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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr.

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jpan in Dresden und München

Heftes hat den Vorzug gegenüber der frühern Unordnung, daß sie Aufsätze
über diese Städte aus der Feder von sachkundigen Männern veranlaßt hat,
aus denen man sich gern über das Kunstleben des betreffenden Mittelpunkts
unterrichtet. So verdiente es ausgesprochen zu werden, daß das Malerische
und Indiae in der Architektur, was das alte Dresden trotz seines Schmutzes
so reizend macht, was die Menschen allesamt entzückend finden, doch in dem,
was sie in neuerer Zeit bauen, geflissentlich vermieden wird, und so das un¬
zusammenhängende, wüste Bild der sich allmählich häutenden Stadt entstanden
ist, über das einer dieser Aufsätze spricht. Inzwischen haben wir auch die Ge¬
wißheit bekommen, daß die herrliche alte Elbbrücke den Ansprüchen der mo¬
dernen Schiffahrt geopfert und durch eine eiserne ersetzt werden soll. Ein
andrer Aufsatz gilt den Kunstgewerbemuseen, und wir hören darin von keinem
geringern als Vode, was sich mancher im stillen längst gesagt hat, daß die
meisten dieser Anstalten keine Sammlungen von Vorbildern sind, was sie ur¬
sprünglich hatten werden sollen, sondern Anhäufungen von kulturgeschichtlich
merkwürdigen Sehenswürdigkeiten aller Art, deren Durcheinander den suchenden
Handwerker mehr verwirren muß, als es ihn fördern kann. Es wäre also
besser gewesen, man Hütte den Grundstock dieser Sammlungen in den alten so¬
genannten Kuustkammern der Museen gelassen, wo sie zum Teil noch jetzt gut
aufgestellt sind, z. B. in Kassel und Braunschweig, und man hätte den Ge¬
werbemuseen nur das gegeben, was in ihnen wirklich als Muster nützen kann.
Der Aufsatz gehört eigentlich nicht in das Dresdner Heft, denn in Dresden
bestehen ja noch die kostbaren Sammlungen der alten Art, das Grüne Ge¬
wölbe und für die Porzellane das Johanneum, er ist an die Adresse des
Berliner Gewerbemuseums gerichtet, für dessen Inhalt der noch nicht zwanzig
Jahre alte Neubau schon nicht mehr ausreicht, und enthält sehr viel Be¬
herzigenswertes über kunstgewerblichen Unterricht. Andre Aufsätze betreffen die
Verhältnisse der modernen Dresdner Plastik und Malerei, die sich seit 1880
durch das Absterben alter und den Zugang neuer Kräfte schnell verändert haben.
Ja schneller als irgendwo, und der Wechsel der Personen bei der Leitung der
Sammlungen und an andern für die Kunst wichtigen Stellen ist der Änderung
günstig gewesen, denn alle die Neuen sind zufällig auch energisch für das Neue
eingenommen und aufgetreten. Wie bekannt, hat die Dresdner Gesellschaft an
diesen recht heftigen Kämpfen lebhaft Anteil genommen, und gegenwärtig liegt
die Sache, wie der Pein ausführt, so, daß die Jungen nach allen den Be¬
günstigungen, die ihnen zu teil geworden sind, gewonnenes Spiel haben. Also,
meine jungen Herren, nun machen Sie mal Musik und zeigen Sie, daß
Sie spielen können! Heraus mit den Bildern deiner Schützlinge, alter Pan!

Klinger, "Erinnerung, Originalradirung": Müdchenkopf von etwas ver-
sinnertem Ausdruck, zwischen zwei Gardinen in einer langen Öffnung, wie ein
Stück Vorhemd ans dem Westenausschnitt herausgnckend -- ferner "Studie


jpan in Dresden und München

Heftes hat den Vorzug gegenüber der frühern Unordnung, daß sie Aufsätze
über diese Städte aus der Feder von sachkundigen Männern veranlaßt hat,
aus denen man sich gern über das Kunstleben des betreffenden Mittelpunkts
unterrichtet. So verdiente es ausgesprochen zu werden, daß das Malerische
und Indiae in der Architektur, was das alte Dresden trotz seines Schmutzes
so reizend macht, was die Menschen allesamt entzückend finden, doch in dem,
was sie in neuerer Zeit bauen, geflissentlich vermieden wird, und so das un¬
zusammenhängende, wüste Bild der sich allmählich häutenden Stadt entstanden
ist, über das einer dieser Aufsätze spricht. Inzwischen haben wir auch die Ge¬
wißheit bekommen, daß die herrliche alte Elbbrücke den Ansprüchen der mo¬
dernen Schiffahrt geopfert und durch eine eiserne ersetzt werden soll. Ein
andrer Aufsatz gilt den Kunstgewerbemuseen, und wir hören darin von keinem
geringern als Vode, was sich mancher im stillen längst gesagt hat, daß die
meisten dieser Anstalten keine Sammlungen von Vorbildern sind, was sie ur¬
sprünglich hatten werden sollen, sondern Anhäufungen von kulturgeschichtlich
merkwürdigen Sehenswürdigkeiten aller Art, deren Durcheinander den suchenden
Handwerker mehr verwirren muß, als es ihn fördern kann. Es wäre also
besser gewesen, man Hütte den Grundstock dieser Sammlungen in den alten so¬
genannten Kuustkammern der Museen gelassen, wo sie zum Teil noch jetzt gut
aufgestellt sind, z. B. in Kassel und Braunschweig, und man hätte den Ge¬
werbemuseen nur das gegeben, was in ihnen wirklich als Muster nützen kann.
Der Aufsatz gehört eigentlich nicht in das Dresdner Heft, denn in Dresden
bestehen ja noch die kostbaren Sammlungen der alten Art, das Grüne Ge¬
wölbe und für die Porzellane das Johanneum, er ist an die Adresse des
Berliner Gewerbemuseums gerichtet, für dessen Inhalt der noch nicht zwanzig
Jahre alte Neubau schon nicht mehr ausreicht, und enthält sehr viel Be¬
herzigenswertes über kunstgewerblichen Unterricht. Andre Aufsätze betreffen die
Verhältnisse der modernen Dresdner Plastik und Malerei, die sich seit 1880
durch das Absterben alter und den Zugang neuer Kräfte schnell verändert haben.
Ja schneller als irgendwo, und der Wechsel der Personen bei der Leitung der
Sammlungen und an andern für die Kunst wichtigen Stellen ist der Änderung
günstig gewesen, denn alle die Neuen sind zufällig auch energisch für das Neue
eingenommen und aufgetreten. Wie bekannt, hat die Dresdner Gesellschaft an
diesen recht heftigen Kämpfen lebhaft Anteil genommen, und gegenwärtig liegt
die Sache, wie der Pein ausführt, so, daß die Jungen nach allen den Be¬
günstigungen, die ihnen zu teil geworden sind, gewonnenes Spiel haben. Also,
meine jungen Herren, nun machen Sie mal Musik und zeigen Sie, daß
Sie spielen können! Heraus mit den Bildern deiner Schützlinge, alter Pan!

Klinger, „Erinnerung, Originalradirung": Müdchenkopf von etwas ver-
sinnertem Ausdruck, zwischen zwei Gardinen in einer langen Öffnung, wie ein
Stück Vorhemd ans dem Westenausschnitt herausgnckend — ferner „Studie


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[0461] jpan in Dresden und München Heftes hat den Vorzug gegenüber der frühern Unordnung, daß sie Aufsätze über diese Städte aus der Feder von sachkundigen Männern veranlaßt hat, aus denen man sich gern über das Kunstleben des betreffenden Mittelpunkts unterrichtet. So verdiente es ausgesprochen zu werden, daß das Malerische und Indiae in der Architektur, was das alte Dresden trotz seines Schmutzes so reizend macht, was die Menschen allesamt entzückend finden, doch in dem, was sie in neuerer Zeit bauen, geflissentlich vermieden wird, und so das un¬ zusammenhängende, wüste Bild der sich allmählich häutenden Stadt entstanden ist, über das einer dieser Aufsätze spricht. Inzwischen haben wir auch die Ge¬ wißheit bekommen, daß die herrliche alte Elbbrücke den Ansprüchen der mo¬ dernen Schiffahrt geopfert und durch eine eiserne ersetzt werden soll. Ein andrer Aufsatz gilt den Kunstgewerbemuseen, und wir hören darin von keinem geringern als Vode, was sich mancher im stillen längst gesagt hat, daß die meisten dieser Anstalten keine Sammlungen von Vorbildern sind, was sie ur¬ sprünglich hatten werden sollen, sondern Anhäufungen von kulturgeschichtlich merkwürdigen Sehenswürdigkeiten aller Art, deren Durcheinander den suchenden Handwerker mehr verwirren muß, als es ihn fördern kann. Es wäre also besser gewesen, man Hütte den Grundstock dieser Sammlungen in den alten so¬ genannten Kuustkammern der Museen gelassen, wo sie zum Teil noch jetzt gut aufgestellt sind, z. B. in Kassel und Braunschweig, und man hätte den Ge¬ werbemuseen nur das gegeben, was in ihnen wirklich als Muster nützen kann. Der Aufsatz gehört eigentlich nicht in das Dresdner Heft, denn in Dresden bestehen ja noch die kostbaren Sammlungen der alten Art, das Grüne Ge¬ wölbe und für die Porzellane das Johanneum, er ist an die Adresse des Berliner Gewerbemuseums gerichtet, für dessen Inhalt der noch nicht zwanzig Jahre alte Neubau schon nicht mehr ausreicht, und enthält sehr viel Be¬ herzigenswertes über kunstgewerblichen Unterricht. Andre Aufsätze betreffen die Verhältnisse der modernen Dresdner Plastik und Malerei, die sich seit 1880 durch das Absterben alter und den Zugang neuer Kräfte schnell verändert haben. Ja schneller als irgendwo, und der Wechsel der Personen bei der Leitung der Sammlungen und an andern für die Kunst wichtigen Stellen ist der Änderung günstig gewesen, denn alle die Neuen sind zufällig auch energisch für das Neue eingenommen und aufgetreten. Wie bekannt, hat die Dresdner Gesellschaft an diesen recht heftigen Kämpfen lebhaft Anteil genommen, und gegenwärtig liegt die Sache, wie der Pein ausführt, so, daß die Jungen nach allen den Be¬ günstigungen, die ihnen zu teil geworden sind, gewonnenes Spiel haben. Also, meine jungen Herren, nun machen Sie mal Musik und zeigen Sie, daß Sie spielen können! Heraus mit den Bildern deiner Schützlinge, alter Pan! Klinger, „Erinnerung, Originalradirung": Müdchenkopf von etwas ver- sinnertem Ausdruck, zwischen zwei Gardinen in einer langen Öffnung, wie ein Stück Vorhemd ans dem Westenausschnitt herausgnckend — ferner „Studie

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224245/461>, abgerufen am 21.05.2024.