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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr.

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Unser Gffizierersatz

erst aus der Kenntnis des Svldatenlebens heraus zu diesem Berufe ent¬
schlössen.

Eins müßte dann allerdings noch hinzugefügt werden: die Vorpaten-
tirung des Gymnasialabiturienten, da sonst immer noch ein Preis darauf
gesetzt wäre, möglichst frühzeitig, unmittelbar nach Erlangung der Primareife,
auf die Ofsizierslaufbahn loszugehen. Diese jungen Offiziere haben überhaupt
ihr bedenkliches. Man wende nicht ein, daß einer nicht erst mit zwanzig
bis einundzwanzig Jahren Offizier werden dürfe, da er sonst bei einer vierzehn¬
jährigen Subalteruoffizierzcit erst mit vierunddreißig bis fünfunddreißig Jahren
Hauptmann werden könne. Diese vierzehn Jahre sind eben zu laug; der alte
Premierleutuant, der, immer noch zu Fuß, zum wer weiß wie vielteumale die¬
selben Übungen mitmacht, ist keine erfreuliche Figur.

Nun wird man sagen: wenn wir eine durchschnittlich siebenjährige
Hauptmaunszeit zu Grunde legen, so müssen wir eine vierzehnjährige Snb-
altcrnoffizierzeit hinnehmen, wenn wir die Normalzahl von zwei Snbaltern-
vffizieren für die Kompagnie im Frieden festhalten wollen. Dieses Rechen-
exempel scheint sehr einfach, aber es giebt doch noch eine andre Lösung. Man
ziehe die Reserveoffiziere heran. Seit vielen Jahren haben wir entweder über¬
schüssige Juristen oder unverwendbare Forstleute und Philologen, unter denen
stets eine namhafte Zahl von Reserveoffizieren ist. Eröffnet man diesen die
Möglichkeit, für einen bestimmten Zeitraum in den aktiven Dienst einzutreten,
indem man ihnen diese Zeit in ihrem Staatsdienst anrechnet, so wird man
damit nicht nur die Kriegsbrauchbarkeit des ganzen Neserveoffizicrstaudes
wesentlich erhöhen, sondern auch die Subalternvffizierzeit des aktiven Offiziers
bedeutend verkürzen können, ganz zu schweigen von der stärkern Durch-
mengung unsrer jüngern Offiziere mit Leuten, die einen andern Bildungsgang
durchgemacht haben; der Vorteil hiervon liegt auf der Hand. Nicht minder
wichtig aber dürfte das sein, daß mau dann etwas weniger zur Pensionirung
junger Hauptleute genötigt sein würde, sondern es auch ohne dieses mißliebige
Mittel erreichen würde, das Durchschnittsalter der Beförderung zum Haupt-
mann auf dreißig bis einunddreißig Jahre, die Lentnantszeit auf zehn bis elf
Jahre zu bringen. Dies würde aber auch wieder gut auf den Offizierersatz
zurückwirken; denn heute besinnt sich doch so mancher, ob er vierzehn Jahre
lang vom Zuschuß der Eltern leben und Snbalterndienste thun will, um dann
vielleicht als junger Hauptmann "abgesägt" zu werden.




Unser Gffizierersatz

erst aus der Kenntnis des Svldatenlebens heraus zu diesem Berufe ent¬
schlössen.

Eins müßte dann allerdings noch hinzugefügt werden: die Vorpaten-
tirung des Gymnasialabiturienten, da sonst immer noch ein Preis darauf
gesetzt wäre, möglichst frühzeitig, unmittelbar nach Erlangung der Primareife,
auf die Ofsizierslaufbahn loszugehen. Diese jungen Offiziere haben überhaupt
ihr bedenkliches. Man wende nicht ein, daß einer nicht erst mit zwanzig
bis einundzwanzig Jahren Offizier werden dürfe, da er sonst bei einer vierzehn¬
jährigen Subalteruoffizierzcit erst mit vierunddreißig bis fünfunddreißig Jahren
Hauptmann werden könne. Diese vierzehn Jahre sind eben zu laug; der alte
Premierleutuant, der, immer noch zu Fuß, zum wer weiß wie vielteumale die¬
selben Übungen mitmacht, ist keine erfreuliche Figur.

Nun wird man sagen: wenn wir eine durchschnittlich siebenjährige
Hauptmaunszeit zu Grunde legen, so müssen wir eine vierzehnjährige Snb-
altcrnoffizierzeit hinnehmen, wenn wir die Normalzahl von zwei Snbaltern-
vffizieren für die Kompagnie im Frieden festhalten wollen. Dieses Rechen-
exempel scheint sehr einfach, aber es giebt doch noch eine andre Lösung. Man
ziehe die Reserveoffiziere heran. Seit vielen Jahren haben wir entweder über¬
schüssige Juristen oder unverwendbare Forstleute und Philologen, unter denen
stets eine namhafte Zahl von Reserveoffizieren ist. Eröffnet man diesen die
Möglichkeit, für einen bestimmten Zeitraum in den aktiven Dienst einzutreten,
indem man ihnen diese Zeit in ihrem Staatsdienst anrechnet, so wird man
damit nicht nur die Kriegsbrauchbarkeit des ganzen Neserveoffizicrstaudes
wesentlich erhöhen, sondern auch die Subalternvffizierzeit des aktiven Offiziers
bedeutend verkürzen können, ganz zu schweigen von der stärkern Durch-
mengung unsrer jüngern Offiziere mit Leuten, die einen andern Bildungsgang
durchgemacht haben; der Vorteil hiervon liegt auf der Hand. Nicht minder
wichtig aber dürfte das sein, daß mau dann etwas weniger zur Pensionirung
junger Hauptleute genötigt sein würde, sondern es auch ohne dieses mißliebige
Mittel erreichen würde, das Durchschnittsalter der Beförderung zum Haupt-
mann auf dreißig bis einunddreißig Jahre, die Lentnantszeit auf zehn bis elf
Jahre zu bringen. Dies würde aber auch wieder gut auf den Offizierersatz
zurückwirken; denn heute besinnt sich doch so mancher, ob er vierzehn Jahre
lang vom Zuschuß der Eltern leben und Snbalterndienste thun will, um dann
vielleicht als junger Hauptmann „abgesägt" zu werden.




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[0164] Unser Gffizierersatz erst aus der Kenntnis des Svldatenlebens heraus zu diesem Berufe ent¬ schlössen. Eins müßte dann allerdings noch hinzugefügt werden: die Vorpaten- tirung des Gymnasialabiturienten, da sonst immer noch ein Preis darauf gesetzt wäre, möglichst frühzeitig, unmittelbar nach Erlangung der Primareife, auf die Ofsizierslaufbahn loszugehen. Diese jungen Offiziere haben überhaupt ihr bedenkliches. Man wende nicht ein, daß einer nicht erst mit zwanzig bis einundzwanzig Jahren Offizier werden dürfe, da er sonst bei einer vierzehn¬ jährigen Subalteruoffizierzcit erst mit vierunddreißig bis fünfunddreißig Jahren Hauptmann werden könne. Diese vierzehn Jahre sind eben zu laug; der alte Premierleutuant, der, immer noch zu Fuß, zum wer weiß wie vielteumale die¬ selben Übungen mitmacht, ist keine erfreuliche Figur. Nun wird man sagen: wenn wir eine durchschnittlich siebenjährige Hauptmaunszeit zu Grunde legen, so müssen wir eine vierzehnjährige Snb- altcrnoffizierzeit hinnehmen, wenn wir die Normalzahl von zwei Snbaltern- vffizieren für die Kompagnie im Frieden festhalten wollen. Dieses Rechen- exempel scheint sehr einfach, aber es giebt doch noch eine andre Lösung. Man ziehe die Reserveoffiziere heran. Seit vielen Jahren haben wir entweder über¬ schüssige Juristen oder unverwendbare Forstleute und Philologen, unter denen stets eine namhafte Zahl von Reserveoffizieren ist. Eröffnet man diesen die Möglichkeit, für einen bestimmten Zeitraum in den aktiven Dienst einzutreten, indem man ihnen diese Zeit in ihrem Staatsdienst anrechnet, so wird man damit nicht nur die Kriegsbrauchbarkeit des ganzen Neserveoffizicrstaudes wesentlich erhöhen, sondern auch die Subalternvffizierzeit des aktiven Offiziers bedeutend verkürzen können, ganz zu schweigen von der stärkern Durch- mengung unsrer jüngern Offiziere mit Leuten, die einen andern Bildungsgang durchgemacht haben; der Vorteil hiervon liegt auf der Hand. Nicht minder wichtig aber dürfte das sein, daß mau dann etwas weniger zur Pensionirung junger Hauptleute genötigt sein würde, sondern es auch ohne dieses mißliebige Mittel erreichen würde, das Durchschnittsalter der Beförderung zum Haupt- mann auf dreißig bis einunddreißig Jahre, die Lentnantszeit auf zehn bis elf Jahre zu bringen. Dies würde aber auch wieder gut auf den Offizierersatz zurückwirken; denn heute besinnt sich doch so mancher, ob er vierzehn Jahre lang vom Zuschuß der Eltern leben und Snbalterndienste thun will, um dann vielleicht als junger Hauptmann „abgesägt" zu werden.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224245/164>, abgerufen am 21.05.2024.