsbarkeit zustehe," geschichtlich und prinzipiell
erörterte (es müsse "der Punkt bestimmt werden, wo eine Pvlizeiangelegenheit
in eine Justizsache übergehe," und dies geschehe, "sobald im einzelnen Falle
es nicht mehr bloß aus allgemeine, zum Besten des Ganzen gereichende An¬
ordnungen überhaupt, sondern auf die Erörterung der Rechte und Befugnisse
einzelner Personen ankomme"), ihre eigne Ansicht durch juristische Autoritäten
zu stützen und die von der Bücherkommission angeführten frühern Beispiele
teils als unzutreffend, teils als Beweise eines widerrechtlichen Verfahrens hin¬
zustellen suchte, dagegen aus den Uuiversitätsakteu eine ganze Reihe andrer
Fälle ans den Jahren 1705 bis 1784 vorbrachte, die das Gegenteil beweisen
sollten. Der Rat erstattete, von der Regierung aufgefordert, endlich im Juli
1789 einen ausführlichen Gegenbericht. Zu einer Entscheidung dieser ganzen
"Jurisdiktionsdisferenz" scheint es aber nie gekommen zu sein; wenigstens ent¬
halten die Akten nichts davon.

(Fortsetzung folgt)




Leipziger Pasquillanten des achtzehnten Jahrhunderts

sei jederzeit als ein ,,^u6ioimn mixtum" anerkannt worden, „das juWu. vriuoipis
bei den in das Vücherwesen einschlagenden Sachen nicht bloß Aufsicht zu
führen, sondern auch die sich äußernden Mißbräuche abzustellen und die dabei
vorkommenden Rechtsstreitigkeiten zur Erörterung zu bringen" habe. Es sei
also kein Zweifel, daß ihr «die Cognition in dergleichen Sachen, wie über
andere, so auch über einzelne Universitütsverwandte zugleich mit übertragen
sei, höchstwahrscheinlicherweise um deswillen, damit diese über eine Lvoention
von ihrem Z?ore> sich nicht zu beschweren haben, und damit insonderheit die
erforderlichen schleunigen Verfügungen nicht aufgehalten und erschweret werden."
An einer ganzen Reihe von Fällen aus den Jahren 1709 bis 1787 sucht der
Rat nachzuweisen, daß die Vücherkommission jederzeit „den in Büchersachen
vernommenen ^o^äLmiois zum Teil Ermahnungen und Weisungen gegeben, teils
auch Strafen zugesprochen" habe, ohne daß jemals von der Universität etwas
dagegen eingewendet worden sei.

Die Universität beruhigte sich aber dabei nicht, sondern berichtete im Januar
1788 eingehend an die Regierung, wobei sie die ganze Frage, „ob der Bncher-
kommission überhaupt eine Gerichtsbarkeit zustehe," geschichtlich und prinzipiell
erörterte (es müsse „der Punkt bestimmt werden, wo eine Pvlizeiangelegenheit
in eine Justizsache übergehe," und dies geschehe, „sobald im einzelnen Falle
es nicht mehr bloß aus allgemeine, zum Besten des Ganzen gereichende An¬
ordnungen überhaupt, sondern auf die Erörterung der Rechte und Befugnisse
einzelner Personen ankomme"), ihre eigne Ansicht durch juristische Autoritäten
zu stützen und die von der Bücherkommission angeführten frühern Beispiele
teils als unzutreffend, teils als Beweise eines widerrechtlichen Verfahrens hin¬
zustellen suchte, dagegen aus den Uuiversitätsakteu eine ganze Reihe andrer
Fälle ans den Jahren 1705 bis 1784 vorbrachte, die das Gegenteil beweisen
sollten. Der Rat erstattete, von der Regierung aufgefordert, endlich im Juli
1789 einen ausführlichen Gegenbericht. Zu einer Entscheidung dieser ganzen
„Jurisdiktionsdisferenz" scheint es aber nie gekommen zu sein; wenigstens ent¬
halten die Akten nichts davon.

(Fortsetzung folgt)




<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0570" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/222874"/>
          <fw type="header" place="top"> Leipziger Pasquillanten des achtzehnten Jahrhunderts</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1647" prev="#ID_1646"> sei jederzeit als ein ,,^u6ioimn mixtum" anerkannt worden, &#x201E;das juWu. vriuoipis<lb/>
bei den in das Vücherwesen einschlagenden Sachen nicht bloß Aufsicht zu<lb/>
führen, sondern auch die sich äußernden Mißbräuche abzustellen und die dabei<lb/>
vorkommenden Rechtsstreitigkeiten zur Erörterung zu bringen" habe. Es sei<lb/>
also kein Zweifel, daß ihr «die Cognition in dergleichen Sachen, wie über<lb/>
andere, so auch über einzelne Universitütsverwandte zugleich mit übertragen<lb/>
sei, höchstwahrscheinlicherweise um deswillen, damit diese über eine Lvoention<lb/>
von ihrem Z?ore&gt; sich nicht zu beschweren haben, und damit insonderheit die<lb/>
erforderlichen schleunigen Verfügungen nicht aufgehalten und erschweret werden."<lb/>
An einer ganzen Reihe von Fällen aus den Jahren 1709 bis 1787 sucht der<lb/>
Rat nachzuweisen, daß die Vücherkommission jederzeit &#x201E;den in Büchersachen<lb/>
vernommenen ^o^äLmiois zum Teil Ermahnungen und Weisungen gegeben, teils<lb/>
auch Strafen zugesprochen" habe, ohne daß jemals von der Universität etwas<lb/>
dagegen eingewendet worden sei.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1648"> Die Universität beruhigte sich aber dabei nicht, sondern berichtete im Januar<lb/>
1788 eingehend an die Regierung, wobei sie die ganze Frage, &#x201E;ob der Bncher-<lb/>
kommission überhaupt eine Gerichtsbarkeit zustehe," geschichtlich und prinzipiell<lb/>
erörterte (es müsse &#x201E;der Punkt bestimmt werden, wo eine Pvlizeiangelegenheit<lb/>
in eine Justizsache übergehe," und dies geschehe, &#x201E;sobald im einzelnen Falle<lb/>
es nicht mehr bloß aus allgemeine, zum Besten des Ganzen gereichende An¬<lb/>
ordnungen überhaupt, sondern auf die Erörterung der Rechte und Befugnisse<lb/>
einzelner Personen ankomme"), ihre eigne Ansicht durch juristische Autoritäten<lb/>
zu stützen und die von der Bücherkommission angeführten frühern Beispiele<lb/>
teils als unzutreffend, teils als Beweise eines widerrechtlichen Verfahrens hin¬<lb/>
zustellen suchte, dagegen aus den Uuiversitätsakteu eine ganze Reihe andrer<lb/>
Fälle ans den Jahren 1705 bis 1784 vorbrachte, die das Gegenteil beweisen<lb/>
sollten.  Der Rat erstattete, von der Regierung aufgefordert, endlich im Juli<lb/>
1789 einen ausführlichen Gegenbericht. Zu einer Entscheidung dieser ganzen<lb/>
&#x201E;Jurisdiktionsdisferenz" scheint es aber nie gekommen zu sein; wenigstens ent¬<lb/>
halten die Akten nichts davon.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1649"> (Fortsetzung folgt)</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0570] Leipziger Pasquillanten des achtzehnten Jahrhunderts sei jederzeit als ein ,,^u6ioimn mixtum" anerkannt worden, „das juWu. vriuoipis bei den in das Vücherwesen einschlagenden Sachen nicht bloß Aufsicht zu führen, sondern auch die sich äußernden Mißbräuche abzustellen und die dabei vorkommenden Rechtsstreitigkeiten zur Erörterung zu bringen" habe. Es sei also kein Zweifel, daß ihr «die Cognition in dergleichen Sachen, wie über andere, so auch über einzelne Universitütsverwandte zugleich mit übertragen sei, höchstwahrscheinlicherweise um deswillen, damit diese über eine Lvoention von ihrem Z?ore> sich nicht zu beschweren haben, und damit insonderheit die erforderlichen schleunigen Verfügungen nicht aufgehalten und erschweret werden." An einer ganzen Reihe von Fällen aus den Jahren 1709 bis 1787 sucht der Rat nachzuweisen, daß die Vücherkommission jederzeit „den in Büchersachen vernommenen ^o^äLmiois zum Teil Ermahnungen und Weisungen gegeben, teils auch Strafen zugesprochen" habe, ohne daß jemals von der Universität etwas dagegen eingewendet worden sei. Die Universität beruhigte sich aber dabei nicht, sondern berichtete im Januar 1788 eingehend an die Regierung, wobei sie die ganze Frage, „ob der Bncher- kommission überhaupt eine Gerichtsbarkeit zustehe," geschichtlich und prinzipiell erörterte (es müsse „der Punkt bestimmt werden, wo eine Pvlizeiangelegenheit in eine Justizsache übergehe," und dies geschehe, „sobald im einzelnen Falle es nicht mehr bloß aus allgemeine, zum Besten des Ganzen gereichende An¬ ordnungen überhaupt, sondern auf die Erörterung der Rechte und Befugnisse einzelner Personen ankomme"), ihre eigne Ansicht durch juristische Autoritäten zu stützen und die von der Bücherkommission angeführten frühern Beispiele teils als unzutreffend, teils als Beweise eines widerrechtlichen Verfahrens hin¬ zustellen suchte, dagegen aus den Uuiversitätsakteu eine ganze Reihe andrer Fälle ans den Jahren 1705 bis 1784 vorbrachte, die das Gegenteil beweisen sollten. Der Rat erstattete, von der Regierung aufgefordert, endlich im Juli 1789 einen ausführlichen Gegenbericht. Zu einer Entscheidung dieser ganzen „Jurisdiktionsdisferenz" scheint es aber nie gekommen zu sein; wenigstens ent¬ halten die Akten nichts davon. (Fortsetzung folgt)

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222303
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222303/570
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222303/570>, abgerufen am 11.05.2024.