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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr.

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Unsre Postdampferlinion
. . .

' , 'V
Am 27. Mai 1881 richtete Fürst Vismarck an den Reichstag ein
Schreiben, betreffend die Hebung des Ausfuhrhandels nach Ostasien unh
Australien und der Südsee, worin auch das Erfordernis der Herstellung einer
regelmäßigen, vom Reiche unterstützten Dampferverbindung mit China, Austra¬
lien und den Südseeinseln hervorgehoben war. Greifbare Gestalt erhielt jedoch
der Plan, deutsche Postdampferlinien nach jenen Erdteilen herzustellen, erst
1884. Einige Zeit vorher hatte der Staatssekretär des Neichspvstamts
Dr. Stephan in einer dem Reichskanzler vorgelegte,, Denkschrift die Not¬
wendigkeit begründet, deutsche Reedereien durch Gewährung jährlicher Bei¬
hilfen zur Einrichtung und Unterhaltung von Postdnmpferlinien nach Asien
und Australien zu veranlassen. Das Ergebnis der Ausführungen des Staats¬
sekretärs war ein dem Reichstage am 23. Mai 1884 vorgelegter Gesetzentwurf,
betreffend die Verwendung von Geldmitteln aus Reichsfonds zur Einrichtung
und Unterhaltung von Postdampfschiffverbindungen mit überseeischen Ländern.
Nach diesem Entwurf, der nur zwei Paragraphen umfaßte, sollte der Reichs¬
kanzler ermächtigt werden, sür die Unterhaltung von Postdampferlinien zwischen
Hamburg oder Bremerhaveu einerseits, Ostasien und Australien andrerseits auf
eine Dauer bis zu fünfzehn Jahren an geeignete Privatunternehmungen jährliche
Beihilfen von 4000000 Mark zu bewilligen. Dem Entwürfe war eine Denk¬
schrift beigefügt, worin der Plan, die deutsche Seeschiffahrt durch Gewährung
reichlicher Beihilfen auf eine der Macht und. dem Ansehen des deutschen Reichs
entsprechende Höhe zu heben, eingehend begründet war. Die Denkschrift wies
darauf hin, daß von den zahlreichen, im Weltverkehr thätigen, regelmäßigen
Dampferverbindungen nur zehn von deutschen Reedereien unterhalten würden,
wogegen England und Frankreich mit achtunddreißig und einundzwanzig
Dampferlinien am Weltverkehr beteiligt seien. England wende für den Scc-
postdieust jährlich 13 Millionen, Frankreich 20, Österreich 4, Italien 7 Mil¬
lionen und selbst Belgien 650000 Mark auf, wogegen die deutsche Neichs-
postverwaltung für die Beförderung der Post nach überseeischen Ländern nur
die bescheidne Summe von 300000 Mark jährlich zahle. Da regelmäßige
deutsche Dampferlinieu uach Ostasien, Australien und Afrika nicht vorhanden
seien, so müsse die deutsche Post nach diesen Erdteilen Dampfern fremder
Nationalität anvertraut werden. Der Mangel an deutschen Dampferlinien
nach Ostasien und Australien mache sich um so empfindlicher fühlbar, als der
Postverkehr Deutschlands dorthin schon sehr umfangreich und in fortgesetztem
schnellem Steigen begriffen sei. Der Umfang des PostVerkehrs bilde auch bei
den internationalen Beziehungen einen Maßstab für die Bedeutung des zwischen
den betreffenden Ländern bestehenden allgemeinen Geschäftsverkehrs. Der un¬
mittelbare Handel Deutschlands mit Ostasien und Australien gewinne nun
zwar stetig an Ausdehnung; er habe jedoch noch nicht den zwanzigsten Teil
des englischen Handels mit jenen Ländern erreicht. Die Herstellung unmittel-


Unsre Postdampferlinion
. . .

' , 'V
Am 27. Mai 1881 richtete Fürst Vismarck an den Reichstag ein
Schreiben, betreffend die Hebung des Ausfuhrhandels nach Ostasien unh
Australien und der Südsee, worin auch das Erfordernis der Herstellung einer
regelmäßigen, vom Reiche unterstützten Dampferverbindung mit China, Austra¬
lien und den Südseeinseln hervorgehoben war. Greifbare Gestalt erhielt jedoch
der Plan, deutsche Postdampferlinien nach jenen Erdteilen herzustellen, erst
1884. Einige Zeit vorher hatte der Staatssekretär des Neichspvstamts
Dr. Stephan in einer dem Reichskanzler vorgelegte,, Denkschrift die Not¬
wendigkeit begründet, deutsche Reedereien durch Gewährung jährlicher Bei¬
hilfen zur Einrichtung und Unterhaltung von Postdnmpferlinien nach Asien
und Australien zu veranlassen. Das Ergebnis der Ausführungen des Staats¬
sekretärs war ein dem Reichstage am 23. Mai 1884 vorgelegter Gesetzentwurf,
betreffend die Verwendung von Geldmitteln aus Reichsfonds zur Einrichtung
und Unterhaltung von Postdampfschiffverbindungen mit überseeischen Ländern.
Nach diesem Entwurf, der nur zwei Paragraphen umfaßte, sollte der Reichs¬
kanzler ermächtigt werden, sür die Unterhaltung von Postdampferlinien zwischen
Hamburg oder Bremerhaveu einerseits, Ostasien und Australien andrerseits auf
eine Dauer bis zu fünfzehn Jahren an geeignete Privatunternehmungen jährliche
Beihilfen von 4000000 Mark zu bewilligen. Dem Entwürfe war eine Denk¬
schrift beigefügt, worin der Plan, die deutsche Seeschiffahrt durch Gewährung
reichlicher Beihilfen auf eine der Macht und. dem Ansehen des deutschen Reichs
entsprechende Höhe zu heben, eingehend begründet war. Die Denkschrift wies
darauf hin, daß von den zahlreichen, im Weltverkehr thätigen, regelmäßigen
Dampferverbindungen nur zehn von deutschen Reedereien unterhalten würden,
wogegen England und Frankreich mit achtunddreißig und einundzwanzig
Dampferlinien am Weltverkehr beteiligt seien. England wende für den Scc-
postdieust jährlich 13 Millionen, Frankreich 20, Österreich 4, Italien 7 Mil¬
lionen und selbst Belgien 650000 Mark auf, wogegen die deutsche Neichs-
postverwaltung für die Beförderung der Post nach überseeischen Ländern nur
die bescheidne Summe von 300000 Mark jährlich zahle. Da regelmäßige
deutsche Dampferlinieu uach Ostasien, Australien und Afrika nicht vorhanden
seien, so müsse die deutsche Post nach diesen Erdteilen Dampfern fremder
Nationalität anvertraut werden. Der Mangel an deutschen Dampferlinien
nach Ostasien und Australien mache sich um so empfindlicher fühlbar, als der
Postverkehr Deutschlands dorthin schon sehr umfangreich und in fortgesetztem
schnellem Steigen begriffen sei. Der Umfang des PostVerkehrs bilde auch bei
den internationalen Beziehungen einen Maßstab für die Bedeutung des zwischen
den betreffenden Ländern bestehenden allgemeinen Geschäftsverkehrs. Der un¬
mittelbare Handel Deutschlands mit Ostasien und Australien gewinne nun
zwar stetig an Ausdehnung; er habe jedoch noch nicht den zwanzigsten Teil
des englischen Handels mit jenen Ländern erreicht. Die Herstellung unmittel-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224245/66>, abgerufen am 22.05.2024.